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Krieg ist nicht gleich Krieg (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 14.04.2022, 20:07 (vor 714 Tagen) @ IFan (1027 Aufrufe)

Hallo!

"Wenn wir davon ausgehen, dass Krieg uns formt, fordert, und somit nützt, müsste eine Weiterentwicklung, ein Fortschritt der Menschheit durch diese Kriege erkennbar sein. Dem ist aber offensichtlich nicht so. Wir degenerieren. Und wir verlieren täglich ein weiteres Stück unserer Menschlichkeit. Der Mensch sollte besser sein als das 'Recht des Stärkeren', sonst wird er sich nie weiterentwickeln."

genau.

Dem Sinn dieser Sätze kann ich uneingeschränkt folgen.

Das sehe ich eigentlich nicht so.

Der Krieg hat sich spätestens mit den Materialschlachten des Ersten Weltkrieges verändert. Er wurde maschinell, mechanisch, wie für die Zivilisation typisch ist. Der Mensch ist darin nur mehr Verschleißmaterial, ein Rädchen in einer Maschine, die einmal in Gang gesetzt alle Ressourcen und Lebensbereiche vereinnahmend ("totaler Krieg", "totale Mobilmachung") in Eskalation und Verlauf sich zunehmend dem menschlichen Einfluß entzieht. Der Mensch führt den Krieg nicht mehr, er wird geführt (von den anonymen Gewalten, die der Mensch mit der Technik heraufbeschworen hat). Dieser totale Vernutzungs- und Vernichtungskrieg ist in der Regel aber die einzige Art des Krieges, die wir moderne, kriegsunerfahrene Zivilisten, die nach der großen Cäsur des Untergangs der abendländischen Kultur leben, rein abstrakt noch kennen.

Die Kriege der Kulturepoche waren kleiner. Sie betrafen weniger Menschen, bezogen kleinere Räume ein, waren kürzer und der einzelne Kämpfer, der Teil eines Feldzuges war, hatte eine höhere Überlebenschance, als es in allen Kriegen des technologischen Zeitalters der Fall ist. Buchtip hierzu: John Keegan – Das Antlitz des Krieg. Darin wird die Entwicklung des Krieges anhand epochentypischer Schlachten vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg nachvollzogen.
Niemand ist sich heute dessen eingedenk, daß in früheren Kriegszeiten nahezu überall in den betroffenen Landen so gut wie gar nichts geschah und die involvierten Kämpfer weitgehend unversehrt, aber eine Erfahrung reicher nach Hause zurückkehrten. Ausnahmen wie der Dreißigjährige Krieg (eigentlich eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Einzelkriegen) mit Ereignissen wie der unsäglichen Zerstörung Magdeburgs 1631 brannten sich ins Gedächtnis der Völker ein und führten zur Einhegung des Krieges, der fortang strengen Regeln und Sitten folgend eine Veredelung erfuhr, die in unserer Epoche, da Zivilisten systematisch in Kriegshandlungen einbezogen werden, weitgehend wieder rückgängig gemacht wurde. Man verwechsle also nicht den Krieg unserer Tage, den wir nur aus den Nachrichten und Hollywood kennen, mit der Wirklichkeit längst vergangener Jahrhunderte.

Es müßte auch noch vom Unterschied zwischen Soldat und Krieger geredet werden, wobei ersterer vom ihm fremden Mächten für deren Interessen gegen Bezahlung ins Feld geführt wird. Er nimmt keinen Anteil am Zweck des Krieges und kämpft für sein kleines Auskommen. Der Krieger hingegen folgt einem persönlichen Ideal, dem "Weg des Kriegers" oder dem "heiligen Krieg", was im Abendland am reinsten wohl im Rittertum verwirklicht war (in Japan z. B. bei den Samurai durch Bushido). Solcherart Krieger sind darauf aus, sich selbst zu transzendieren und dadurch erst zu vollständigen Menschen zu werden. Es geht darum, die Niederungen der menschlichen Natur, die mit dem Geworfensein in diese materielle Welt in einer fleischlichen Hülle einhergehen (und die sich z. B. in den sieben Todsünden widerspiegeln, die auf Rettung des flüchtigen Körpers statt der unsterblichen Seele zielen), zu überwinden, d. h. das Leben in den Dienst von etwas zu stellen, das über dem Einzelnen und über dem irdischen Dasein steht. Der äußere Kampf ist unter diesem Gesichtspunkt lediglich ein Spiegel oder Äußerungsform des inneren Kampfes, den der Krieger mit sich selbst führt. Dies zu leben ist in den modernen Kriegen für die Teilnehmer wohl weitestgehend ausgeschlossen, woraus sich die oben zitierte Falschauffassung ergibt, daß Krieg an sich sinnlos wäre.
Eine grundlegend falsche Annahme ist der "Fortschritt der Menschheit durch Kriege" oder daß es überhaupt einen Fortschritt der Menschheit gäbe. Es gibt keinen Fortschritt der Menschheit, weil die Geschichte in Zyklen verläuft. Es gibt auch keine Menschheit (allenfalls als zoologischer Begriff), sondern Menschheiten. Jedes Volk bzw. jede Völkergruppe mit ihrer Kultur ist eine eigene Menscheit, die nach Vollendung ihres Lebenslaufes wieder vergeht und anderen Teilen der menschlichen Spezies für ihren Reifungsprozeß weicht. Sie alle nehmen dabei die selben Grundkonstanten wahr und nähern sich diesen individuell an (daher z. B. die Ähnlichkeit der europäischen ritterlichen Tugenden mit jenen des Bushido). Insofern über die vielen Lebensläufe der Völker und Kulturen ein Fortschritt der menschlichen Spezies stattfindet, ist dieser die Reifung der einzelnen Seelen über unzählige Lebensläufe hinweg, nicht aber der "Menschheit". Dieser schreitet offenbar so langsam foran, daß er unseren historischen Horizont im Grunde weit übersteigt. Kriege werden dabei aber immer eine entscheidende Rolle spielen, weil sie letztlich der Krieg des Menschen gegen sich selbst, also seine eigenen Dämonen sind, die ihm so lange entgegentreten, bis er die Lektion gelernt hat.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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