Rätselhafte Verse (Freie Themen)

aber @, Mittwoch, 05.01.2022, 08:49 (vor 835 Tagen) @ Taurec (851 Aufrufe)
bearbeitet von Forumsleitung, Donnerstag, 06.01.2022, 09:00

Hallo Taurec,

Ich habe mir mal schnell eine Übersetzung der Historien Herodots herausgesucht, nämlich von Friedrich Lange aus dem Jahre 1885.

Die betreffende Passage befindet sich auf Seite 1206 der PDF.

Leider konnte ich die Seite 1206 in dieser pdf nicht finden - sie beinhaltet überhaupt nur 781 Seiten und besteht aus zwei Buchteilen, die jeweils nur bis ca. Seite 400 bzw. 380 numeriert sind.

„Bis hierher in meiner Geschichte haben mir die Ägypter und ihre Priester erzählt und bewiesen, daß von dem ersten König an bis auf diesen letzten König, den Priester des Hephästos, wären dreihunderteinundvierzig Menschenalter gewesen, und in diesen wären ebenso viele Könige und ebenso viele hohe Priester gewesen. Nun sind dreihundert Menschenalter so viel als zehntausend Jahre, denn drei Menschenalter sind hundert Jahr, und die übrigen einundvierzig Menschenalter, die noch über die dreihundert waren, sind tausenddreihundertundvierzig Jahr. Also in elftausenddreihundertundvierzig Jahren, sagten sie, wäre kein Gott in Menschengestalt gewesen; ja auch bei allen übrigen Königen in Ägypten wußten sie von dergleichen nicht. Und in dieser Zeit, sagten sie, wäre die Sonne viermal nicht an ihrer gewöhnlichen Stelle aufgegangen, und wo sie jetzt untergeht, da wäre sie zweimal aufgegangen, und wo sie jetzt aufgeht, da wäre sie zweimal untergegangen. Und das hätte in Ägypten gar keine Veränderung hervorgebracht, weder in den Früchten des Landes, noch in des Flusses Überschwemmung, noch in den Krankheiten, noch in den Todesfällen.“

Auch bei Herodot bestehen absonderliche, aber wesentliche Zahlenwidersprüchlichkeiten:
Herodot rechnet vor, dass dreihundert Menschenalter 10.000 Jahren, und somit drei Menschenalter 100 Jahren entsprechen sollen.

Jedoch, nach folgendem Dreisatz
=> 3 Menschenalter entsprechen 100 Jahren
=> 30 Menschenalter entsprechen 1000 Jahren
=> 39 Menschenalter entsprechen 1300 Jahren
entsprechen dann 41 Menschenalter also 1366,6 Jahren, und nicht wie von Herodot angegeben 1340 Jahren.

Wenn Herodot (oder seine zweifelhafte ägyptische Quelle) 300 Menschenalter mit 10.000 Jahren gleichsetzt, müsste er - korrekt gerechnet - bei den besagten 341 Menschenaltern auf 11.366,6, gerundet 11.367 Jahre kommen, und nicht auf 11.340 Jahre.

Warum rechnet Herodot hier solchen Nonsens vor? War er tatsächlich zu blöd, 341 mal 33,3 richtig auszurechnen? Oder die Ägypter? Weder noch. Ich denke, es handelt sich hier um ein verschlüsseltes Zahlenrätsel, denn im Gegensatz zu der richtig berechneten 11.367, die in der Primfaktorzerlegung lediglich aus den Zahlen 3*3*3*421 besteht, lässt sich die (wohl vorsätzlich) falsch berechnete 11.340 in 2*2*3*3*3*3*5*7 zerlegen. Und damit kann man zahlenspielerisch allerhand anfangen, beispielsweise magische Quadrate basteln.

Die Stelle halte ich für ungünstig übersetzt, bzw. schon im Original mißverständlich formuliert, da sie augenscheinlich widersprüchlich ist: Die Sonne soll viermal nicht an ihrer gewöhnlichen Stelle aufgegangen sein, davon allerdings zweimal im Westen und zweimal an ihrer doch gewöhnlichen Stelle im Osten? So muß man ja auf den Holzweg geraten.

Der Holzweg besteht m.E. darin, dass kaum berücksichtigt wird, dass in den alten Hochkulturen eine ganz andere Sprache gesprochen wurde - im übertragenen Sinne. Zahlenmystik war essentieller Bestandteil des antiken Gelehrtentums, in einem Ausmaß, dessen man sich heute kaum bewusst ist. Wenn man die obigen Verse Herodots figurativ übersetzt, so wie Goethes Hexeneinmaleins, dann erhält man ein magisches Quadrat der Ordnung 8 mit der magischen Summe 11.340:
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„Bis hierher in meiner Geschichte haben mir die Ägypter und ihre Priester erzählt und bewiesen, daß von dem ersten König an bis auf diesen letzten König, den Priester des Hephästos, wären dreihunderteinundvierzig Menschenalter gewesen,

Die Quersumme von 341 ist 8 => Magisches Quadrat 8. Ordnung.
Sodann ist Hephaestos die griechische Interpretation des ägyptischen Schöpfergottes Ptah, dem 8 weitere Gottheiten unterstanden. Dem Urzustand vor Schöpfung, dem Schöpfungsmaterial sozusagen, wurde die Zahl 8 zugeordnet, der Schöpfung selbst die Zahl 9 (vergleiche Achtheit und Neunheit von Hermopolis). Zählt man das große Hauptquadrat als eine Einheit und die 8 Elemente einer Quadratseite als untergeordnete Einheiten, kommt als Werk die Neunheit zustande, gearbeitet wird hier aber mit der 8.

und in diesen wären ebenso viele Könige und ebenso viele hohe Priester gewesen.

Die Könige sind die Spalten des Quadrats, die Priester sind die Zeilen. Ein magisches Quadrat 8. Ordnung hat 8 Zeilen und ebenso viele Spalten.

Nun sind dreihundert Menschenalter so viel als zehntausend Jahre, denn drei Menschenalter sind hundert Jahr,

Herodots Umrechnung von Menschenaltern in Jahren. Ein Menschenalter wird also mit 33,3 Jahren angesetzt.

und die übrigen einundvierzig Menschenalter, die noch über die dreihundert waren, sind tausenddreihundertundvierzig Jahr.

Herodot kann oder will nicht richtig rechnen. 41 mal 33,3 ergibt 1366,6. Nichtsdestotrotz rechnet Herodot aus Gründen mit der 1340, siehe oben beschrieben.

Also in elftausenddreihundertundvierzig Jahren,

Er rechnet mit der falschen Zahl 1340 weiter und kommt damit auf die ebenfalls falsche Summe 11.340. Diese setzt er als die magische Summe des Quadrats voraus, weil sich damit einige sehr angenehme Quadrate mit positiven ganzen Zahlen erzeugen lassen, unter anderem mit den Seitenlängen 3, 5, 7, 8, 9, 15, 21, 24 und 27. (Leicht nachzuprüfen mit beispielsweise diesem Magische-Quadrate-Generator: https://www.dcode.fr/magic-square .)

sagten sie, wäre kein Gott in Menschengestalt gewesen; ja auch bei allen übrigen Königen in Ägypten wußten sie von dergleichen nicht.

Mit dem Gott in Menschengestalt hat es eine besondere Bewandtnis: Die Zahl 1.000.000 wurde in Ägypten dargestellt durch die Hieroglyphe des Gottes Heh, dem Gott der Unendlichkeit in menschlicher Gestalt. Die darunterliegende Zehnerpotenz, also die Zahl 100.000 hatte als Hieroglyphe eine Kaulquappe. Addiert man in üblicher Weise alle magischen Summen unseres magischen Quadrates, also alle Zeilen, alle Spalten und die beiden Diagonalen, erhält man 204.120, also eine Zahl in den Hunderttausenden, aber nicht in Millionenhöhe => kein Gott in Menschengestalt.

Und in dieser Zeit, sagten sie, wäre die Sonne viermal nicht an ihrer gewöhnlichen Stelle aufgegangen, und wo sie jetzt untergeht, da wäre sie zweimal aufgegangen, und wo sie jetzt aufgeht, da wäre sie zweimal untergegangen.

Das hier behandelte magische Quadrat hat eine Besonderheit: Nicht nur jede Zeile, jede Spalte und jede Diagonale ergibt jeweils die magische Summe 11.340, sondern auch die vier Elemente des innersten Quadrates zusammen mit den vier äußeren Ecken. Dieser Sachverhalt wird chiffriert beschrieben in eben jenem Satz mit den absonderlichen Sonnenbewegungen:
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Und das hätte in Ägypten gar keine Veränderung hervorgebracht,

keine Veränderung bedeutet => die Summe bleibt gleich der magischen Summe 11.340.

Eine weitere Besonderheit, die dieses Quadrat sehr speziell macht, ist der folgende Vers:

weder in den Früchten des Landes,
noch in des Flusses Überschwemmung,
noch in den Krankheiten,
noch in den Todesfällen.“

Denn dies sind verschlüsselte, bildhafte Umschreibungen der vier Himmelsrichtungen
Osten,
Süden,
Westen,
Norden
(in genau dieser Reihenfolge).

Und zwar bedeutet dies, dass die Summe hier ebenfalls konstant 11.340 ist, nämlich jeweils in den vier Armen des Kreuzes, das sich aus den beiden mittleren Spalten und den beiden mittleren Zeilen bildet (je 8 Elemente):
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Und das war's auch schon.

Der Ursprung magischer Quadrate ist unbekannt, jedoch wird angenommen, dass sie viele Jahrhunderte vor der Zeitenwende in China, Indien, Persien, Arabien und Ägypten verbreitet waren und über die ägyptisch-hellenistische Korrespondenz schließlich nach Europa gelangten. Über Goethe ist bekannt, dass er sich mit den Schriften Athanasius Kirchers beschäftigte, insbesondere auch mit dessen Arithmologia aus dem Jahre 1665, welche ausführlich auf Zahlenmystik und magische Quadrate eingeht und so Goethes Hexeneinmaleins inspiriert haben mag. Athanasius Kircher wiederum beschäftigte sich bereits 150 Jahre vor Champollion mit der Entzifferung ägyptischer Hieroglyphen. Eine Querverbindung zwischen Ägypten und magischen Quadraten ist somit nicht nachgewiesen, aber überlegenswert.

LG,
und

Als Anhang möchte ich für Interessierte, weil es kürzlich im Chat Thema war, noch die Planetensiegel nach Cornelius Agrippa von Nettesheim erwähnen und einfach mal pittoresk hier abbilden (zur Vergrößerung anklicken):

Sonne - magische Summe 111:
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Mond - magische Summe 369:
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Merkur - magische Summe 260:
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Venus - magische Summe 175:
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Mars - magische Summe 65:
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Jupiter - magische Summe 34:
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Saturn - magische Summe 15:
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Gesamter Strang: