Das Tote Pferd (Freie Themen)

Leseratte, Montag, 22.11.2021, 14:43 (vor 880 Tagen) @ Taurec (1025 Aufrufe)
bearbeitet von Leseratte, Montag, 22.11.2021, 15:00

Hallo Taurec,

ich fürchte, da ist etwas sachlich nicht ganz richtig: "Man sollte sich aber überlegen, ob man mit einem solchen Gepäck wirklich auf das tote Pferd der semitischen Offenbarungsreligionen satteln will."

Die ganze Apokalyptik, die angeblich aus dem semitischen Raum stammen soll, stammt nicht aus dem semitischen Raum sondern war vermutlich ein Spezialimport aus dem indogermanischen Raum:

Sprachlich etwa tut sich das Althebräisch schwer mit Zeiten in unserem Sinne, Imperfekt kann etwa auch Futur bedeuten (wikipedia), was auf nicht unbedingt auf ein lineares Bild der Zeit hindeutet sondern im Mentalen auf eine kreisförmige Struktur der Wiederkehr des Gleichen. Erst nach der Eroberung Babylon durch die Parther, 539 v. Chr, treten überhaupt erst im Alten Testament bei Ezechiel und später bei Daniel apokalyptische Bilder auf. Daniel ist zur Hälfte in Koiné geschrieben, also entstanden als längst die Perser durch die Griechen verdrängt worden waren. Die Apokalyptik des Alten Testamentes ist auffallenderweise eine Parallele zu der älteren Lehre von Ahura Mazda der Perser. Dementsprechend tauchen erst nach 500 v. Chr. überhaupt erst Bruchstücke linearen und teleologischen Denkens in den Alttestamentarischen Schriften auf. Die Topoi der Offenbarung des Johannes und des Buches Daniel sind nur in der Auseinandersetzung mit den jeweiligen Reichen der Seleukiden und Römer zu verstehen. Die Vorstellung der Wiederkehr Jesu hat übrigens eine Parallele zu dem Maitreya Buddha, der an dem Tiefpunkt der menschlichen Entwicklung (erneut?) auftauchen soll.

Die Germanen hatten eine ähnliche apokalyptische Vorstellung, hier ist es Ragnarök. Wenn man genau hinschaut, tauchen ähnliche Strukturen auf. Die Welt der Götter und damit auch der Menschen ist schwer lädiert, Baldur (Baldr, Balder), der Lichtgott ermordet, Ragnaröck, die Heimstadt der Götter, eine Festung, die dem Untergang geweiht ist. Nach dem Fimbulwinter (in der Forumsammlung sind Schauungen, die zu ihm passen könnten) beginnt der Untergang, an dessen Ende Baldur wieder auferstehen wird. Offen in der wissenschaftlichen Diskussion ist, ob die germanische Mythologie des frühen Mittelalters bereits vom Christentum beeinflußt ist, oder ob es eine gemeinsame indogermanische Überlieferung gibt, die sich dann nur regional verschieden aufgefächert hat.

Mann kann die Strukturen des Geistigen, die sich über Kontinente und Jahrhunderte entwickelt, getrennt und wieder vermischt haben, nicht mehr sauber trennen.

Viele Grüße Leseratte


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