Weltanschauliches (Schauungen & Prophezeiungen)

ab-origine, Montag, 09.06.2008, 12:10 (vor 5772 Tagen) @ Taurec (5875 Aufrufe)

Hallo, Ab-origine!

"Warum wollen wir das alles überhaupt wissen?"

Dahinter stehen meiner Ansicht nach mehrere "Tatsachen":
Zum einen die seelische Beschaffenheit des europäischen Menschen. Seinem
Weltgefühl nach begreift er sich als ein ausdehnungsloser Punkt in einem
unendlichen Raum. Aus der Urangst heraus, alleine in einem unendlichen
Universum zugrunde zu gehen, versucht er sich diesen Raum durch Ausdehnung
Untertan zu machen. Dieses Prinzip setzt sich in allen Lebensäußerungen
unseres Kulturkreises durch. Das zeigt sich beispielsweise in der
himmelwärts strebenden Bauweise europäischer Kirchen, den amerikanischen
auf rein materieller Ebene ebenfalls himmelwärts strebenden Wolkenkratzern
oder der Mathematik, die bei uns eine Funktionstheorie enthält, bei der von
einem Punkt aus ein Vektor in die Unendlichkeit eines dreidimensionalen
Koordinatensystems ausgeht.
So ist es zu erklären, daß sich die seit 1200 Jahren bestehende
abendländische (germanisch-keltische) Kultur über alle Erdteile
ausgebreitet hat, nämlich durch Kolonisation und durch Exportierung von
Technologie und Denksystemen in andere Kulturkreise, die sich diese
zwangsläufig aneignen mußten, um gegen uns bestehen zu können, obwohl es
gar nicht in ihrer Seele liegt, solches selbst zu entwickeln.
Hochtechnologie ist eine rein abendländische Erfindung und Folge unserer
Art von Wissenschaft, die natürlich diesseitig ausgelegt ist, weil es
gilt, die Erde, unseren natürlichen Lebensraum zu beherrschen.

Die andere "Tatsache" ist der Übergang von der sich entwickelnden Kultur
zur ganz unlebendigen, erstarrten Zivilisation. Erstarrung heißt Tod, der
als Zustand allein der Materie eigen ist. Im weltanschaulichen Bereich
kann man den Beginn dieses Übergangs mit der Aufklärung gleichsetzen, die
sich gegen das jeder Kultur immanente Religiöse wendet und eine rein
vernunftzentrierte, materielle Denkweise vorzieht. Mit dem Niedergang der
Religion wird zwangsläufig die materielle, vor allem die wirtschaftliche
Seite des Lebens überbewertet. Die dem Diesseits zugetane Wissenschaft
gelangte zur vollkommenen Entfaltung. Eine ungeheuere Technikexplosion
setzte ein. Es begannen die Industrialisierung und der Imperialismus, die
Beherrschung der Erde durch Wirtschaft und Technologie.

Unsere Beschäftigung mit Seherschauungen entspricht natürlich dieser
Entwicklung. Mehr noch als spirituelle Erkenntnis wollen wir aus der
Forschung und Analyse der Prophezeiungen Zukunftswissen erlangen, das uns
als Handlungsgrundlage dienen kann und zwar aus demselben Geiste heraus,
sich die Welt zur Sicherstellung des Überlebens zu unterwerfen, indem man
sich die Dinge durch ihre Erforschung aneignet. Wir wollen wissen, was uns
blüht, und uns darauf vorbereiten.

Darüber hinaus bedeutet die Beschäftigung mit Übernatürlichem noch etwas
anderes, was Oswald Spengler als die zweite Religiosität bezeichnet hat.
Darunter versteht man die erstrebte Rückbesinnung des
Zivilisationsmenschen auf sein religiöses Erbe, nachdem alle geistigen
Konzepte, die mit dem Umsturz der Kultur entstanden, gescheitert sind:
etwa Demokratie, Kommunismus, Kapitalismus, das Vertrauen auf die Allmacht
des Geldes und der Glaube an die wahrheitsbringende Wissenschaft. Diese hat
ihr Schicksal selbst besiegelt, als im Rahmen des radikalen
Konstruktivismus festgestellt wurde, daß es keine objektiv erfaßbare
Wirklichkeit gibt und damit auch keine Wahrheit. Statt derer setzt man
Viabilität, die Gangbarkeit einer Problemlösung neben vielen anderen, was
aber weitab davon ist, ewige Gesetzmäßigkeiten des Lebens zu finden. An
dieser Stelle setzt die zweite Religiosität ein.

Spengler schreibt dazu im Untergang des Abendlandes:
"Die zweite Religiosität ist das notwendige Gegenstück zum Cäsarismus,
der endgültigen politischen Verfassung später Zivilisationen. Sie wird
demnach in der Antike etwa von Augustus an sichtbar, in China etwa mit
Schi Hoang-ti. ... Die zweite Religiosität enthält, nur anders erlebt und
ausgedrückt, wieder den Bestand der ersten ... Zuerst verliert sich der
Rationalismus, dann kommen die Gestalten der Frühzeit zum Vorschein,
zuletzt ist es die ganze Welt der primitiven Religion, die vor den großen
Formen des Frühglaubens zurückgewichen war und nun in einem volkstümlichen
Synkretismus, der auf dieser Stufe keiner Kultur fehlt, mächtig wieder
hervordringt. ... Damit sind die Möglichkeiten der Physik als des
kritischen Weltverstehens erschöpft, und der Hunger nach Metaphysik meldet
sich wieder."

Das ist vermutlich der Perspektivenwechsel, den Du suchst. In diesem
Absatz sind gleich zwei Entwicklungen enthalten, die auch in den
Prophezeiungen zentral sind:
1. Das Erscheinen des Imperators, des großen Monarchen, der nichts weiter
ist, als die abendländische Version des antiken Cäsars/Augustus.
2. Das Wiedererstarken der Religion, bzw. des Christentums nach den
Kataklysmen, die ich als die zweite Religiosität auffasse.

Wir beschäftigen uns hier ganz anders mit Schauungen, als es unsere
kulturell verwurzelten, religiösen und frommen Vorfahren und die Großzahl
der Seher getan haben. Nämlich zum einem aus unserer rationalistisch
Denkweise heraus, zum anderen mit dem Gefühl des nahenden Endes, dem
Knarren zusammenbrechender Weltbilder und dem daraus entstehenden
Bedürfnis nach spirituellem Halt.

Gruß
Taurec


Hallo Taurec!

Ganz herzlichen Dank für diese überaus umfassende Antwort & die Mühe, die Du Dir machst!
Das schließt schon Lücken in meinem Denken...( und meiner Bildung :-D ).

Ich weiß nicht warum,
aber ich habe eben dieses Empfinden,
daß wir mit einem kleinen Schritt zur Seite völlig neue Erkenntnisse erlangen könnten,
ich habe nur keine Ahnung wie ich es ( den Schritt ) gehen könnte,
aber es drängt in mir, irgendwie...
Möglicherweise muß ja vieles, scheinbar feststehendes erst einmal weg..?>>

Liebe Grüße,
ab-origine


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