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Auch gut: (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 01.03.2023, 22:30 (vor 415 Tagen) @ BBouvier (968 Aufrufe)

Hallo!

Als Beispiel der nachträglichen Mythifizierung, ca. 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung die seltsame Anekdote bei Bekh (angeblich über mehrere Ecken überliefert), die an Zufälligkeit kaum zu überbieten ist:

"Einer von den Soldaten (nach Frumentius Renner ein Unteroffizier) sagte zu dem Seher, wenn er jetzt nicht aufhöre, verprügele er ihn noch. Der Seher schaute ihn lange an, dann sagte er zu diesem Soldaten: ‚Weil Sie so gemein sind, will ich Ihnen etwas sagen. Ich hätte es Ihnen nicht gesagt. In vierzehn Tagen werden Sie eine Leiche sein, und die Raben werden Ihre Augen auskratzen!‘ Immer noch glaubten die Soldaten nicht, was dieser Mann ihnen voraussagte, bis sie nach vierzehn Tagen den Kameraden tot in einer Kiesgrube fanden, als Raben gerade dabei waren, ihm die Augen auszukratzen."

Just zwei Wochen später finden ihn die Kameraden nicht etwa "erst" tot oder bereits mit ausgepickten Augen, sondern ausgerechnet in der vom angeblichen Seher beschriebenen Szene, während ihm die Raben die Augen auspickten. Andernfalls wäre das Bild ja nicht wie gesehen eingetreten. :yes:

Das wirkt im Grunde "biblisch" konstruiert wie z. B. Daniels Deutung von "mene mene tekel" oder Jesu Wunder (etwa die Heilung des Blindgeborenen), wo Ereignisse nur deswegen stattfinden, um einen Punkt zu machen und die Fähigkeit des Hauptdarstellers der Geschichte (hier des seherischen Franzosen) zu untermauern.

Sehr fraglich und unglaubwürdig, daß dem Bekh von dieser Frau Anderls tatsächlich eine vermittels des Bauern "Ritters", der Rill persönlich gesprochen haben soll, eine authentische Anekdote über den Franzosen überliefert wurde.

Dagegen spricht auch die (fast) wörtliche Übereinstimmung, der "Franzose"
repetiert ja die Roccovorlage wie ein Schauspieler auswendig.

Nochmal deutlicher zur Beziehung Rocco-Rill:
Das Merkwürdige ist ja, daß in den Feldpostbriefen die Roccoaussage als indirektes Plagiat vorkommt, bei dem lediglich die Satzglieder umgestellt und ein paar Vokabeln ausgetauscht wurden, im Wesentlichen aber die selbe Aussagenstruktur vorhanden ist (siehe auch schon hier).
Selbst unter der Annahme, daß der Franzose Rocco gekannt und 1914 darauf rekurrierend gesprochen hätte, so hätte er spontan aus dem Gedächtnis (!) sich niemals derart dem Roccooriginal ähnelnd geäußert, sondern nur sinngemäß mit ganz anderer Wortwahl, die keine unmittelbare Verwandtschaft erahnen ließe.
Eine derartige Ähnlichkeit läßt aber vermuten, daß der Verfasser des Satzes in den Feldpostbriefen Rocco nicht nur entfernt gekannt oder mal gelesen hat, sondern den aufgeschlagenen Roccotext wenige Zentimeter oberhalb des uns bekannten Blattes liegen hatte, um daraus direkt abzuschreiben. Nachdem die Veröffentlichungen des Dr. Johannes von 1848/49, in denen Rocco erstmals vorkommen soll (die von uns aber nie gesehen und verifiziert wurden), schon damals recht seltene Drucke waren, kommt als Vorlage am ehesten der Rocco enthaltende Massendruck des Paters Ellerhorst von 1951 in Frage. Daraus folgt, daß der Zweite Feldpostbrief vermutlich auch nicht älter als 1951 sein kann. Ellerhorsts Buch datiert auf den 1. Januar 1951. Die Feldpostbriefe wurden erstmal Ende 1951 veröffentlicht, siehe Randomizer.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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