Schwarzwald (Freie Themen)

gecko, Mittwoch, 21.09.2022, 14:10 (vor 577 Tagen) @ attempto. (622 Aufrufe)

Hallo attempto,

1. Warum wird die Simulation im Schwarzwald durchgeführt, und nicht im Markgräflerland?

Schätzungsweise, weil im Schwarzwald Höfe leerstehen bzw. unprofitabel sind, im milden Markgräflerland dagegen nicht. Die Markgräfler haben keine Zeit für Jahrhundertwende-Dreharbeitenzirkus, die sind agrarindustrialisiert und seit 1960 mindestens an die Kanalisation angeschlossen. Auf dem kargen Wald ließ sich vielleicht noch der ein oder andere Hof finden, der noch (Wasser! Elektrik! Sanitäre Anlagen! Heizung!) weitgehend im Zustand vor der großen Renovierungs- und Ausbauwelle ab den 1960ern verharrte.

Die Schwarzwaldhänge waren schon immer eine harte Gegend, auch für alteingesessene bäuerliche Familien. Nicht wenige Höfe waren bis ins letzte Jahrhundert, im Winter von der Außenwelt abgeschnitten, und mußten daher die überwiegende Zeit autark leben.

Oh ja. Die Erzählungen meiner Großeltern und meiner Mutter sind da sehr einschlägig: im Winter Tunnel durch den Schnee graben (in den 1920ern oder 30ern); im Sommer wurde jede Hand für die Heuernte gebraucht (nichts mit nach der Schichtarbeit Feierabend - raus aufs Feld!); Speisekammer war immer abgeschlossen, damit keiner zwischendurch heimlich ißt (meine Urgroßeltern, bei denen das so war, gehörten zu den Wohlhabenden im Dorf! Bei anderen war es karger.); Zwiebeln, Kohl, Rotrahnen (Rote Bete), Gelbrüben (Karotten, Möhren), Sellerie, Pastinaken wurden im Garten am Haus angebaut und im Keller mit Lehmboden gelagert, z.T. in Sandkisten. Der Abort hatte Plumpsklo, dessen Inhalt den Misthaufen vergrößerte (welcher Mist und welche Gülle wann für was gut ist, war auch eine Wissenschaft für sich, denn manches ist "zu scharf" für die Pflanzen und muß lange ablagern). Tiere hatten sie Hühner, Kühe, 2 Ochsen (zum Pflugziehen geeignet), und sogar ein paar Pferde, denn sie hatten auch einen Fuhrbetrieb.
Meine Urgroßmutter hatte immer Rheuma von der Kälte, deswegen zogen sie in den 1920ern von der Höhe ins Tal, wo es etwas wärmer ist. Im Winter war meine Urgroßmutter die ganze Zeit beschäftigt, die Chuuscht ("Kunst"/"caustum", eine spezielle Art großer Kachelofen) anzufeuern, was reichlich Holz brauchte, das im Sommer im Wald gefällt, zerlegt und gespalten werden mußte. Obstbäume gab es auch, Äpfel wurden auf Hurden (Holzgestelle) gelegt und mit der Zeit runzlig, aber nicht schlecht. Kirschen wurden seit Jahrhunderten zu Schnaps destilliert (Fürstabt Gebert von St.Blasien gründete im 18. Jhdt die Brauerei Rothaus, um "das Schnapssaufen auf dem Wald" zu verringern).

Letzte Anmerkung:
Meine Schwiegermutter feierte dieses Jahr ihren 80. Geburtstag. Ihre monatliche Rente beträgt knapp über 200€. Das reicht ihr, um für schwere Arbeiten zu bezahlen, Fleisch-, und Milchprodukte, sowie Mehl, Öl, und Honig zu kaufen, und die Kosten für Strom, Wasser und Heizung zu tragen. Sogar Geldgeschenke für die Enkel sind noch drin, weil ihr selbstbewirtschafteter Garten genug Ertrag erbringt.

Offensichtlich kann sie das mit dem Gärtnern. Ähnlich wie meine vor 10 Jahren verstorbene Großtante (das war die, die nach der Schichtarbeit zur Ernte aufs Feld mußte), die sich auch bis auf die letzten 3 Jahre weitgehend aus dem eigenen Garten versorgte.

Warum soll eine Familie, die sich rechtzeitig und praktisch in die Thematik eingearbeitet hat, weniger erfolgreich sein, als eine alleinstehende, achtzigjährige Frau?

Vor allem braucht die 80jährige Frau Nachfolger, denn viele Jahre wird sies nicht mehr machen können.
Irgendwann fängt es an mit dem Umkippen, und dann ist bald Schluß. Deswegen, unbedingt jetzt oft hingehen, helfen, reden, sich nach und nach erklären lassen, wie was am besten wächst und wie man was lagert (aufschreiben!). Über Jahre, denn Garten hat Jahreszyklus, und man bekommt nicht alles in nur 1 Jahr mit.

Liebe Grüße, gecko


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