Oder sie nehmen ihn willentlich in Kauf, aber warum? (Schauungen & Prophezeiungen)

rauhnacht, Mittwoch, 25.11.2015, 10:02 (vor 3069 Tagen) @ Taurec (4381 Aufrufe)

Hallo,
vielleicht darum:
Der faustische Mensch weiß selbst nicht, ob sein Sein mehr Segen oder mehr Fluch ist.
Zwischen dem hier; schöner Text zum „Universalgenie“ der Sturm und Drang Zeit aus Wikipedia:

"Wer bemerkt, wahrnimmt, schaut, empfindet, denkt, spricht, handelt, bildet, dichtet, singt, schafft, vergleicht, sondert, vereinigt, folgert, ahndet, gibt, nimmt − als wenn's ihm ein Genius, ein Wesen höherer Art diktiert und angegeben hätte, der hat Genie; als wenn er selbst ein Wesen höherer Art wäre − ist Genie. […] Der Charakter des Genies und aller Werke und Wirkungen des Genies − ist meines Erachtens − Apparition ... Wie Engelserscheinung nicht kömmt, sondern da steht; nicht weg geht, sondern weg ist; wie Engelserscheinung ins innerste Mark trifft − unsterblich ins Unsterbliche der Menschheit wirkt − und verschwindet, und fortwirkt nach dem Verschwinden − und süße Schauer und Schreckentränen und Freudenblässe zurückläßt, so Werk und Wirkung des Genies. […]
Oder nenn' es, beschreib' es wie du willst! Nenn's Fruchtbarkeit des Geistes! Unerschöpflichkeit! Quellgeist! Nenn's Kraft ohne ihres Gleichen − Urkraft, kraftvolle Liebe; Elastizität der Seele […] Nenn's Zentralgeist, Zentralfeuer, dem nichts widersteht. […] Nenn's und beschreib's wie du willst und kannst: das Ungelernte, Unentlehnte, Unlernbare, Unentlehnbare, Unnachahmliche, Göttliche − ist Genie − das Inspirationsmäßige ist Genie"

Über dies hier:

"Nach der Reichsgründung wurde Faust zum „nationalen Mythos“, zur „Inkarnation deutschen Wesens und deutschen Sendungsbewußtseins“ verklärt.[268] Neuere Interpretationen drängen den überkommenen Deutungsoptimismus des „Faustischen“ mit seiner Vorbildfigur für rastlosen Drang nach Vervollkommnung zurück und verweisen stattdessen auf das „Ruheverbot“ und den „Bewegungszwang“ im modernen Charakter des „Global Player Faust“ hin."

Da wird wegen der begangenen Hybris dies Sein zur Sicherheit lieber wieder in den „Gängelwagen“ gesperrt, was allen Recht ist. Den oben wegen der Gefahr. Den unten wegen der „Faulheit und Feigheit“, wie Kant so schön erklärt.

"In dem nun folgenden Absatz erklärt Kant, warum ein großer Teil der Menschen, obwohl sie längst erwachsen sind und fähig wären selbst zu denken, zeit ihres Lebens unmündig bleiben und dies auch noch gerne sind. Der Grund dafür sei „Faulheit und Feigheit“. Denn es sei bequem, unmündig zu sein. Das „verdrießliche Geschäft“ des eigenständigen Denkens könne leicht auf andere übertragen werden. Wer einen Arzt habe, müsse seine Diät nicht selbst beurteilen; anstatt sich selbst Wissen anzueignen, könne man sich auch einfach Bücher kaufen; wer sich einen „Seelsorger“ leisten könne, brauche selbst kein Gewissen. Somit sei es nicht nötig, selbst zu denken, und der Großteil der Menschen (darunter das „ganze schöne Geschlecht“) mache von dieser Möglichkeit Gebrauch. So werde es für andere leicht, sich zu den „Vormündern“ dieser Menschen aufzuschwingen. Diese Vormünder sorgten auch dafür, dass die „unmündigen“ Menschen „den Schritt zu Mündigkeit“ außer für beschwerlich auch noch für gefährlich hielten. Kant vergleicht hier die unaufgeklärten Menschen drastisch mit „Hausvieh“, das dumm gemacht worden sei. Sie würden eingesperrt in einen „Gängelwagen“, dies war im 18. Jahrhundert ein Korbgestell auf Rädern, mit dem Kinder das Laufen lernten. Diesen „Eingesperrten“ würden von ihren Vormündern stets die Gefahren gezeigt, die ihnen drohten, wenn sie versuchten selbstständig zu handeln. So werde es für jeden einzelnen Menschen schwer, sich alleine aus der Unmündigkeit zu befreien – zum einen, weil er sie „liebgewonnen“ habe, weil sie bequem sei, und zum anderen, weil er inzwischen größtenteils wirklich unfähig sei, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn nie den Versuch dazu habe machen lassen und ihn davon abgeschreckt habe."

Die Hybris der Vormünder, die für sich in Anspruch nehmen, allein zu wissen,wird von diesen nicht erkannt. Wie auch, denn schließlich weiß die faustische Seele in ihrem Unendlichkeitswahn eben nun einmal selbst nicht, ob sie mehr Segen oder mehr Fluch erwirkt.
Das ist unser aller Dilemma und tosend werden wir untergehen.
Nicht wegen „der strafenden Götter“, sondern wegen der Wirkungen der Schöpfungsgesetzlichkeiten.

Was danach kommt, baut wieder auf und hoffentlich wegen des Lernerfolges näher dran und mit gezügelter Macht.

Liebe Grüße, Rauhnacht


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