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Der Stand zu Irlmaier (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 25.05.2016, 08:52 (vor 2885 Tagen) @ finder (6906 Aufrufe)

Hallo!

»Zuerst kommt ein Wohlstand wie noch nie.

Dann folgt ein Glaubensabfall wie nie zuvor.

Darauf eine noch nie da gewesene Sittenverderbnis.

Alsdann kommt eine große Zahl fremder Leute ins Land.

Es herrscht eine hohe Inflation.

Das Geld verliert mehr und mehr an Wert.

Bald darauf folgt die Revolution [in Deutschland].

Dann überfallen die Russen über Nacht den Westen.«

Und dann überleitend in die 3-Tägige Finsternis diese Sammlung, die sich perfekt mit Irlmaier zu ergänzen scheint:
http://cordisanima.blogspot.de/2011/01/drei-tage-finsternis-als-letztes.html


Was würdet ihr jemandem entgegnen, der obiges glaubt?
Hat Irlmaier das wirklich gesagt, oder ist es Fälschung? War Irlmaier ein Betrüger? Wenn Irlmaier Bombentreffer auf den Punkt genau vorhersah, macht ihn das nicht auch glaubwürdig für "angreifende Russen", da ja beides Ereignisse in der Zukunft sind? Kommt der Weltkrieg (und das Weltenende) wie in obigem Zitat beschrieben, oder nicht?

Irlmaier hat das obige möglicherweise gesagt. Sicher ist es nicht, denn die Aussagen wurden erst über 40 Jahre nach Irlmaiers Tod von einer Caritasschwester namens Marie Luise Bender gemacht, die Irlmaier in ihrer Jugend begegnet sein will. Die Aussagen wurden angeblich in "Reinigung der Erde" von Joseph Stocker, 7. Auflage veröffentlicht. Selbst kann ich es nicht bestätigen, da ich die 7. Auflage nicht habe. In früheren steht es nicht.
Zur Bewertung der Echtheit einer prophetischen Aussage muß man aber nicht das angebliche Entstehungsdatum heranziehen, sondern das Veröffentlichungsdatum, also vermutlich 1992. Zu dieser Zeit hatten wir bereits eine große Menge Fremder Leute im Land, ungeachtet daß später noch mehr kommen sollten. Genaugenommen kann man es also nicht als Bestätigung Irlmaiers werten. Es kann auch sein, daß sich ca. 1992 jemand die Aussage ausgedacht und Irlmaier zugeschrieben hat.

Der Rest der Aussagen entspricht dem Prophezeiungskanon, den auch Irmaier kannte. Die selben Informationen lassen sich auch mit Sätzen von Mühlhiasl von 1923 zusammenstückeln:
"Wenn d’Leut nichts mehr tun als fressen und saufen, schlemmen und dämmen." (Wohlstand wie noch nie.)
"D’Religion wird noch so klein, daß mans in ein’ Hut hineinbringt, der Glaub’n wird so dünn, daß man ihn mit der Geißel abhauen kann, der Glaub’n wird so wenig, daß man ihn mit’m Geißelschnappen vertreiben kann" (Glaubensabfall wie noch nie.)
"D’Leut wird’n erst recht schlecht" (Sittenverderbnis wie noch nie.)
"Geld wird gemacht, so viel, daß man’s gar nimmer kennen kann, wenns gleich lauter Papierflanken sind, kriegen die Leut nicht genug dran." (Hohe Inflation.)
"’S Gold geht zu Eisen und Stahl" (Geld verliert mehr und mehr an Wert.)
"Die reichen und noblen Leut werden umgebracht, wer feine Händ hat, wird totgeschlagen." "Der Stadtherr lauft zum Bauern aufs Feld und sagt: ‚Laß mich ackern!’, der Bauer erschlagt ihn mit der Pflugreutn." (Revolution)
"Von Straubing auf den Pilmersberg (Pilgramsberg) hinein wird eine Straß baut. Auf der Straß kommen sie einmal heraus, dieselben Roten, d’Rotjankerl." (Überfall der Russen, die Roten waren 1923 wie zu Irlmaiers Zeiten die Rote Armee.)

Der Stand der Erkenntnis zu Irlmaier ist der folgende: Irlmaier war seherisch hochbegabt, feierte seine größten Erfolge aber im Privatbereich. Er konnte Leute beraten, die ihn besuchten, Ereignisse in deren Lebenslauf sehen und in seiner persönlichen Umgebung (Bombentreffer in Rosenheim, wo er sich zu der Zeit aufhielt). Aufgrund dieser Fähigkeit, die er ja in einem aufsehenerregenden Gerichtsprozeß bestätigt hat, wurde er vom lokalen Verleger Conrad Adlmaier als Sensation vermarktet. Zu diesem Zweck wurde über seine seherische Gabe hinaus die "Marke Irlmaier" entwickelt, die auch prophetische Aussagen zum Weltgeschehen enthielt, zu dem Irlmaier aber wenig bis gar nichts sah. Viele der vermeintlichen Prophezeiungen Irlmaiers lassen sich auf Vorlagen in älteren Prophezeiungen (Paradebeispiel ist meine obige Auflistung) zurückführen sowie auf zeitgenössische Vorstellungen. Beispielsweise kursierten bereits am Ende des 2. Weltkriegs Ideen, die dem gelben Strich entsprechen. Laut Rochus Misch aus dem Umfeld Hitlers hatten die Alliierten gedroht, "sich im Fall des Einsatzes der Atombombe mit 15.000 Flugzeugen in Nordafrika zu versammeln, um dann ganz Deutschland mit Gas zu verseuchen" (Quelle), was schon stark an Irlmaiers gelben Strich, gelegt von Vögeln aus Nordafrika, erinnert. Eine andere Inspiration könnte Kästners Gedicht von 1930 sein.
Wir gehen davon aus, daß Irmaiser Aussagen von Conrad Adlmaier aus anderen Quellen zusammengestellt, bzw. frei erfunden wurden. In Absprache mit Adlmaier hat Irmaier dann vor allem den Zeitungen, aber auch Zeitzeugen, die danach fragten, das fertige Produkt erzählt.
Erschwerend für beide kommt hinzu, daß:
1. Irlmaier selbst bereits mehrfach im Gefängnis saß, u. a. wegen Betruges. (Hat Berndt selbst herausgefunden.)
2. Adlmaier selbst des Betruges überführt wurde. Er hat das Lied der Linde mit der Behauptung veröffentlich, es habe sich seit 1850 in Privatbesitz einer anonymen Familie befunden. Tatsächlich wurde es 1920 in Freising vom Dichter Martin Hingerl in einem Gedichtband veröffentlicht. Adlmaier hat sich hier eine Lügengeschichte ausgedacht, um das Urheberrecht zu umgehen.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß Irlmaier nicht doch die eine oder andere eigene Schau zum Weltgeschehen hatte. Wir haben noch nicht alle Plagiate aufgedeckt. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Irlmaier ist aber höchverdächtig und tendenziell nicht ernst zu nehmen.

Zu Berndt: Ihm ist zugutezuhalten, daß er durch seine Tätigkeit das Thema an sich bekannter macht. Er ist aber kein seriöser Forscher, da ihm aufgrund seines Naturells als einer, der gerne im Mittelpunkt steht und sich selbst darstellt, mehr an Sensation als wirklicher Aufklärung gelegen ist. Seine Ausgangshypothese ist, daß Irlmaier ein echter Seher gewesen wäre, bzw. seine Aussagen echt wären und dies nur durch Argumente bewiesen werden müsse. Nie käme er auf die Idee, den Stoff anzuzweifeln, auf dem er seinen Ruhm als Autor begründet.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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