Überdehnte Imperien (Freie Themen)

Leseratte, Mittwoch, 21.09.2022, 18:43 (vor 576 Tagen) @ Bernhard_Berlin (2713 Aufrufe)

Hallo Bernhard,

ein kurzer Einwand. Die schreibst "Dass Menschen, die seit Jahrzehnten damit beschäftigt sind, sich mit bloßen Händen Löcher zum verstecken zu graben, weil sie Angst vor ihrem eigenen Schatten haben ... Und wahrscheinlich ist es auch nicht verwunderlich, dass sie so dünnhäutig sind, dass sie wegen ein paar, im globalen und historischen Vergleich doch lächerlichen Einschränkungen, wie etwa Preissteigerungen oder Lieferengpässen, ein Gekreische anstimmen, als sei wortwörtlich der Untergang des Abendlandes gekommen, obwohl sie nach wie vor in einem der wohlhabensten und sichersten Länder dieser Welt leben, was sie aber nicht davon abhält, dieses Land nach Kräften zu verleumden und zu hassen."

Schön wäre es, wenn es so wäre. Was wäre, wenn jetzt der tipping point wäre, nach dem die Dinge endgültig ins Rutschen kämen? Viele, ich auch, sind ja auf diese "Prophezeiungen" gestoßen, weil sie selber geträumt oder gesehen haben, dass unsere Welt zerbräche. Ob es jetzt so sein könnte, müssen Ökonomen und Militärfachleute beurteilen. Und selbst wenn ich die Wärme der Zentralheizung liebe – ich weiß sehr wohl warum – oder das immense Angebot an Dingen schätze oder gar die Ordnung und die Sicherheit unseres Staates gut finde, so habe ich auch das Gefühl seit meiner Kindheit, dass alles auf Sand gebaut sein könnte. Das ist etwas anderes, als jetzt wegen einem (?) möglicherweise kaltem Winter zu zittern und deswegen in apokalyptisches Gekreische auszubrechen.

Und selbst wenn man Russland als Gesellschaftsform verachtet, wofür es gute Gründe geben mag, so mag die westliche Melange aus Hybris und Dummheit uns in den Abgrund reißen. Man mag ja annehmen, dass alles in der Ukraine irgendwie zu gewinnen sei, aber wir wissen ja kaum, wie es wirklich am Boden aussieht. Alles, was wir im Forum haben, sind Berichte, die aus der Presse stammen, von Zeitungen und Sendern, die kaum noch Reporter vor Ort und vielleicht auch wenig Lust haben, ein drohendes Fiasko vorherzusehen. Erinnerst du dich an Afghanistan? Wie schnell Kabul letztes Jahr fiel? Wie wenig der plötzliche Zusammenbruch der vom Westen gestützten Regierung gesehen wurde?

Nein, das hat auf den ersten Blick wenig mit den Prophezeiungen zu tun. Die sehen nur, dass irgendwann hier alles zusammenbricht, bei uns, und anderswo auch. Ich bin ein älterer Mann, ich habe vieles im Leben geschenkt bekommen, wovon ich immer geträumt habe. Ich habe keine feuchten Träume, dass endlich hier diese liberale Welt zerbräche und wieder Zucht und Ordnung herrsche. Was ich sehe ist, dass der stolze Turm des Westens, der sich so hoch erheben will, einsturzgefährdet ist. Nicht heute, nicht morgen, aber wie sich die Dinge seit letztem Sommer entwickelt haben, ist kein gutes Omen.

Grüsse Leseratte


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