Apokalyptik (Schauungen & Prophezeiungen)

Leseratte, Samstag, 04.06.2022, 11:19 (vor 664 Tagen) @ Taurec (634 Aufrufe)

Hallo,

zur Antwort ein paar Grundgedanken.

Die beiden apokalyptischen Bücher, Daniel und die Offenbarung, sind spirituelle Leitlinien für diejenigen, die wie die orthodoxe jüdische Gemeinde in Jerusalem unter den Griechen oder die Christen unter den Römern mit einer gadenlosen, fast globalen Macht konfrontiert sind, die unendliche Territorien und Völker kontrollierte und einen absoluten, göttlichen Anspruch erhob. Eine reale Zukunftsschau außer in einigen Bildern in der Offenbarung wollen sie nicht geben. Vielem was in die Offenbarung an scheinbar realen Aussagen eingewoben ist, sieht man nur zu deutlich die zeitbezogene Aussage (etwa die 200 Millionen, die aus Mesopotamien in Rom eindringen, eine kaum verhohlene Anspielung auf die Parther) oder das literarische Plagiat (der Untergang der Hure Babylon ist etwa ein Zitat aus Hesekiel) an. Der Sieg, den die Offenbarung verkündet, ist ein erstmal ein spiritueller. Ob man diese Texte als spirituelle Leitlinie nimmt, ist Privatsache.

Zweitens, die historische und aktuelle Erwartung der „letzten“ Schlacht, des Weltgerichtes. Dumm ist, dass diese spirituelle Texte auf einer anderen, direkt deutenden Ebene gelesen schlichtweg grotesk gefährlich sind. Da gibt es Muhammed Atta, die Wiedertäufer, die Frommen zur Zeit Jesu, oder jetzt, brandaktuell Herrn Dugin. Weswegen man diese Texte nicht als dummes Getue abtun darf, sie sind, falsch verstanden, eines der gefährlichsten ideologischen Mittel (etwa auch die Auslegung des Dschihad im Islam).

Absolut falsch ist, diese Texte seien Ausfluss eines magischen, zeitlich beschränkten Weltbildes. Griechen und Römern war selbstverständlich die Präzession bekannt, die mit Zeiträumen von 25000 Jahren agiert. Ebenso datiert Platon den Untergang von Atlantis auf 9600 v.Chr., mit langen Zeiträumen hatten die Gebildeten damals kein Problem. Die gebildete jüdische und später auch griechische Schicht, die ja das neue Testament redigierte und schrieb, war selbstverständlich mit griechischer Philosophie und Astronomie vertraut. Ebenso in Grundzügen mit indischer Philosophie, man stand ja in Kontakt.

Das mittelalterliche, magische Weltbild bildete sich in der wirtschaftlichen, politischen Krise und Katastrophe des römischen Staates erst heraus. Dazu muss man die hyperrealistischen Portraits der ersten römischen Kaiser mit denen von Konstantin oder den Tertrarchen vergleichen. Das erfordert natürlich einen genaueren Blick. Die angeblichen Tausend Jahre des höhlenartigen Denkens beruhen auf dem tausendjährigen Reich der Offenbarung, das die Welt nach tausend Jahren christlicher Herrschaft untergehen sah.

Grüsse Leseratte


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