angekommen (Freie Themen)

detlef, Sonntag, 11.09.2022, 20:06 (vor 565 Tagen) @ Feuerpferd (514 Aufrufe)

moin,
.

... bewundere ich eure geduld...gemeint ist taurec und bb wegen irlm. und adlm.
die ruhe, die ihr in euren worten in den ewigen erklärungen ausstrahlt...kompliment!

jo. da bist du nicht die einzige.
.

detlef, wie viele jahre hast du gebraucht, um gefühlsmässig im ausland anzukommen? 13 jahre?

eine einfache frage. wert einer komplexen antwort.
aber vorneweg eine gegenfrage: wie kommst du auf die 13? die hat zwar beim mir/uns ein auffaelliges gewicht, aber wie kommst du ausgerechnet drauf nach der zu fragen?

im ausland anzukommen... - das ist ne vielschichtige und langwierige sache. ich denk, das ist grob ne vierteilige sache. einmal geteilt in wegkommen und ankommen, zum anderen in koerperlich/materiell und gefuehlsmaessig.
es faengt mit dem von der heimat wegkommen an. ich war nie so sonderlich gut an die deutsche gesellschaft angepasst. mit 16 hab ich das erste mal im ausland gearbeitet. in den folgenden zehn jahren war ich ungefaehr die haelfte der zeit im ausland. mal hier mal da. mit 26 entschloss ich mich, hier laenger zu bleiben. (wichtige gruende: deutsche steuern, paraguayische maedchen)
mit 27 war ich verheiratet. (bis heute mit der selben)
als ich 28 wurde, hatten wir uns zwei lehmhuetten und viel spottbilliges buschland gekauft. womit der lange prozess des "Ankommens" begann.

das wegkommen von deutschland war wohl so dreieihalb jahre spaeter, 1983, gefuehlsmaessig abgeschlossen.
wir waren ein halbes jahr in deutschland, meine mutter in ihren letzten monaten zu pflegen.
in der zeit vor internet usw. waren in fuenf jahren ohne kontakt fast alle alten freundschaften eingeschlafen. die freunde hatten sich in eine ganz andere richtung entwickelt, als ich. die stadt hatte sich veraendert, die regeln waren sozialer, aber auch unfreier, die steuern waren natuerlich auch gestiegen. es gab einfach weniger ellenbogenfreiheit als in der neuen "heimat". irgendwie war das band zur alten heimat gerissen.

tja, das ankommen.
wirtschaftlich ist das eigentlich einfach. arbeiten, solange die sonne scheint, bei den nachbarn abschauen, was funktioniert, und was nicht. versuchen, mehr zu lernen ueber das, was man tut. weniger ausgeben, als einnehmen. anstrengend, aber einfach.

gefuehlsmaessig - oh, ja, welche gefuehle? meine, oder die der anderen?
wenn die nachbarn einen zu festen einladen? - das kann auch bloss sein, damit sie einen exotischen tanzbaeren zur erbauung der gaeste wollen. da zaehlt es schon wesentlich mehr, wenn die klassenkameraden bei deinen kindern zum langen wochenendbesuch bleiben duerfen.
wenn du "ehrenaemter" angeboten bekommst, pinselt das schon den bauch. oder, wenn der eine oder andere dich wegen irgendwas um rat fragt.
als ich zum geschaeftsfuehrer unseres versicherungsvereins gewaehlt wurde, und spaeter beauftragt wurde, eine feuerwehr zu gruenden, fuehlte ich mich anerkannt/angekommen.

die gefuehle der anderen? das haengt von zeitlicher gewoehnung ab. im besten fall laeuft das so ab:
- ein fremder! was will der hier?
- der fremde will die tochter von X heiraten. wenn das mal gutgeht.
- der fremde von X der hier schon n paar jahre lebt.
- der X, iss zwar n fremder, aber man kann sich mit ihm einigermassen unterhalten.
- der X, iss zwar n bisschen anders, aber "faehigkeit" kann der.
- X? mein nachbar. jo, der kommt von X iss aber schon lange hier.
- X? weiss nich. der iss schon hier so lang ich denken kann.
zwischen der ersten und der letzten zeile liegen dann so dreissig bis fuenfzig jahre...

ich bin zu der ueberzeugung gekommen, dass man erst ganz richtig angekommen ist, wenn alle, die aelter sind, als man selbst, schon unter der erde liegen.
es gibt dann noch jede menge anderer faktoren, die das ankommen erleichtern oder erschweren.
da ist die frage der aehnlichkeit.
obwohl hier im land die hautfarben von tiefem kupferpfennigbraun (reine ureinwohner) ueber die verschiedensten brauntoene (mestizen) bis zu schneeweiss (criollos-reine spanier)gehen, sind die haare durchweg schwarz. dementsprechend werden blonde, blauaeugige als fremder empfunden, als dunkelhaarige, braunaeugige europaeer.
dann die sprache. wer leicht sprachen/dialekte lernt, wirkt weniger fremd. (aber, das war in niedersachsen nicht anders)

als ich von deutschland wegging, gabs schon italiener, spanier und jugoslawen als fremdarbeiter. auch die ersten, auffaelligeren tuerken waren schon da.

hier hab ich immer versucht, sachen, die mich in deutschland an den tuerken gestoert hatten, selber nicht zu tun.
also, nicht mein Deutschtum als fahne vor mir her zu wedeln, nicht staendig deutsche fahnen aufzuhaengen, nicht ueber politik zu reden, oder gar in eine partei einzutreten usw.

denn, hier bin ich der "tuerke".
.

ich bin 2008 alleine von wien auf's land gezogen, ...

2008 bis 2022 = knapp 13. nimmt sich daher die 13?
.

am 31.5.2002 hatte ich einen motorradunfall, der glimpflich ausging... ich verlor danach meine naivität und sah danach die Welt um mich in schwarz/weiss/grau und fing an, mehr zu hinterfragen.

jo, wenn gevatter Hein einen mal von nahe angrinst, ist das schon ein grund zum nachdenken ueber vieles.
.

... (wenn es die jetzige zivilisation nicht gäbe, würde ich als ausgestossene im wald wohnen)...

lebst du allein? lebst du mit tieren um dich?
.

gruss,d

ps: du hattest doch wohl von mir keine kurze antwort erwartet?


Gesamter Strang: