Hallo!
Ich bewundere die Akribie und Ausdauer mit der Du Dir trockene Sachverhalte logisch erschließt. Das ist eine bedeutsame Stärke über die ich in diesem Ausmaß nicht annähernd verfüge.
In diesem Fall weiß ich nicht, welchen Sachverhalt Du als trocken betrachtest. Das eigene Leben zu verteidigen scheint mir nämlich kein trockenes Thema zu sein. Wenn man von da aus dann dahin kommt, sich mit anderen Kulturen, mit Naturwissenschaften, Medizin, Militärgeschichte und Legenden über Mysteriöses und Paranormales zu beschäftigen, dann sehe ich darin erst recht keinen trockenen Sachverhalt.
Eine Wirtshausschlägerei wirkt dahingehend „erdend“, daß man sich dabei selbst auf dem Boden liegend wiederfinden könnte. Es diente mir als, zugegebenermaßen nicht besonders kunstvolle Metapher für direkte und ungeschönte Preisgabe von Meinungen – krachledern sozusagen.
Daß ich gewisse Facetten des Boxsports reizvoll finde macht mich noch nicht zu einem übermäßig gewaltaffinen Menschen.
Ein wesentlicher Reiz besteht für mich eben darin, daß es ein Sport mit definierten Regeln ist, der trotz der diskutablen Härte einen klaren Rahmen einhält, der die Athleten im Regelfall vor schlimmen Folgen bewahrt.
So sollte es sein. Aber so ist es nicht immer. Sonst hättest Du keine Beispiele dafür aufzählen können, daß es in der Realität anders ist.
Dein Erlebnis der frühen Gymnasialzeit, welches Du mit allerlei Unsicherheit im Gepäck, als einen wahren Spießrutenlauf erlebt hast, kann ich aus eigener Erfahrung bis in viele Details nachfühlen.
Trotz der Tatsache, daß Deine Taktik einmal auf brutale Weise mißlungen ist, hattest Du aber bereits großes Geschick und Raffinesse bewiesen.
Ich befürchte da hast Du etwas mißverstanden. Ich wurde oft zu Boden geschlagen. Ich schilderte nur wie ich das zum ersten, aber nicht zum einzigen, Mal gleich selbst anstelle der Fieslinge übernommen hatte.
Auch die Schlußfolgerung, durch lernen des Kämpfens, Dich für die Zukunft zu wappnen, halte ich für überaus nachvollziehbar und richtig.
Ich halte es auch für den ehrbareren und kriegerischeren Weg, als sich Schutz im Umfeld einer Gruppe durch Anbiederung an diese zu verschaffen.
Später weiß man, daß solche Konflikte kaum eine physische Eskalationsstufe erreichen, die der Pein des eigentlichen Erlebens entspricht, vergißt teils gar daß Gefühl der Unterlegenheit, wenn es im Leben gut für einen läuft.
Trotzdem bist Du einen anderen Weg gegangen.
Die Sorge dieserart Nachstellungen hat bei mir einerseits der gemeinsame Eintritt in eine neue Reifephase wie auch die eigene körperliche Entwicklung beendet.
Ich dagegen war immer ein Schlaffi und ein Tolpatsch. Wären alle Menschen gleich stark, dann wären Waffen und Kampfkünste nie entwickelt worden. Diese sind für Menschen mit Defiziten da und deshalb mußte ich diesen Weg gehen. Auch wenn einem das erst sehr viel später klar wird. Manchem vielleicht nie.
Diese Mobbing- und Jagdszenen fußen doch immer auf einer Mischung aus hormonell bewirktem Übermut im Verbund in der unterbewußten Absicht des wahren Schwächlings, durch Akte der Tyrannei sich seiner bereits manifestierten Verwahrlosung und Tumbheit in einer vorgegaukelten Heldentat zu entledigen.
Für mich ist diese Art, eigene Stärke zu demonstrieren genau so heroisch, wie Gruppenvergewaltigungen erotische Verführung sind.
Zwölf-, bzw. Dreizehnjährigen ist selten so viel Selbstreflektion zu eigen, daß sie solche Erfahrungen, ob als Opfer oder als Täter sinnvoll bewerten könnten.
Vieles in den Kampfkünsten, vielleicht auch in der Kultur allgemein, ist für Erwachsene so einfach, daß man sich fragt, wofür man das überhaupt braucht. Aber man muß diese Reife nunmal erst erlangen.
Ich war einmal so weit, daß ich den Rädelsführer meines Mobbingrudels, aus einem machtvollen Impuls heraus, vermöbeln wollte.
Der präadulte vermeintliche Streitschlichter, Klassenbester aller Klassen, und später super junger Professor, traf mich mit seiner ausholenden „Friedensbewegung“ allerdings so hart am Solar Plexus, daß ich spontan Abstand von meinem Vorhaben nahm.
Man nimmt eine Reihe solcher Erfahrungen mit durch die Pubertät. Die einen solche, die Strolche andere solche.
So hat man dann stets ein Zerrbild der eigenen Wirksamkeit, bis man es eben erprobt.
Dazu gäbe es eigentlich viel zu sagen. Aber von Deiner Beschreibung bekomme ich nur eine unklare Vorstellung des Vorfalls, daher erspare ich uns eine Abhandlung darüber.
Ein positives Erlebnis hatte ich beispielsweise um meinen 16. Geburtstag herum, als ich schon manchmal ein schlimmer Junge war.
Wir sollten im Schulsport Klimmzüge machen. Ich fürchtete eine Blamage, die mich wiederum auf Jahre verfolgen würde. Jeder andere der da hilflos zappelte und bestenfalls eine Handvoll sauberer Klimmzüge schaffte, vergrößerte meine Sorge über die folgende Pein, schienen doch alle irgendwie athletischer, als ich mich selbst wahrnahm.
Es war mir ein warmes Bad der Erleichterung, wenn manche gar an der zweiten sauberen Wiederholung zappelten, als würde man sie mit Elektroschocks quälen.
Als das Alphabet sich dem Ende näherte, kam ich nicht umhin: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16.
Etwas beschwingt von meinem unerwarteten Erfolg, sah ich das Erstaunen im Gesicht des Lehrers und nahm übermütig die Herausforderung an, daß jene, die meinen sich noch verbessern zu können, abschließend noch die Gelegenheit dazu bekamen. Es waren dann 17 saubere Wiederholungen.
Kein Wunder, daß Du Dich für stark hieltest. Schlaffis wie ich fragen sich bei solchem Anblick dann, ob man nicht vielleicht mal zu einem chemischem Cocktail greifen sollte, wie dem, der aus DDR-Sportlerinnen trans-Männer gemacht hat. Wenn man aber zugleich schon durch vorherige Prägungen ängstlich und mißtrauisch ist, dann beschäftigt man sich erstmal damit, wie das dann physiologisch funktioniert.
Auch beim Laufen dachte ich teilweise an üble Scherze weit überlegener Athleten, bis ich sie gar überrundet hatte.
Eine Situation, in der ich mich wirklich körperlich behaupten mußte, hatte ich glücklicherweise nur einmal. Davon habe ich verschiedentlich berichtet, da es für mich sehr prägend war.
Trotz der Tatsache, daß ich körperliche Schäden davongetragen habe, von denen ich mich weitestgehend erholen konnte, wußte ich nun, daß ich mit einer ansatzlosen Linken jemand niederschlagen kann, und notfalls eingesprungene Volltreffer nehmen kann, ohne zu Boden zu gehen.
Das verdient eigentlich schon wieder eine längere Abhandlung...
Leider waren diese beiden Faustschläge, der ausgeteilte und der kassierte, die einzigen dieses völlig kranken Duells, sonst wäre es vermutlich zu glücklich für mich ausgegangen, und ich hätte mich beinahe für unbesiegbar gehalten.
So durfte ich dann feststellen, daß meine ungelernte Defensive mitsamt einer gewissen Härte den Gegner schon erschöpfen konnte. Bei schweren Stiefeln hätte es allerdings anders ausgesehen.
Ich konnte trotz beinahe totaler Defensive Oberhand über ein wildes Tier gewinnen, und hätte jenes zu meinem Eigenschutz wohl bis zur eintretenden Ohnmacht in meiner Armbeuge belassen, wenn nicht die umstehenden Weiber eilig eine Insulinspritze, oder ähnliches, herbeigeschafft hätten.
Auch der mir zwangsweise eingeflößte Alkohol konnte mich dann nicht noch tiefer zu Boden bringen.
Erschöpft am Boden, hielt ich dem Hagel an Tritten und von oben kommenden Schlägen dennoch gut entgegen. Leider so viel, daß der Psychopath sich genötigt sah, mich zu peinigen und mir noch weit Schlimmeres anzutun.
Ich hatte Glück im Unglück. Eine Begegnung mit solcher Art Bestie dürfte man schlimmstenfalls im Krieg oder mit angehörigen eines Drogenkartells erwarten (…Denkpause…).
... und das verdiente dann eigentlich Fortsetzungen der längeren Abhandlung ....
Meine Fehler waren, daß ich mich überhaupt allein in ein fremdes Umfeld begab, wenn es auch noch so nahe war, und mit Menschen interagierte, die völlig anderer Prägung waren.
Erste Regel der Strategie: Kenne deinen Feind!
Dann habe ich versucht, Halbaffen beizubringen, daß man Frauen, auch wenn sie Verwandte sind, nicht einfach mal so verprügeln darf.
Wenn Du anderen vorschreiben willst wie sie zu leben haben, dann brauchst Du Dich nicht zu wundern, wenn Du sie damit gegen Dich aufbringst. Gäbe es hier verbindliche Regeln, daß man das tatsächlich nicht darf, dann würden sie staatlicherseits durchgesetzt.
Schließlich habe ich dem Typen angesehen, daß er geisteskrank und zutiefst boshaft ist, und ernstgemeinte Warnungen über seine Gefährlichkeit nicht für voll genommen.
Was mich zweifelsfrei gerettet hätte, wäre brutale Härte gewesen. Die zivilisatorische Mitgift der Nachkriegszeit, die Milde, die mißverstandene Ritterlichkeit, die Sportlichkeit oder ein angelsächsisches „fair play“, wie es uns mit der Muttermilch liebevoll bis zur Überfüllung der Lunge in den Leib gepreßt wurde, ist dann gefährlich, wenn man es mit ernsthaft gefährlichen Menschen aus anderen Kulturen zu tun bekommt.
Es ist im Ursprung ein politisches Versagen, daß solches Ungetüm bei garantierter Auffälligkeit nicht ausgewiesen wird, bevor es Schaden anrichtet - daß es überhaupt erst hereingelassen wird.
Stattdessen erzieht man die eigenen Leute zu Lämmern und holt die Wölfe ins Land.
Für eine gesunde Gesellschaft wäre es das weit Bessere gewesen, wenn ich das Problem im Anschluß eigenverantwortlich hätte lösen dürfen.
Eine zutiefst infantilisierte und totkranke Gesellschaft war nicht imstande, nachzuvollziehen, was sich da ereignet hat. Mein zivilisiertes Umfeld hat total versagt.
So durfte ich noch im Umfeld des Täters durch Diplomatie erwirken, daß die Strafanzeige gegen mich eingestellt wird, die obligatorisch seitens des Täters noch vor meiner Meldung kam.
Ja, würden wir nicht in dem Umfeld leben, in dem wir nunmal leben, dann würden wir in einem anderem Umfeld leben. An das müßten wir uns dann jedoch auch wieder anpassen und es gäbe sicherlich wiederum einiges, das uns nicht willkommen wäre. Der Mensch ist so vermessen, daß er meint er könne seine Umwelt verändern. Aber er kann sich immer nur selbst ändern. Dabei stehen, mal nur den materiellen Aspekt betrachtend, genau zwei Optionen zur Verfügung: Sich anpassen oder vernichtet werden.
Besser ist es freilich, solchen Situationen aus dem Weg zu gehen. Aber ich war relativ Jung und brauchte die Erfahrung.
Daraufhin folgten im Stakkato Erleuchtungsprozesse en Masse, daß das Licht mit seiner Geschwindigkeit nicht mehr mitkam, und sie dauern noch an.
Meine Kräfte sind begrenzt, meine Mittel sind karg, der Wille wird müde und das Klaffen der Zeit heilt die zierlichen Wunden.
Wie ein totes Stück Holz treibe ich im dreckigen Wasser – immer hungrig, auf zu neuen Ufern.
Das alles kann ich gut nachvollziehen.
Wenn wir die Kraft besitzen, einen Kürbis mit einer Hand zu zerdrücken, ist das Ziel nicht mehr fern.
Diese Kraftmeierei liegt mir allerdings fern. Wozu soll das gut sein? Einen Kürbis erlege ich mit einem großem Messer. Das ist wiederum der Unterschied zwischen Kampfsport und Kampfkunst!
Gruß,
Shiro