Reflektion präzivilisatorischer Standesunterschiede (Freie Themen)

Isana Yashiro, Sonntag, 24.10.2021, 08:08 (vor 887 Tagen) @ Kuddel (772 Aufrufe)

Hallo!

Deine Expertise über die Entwicklung der Kampfkunst wird für mich eine Wochenend-Lektüre.
Bin beeindruckt, wie Du das aus dem Ärmel schüttelst.

Das hatte ich so eigentlich nicht geplant, sondern den Beitrag abgeschickt als ich endlich bemerkt hatte, daß ich seit drei Stunden daran schrieb. Andererseits hätte ich gerne noch etwas mehr Ordnung hineingebracht und zum Beispiel bemerkt, daß Kanō Jigorō (嘉納 治五郎) eine halbe Generation früher als die anderen Meister war und das Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr erlebte, so daß sein Stil nur noch von seinen Schülern unterrichtet wurde. Wenn es nicht ewig dauern würde, dann würde ich außerdem Technik für Technik beweisen, daß jede Technik des Jūdō (柔道) eigentlich aus dem Sumō (相撲) kommt und nur umbenannt wurde. Zum Beispiel:

[image] Uchimusō (内無双), im Jūdō (柔道) zu Kuchiki-taoshi (朽木倒) umbenannt;

[image] Nichōnage (二丁投げ), im Jūdō (柔道) zu Oosotogari (大外刈) umbenannt;

[image] Ipponzeoi (一本背負い), im Jūdō (柔道) zu Seoi-nage (背負投), bei weniger schlampiger Ausführung auch Ippon-seoi-nage (一本背負投), umbenannt;

[image] Kakenage (掛け投げ), im Jūdō (柔道) zu Uchimata (内股) umbenannt.

Aikido ist sicherlich eine bewundernswerte Kunst.

Angefangen habe ich mit Karate, aber auch das erst nach Jahren der Recherche. Ich wollte nicht einfach irgendwo irgendetwas machen, sondern etwas, das mir auch wirklich hilft mich zu verteidigen. Außerdem hatte ich kein Geld und war als Minderjähriger kaum mobil. Das schränkt doch erheblich ein.

Wir hatten einfach nur Bock auf Judo. Haben uns auch vor dem Gegner verbeugt, vor während und nach dem Kampf.
Manche konnten sich gut leiden, oder waren befreundet. Ohne Respekt geht es nicht.
Die Verbeugung zeugt nicht nur von Respekt, sondern ist auch Ausdruck des Dankes für die Auseinandersetzung, an der beide wachsen, wenn
sie es denn wollen. Eigentlich ist es auch eine Kommunikationsform.

Ja, ist es auch. Aber vor allem ist es ein Import aus der japanischen Kultur. Obwohl ich schon als Kind zu den Kampfkünsten recherchiert habe, damals noch ganz ohne WWW, verstehe ich manches erst jetzt. Die Verbeugung findet man als Kommunikationsform in präzivilatorischen Standesgesellschaften, vielleicht auch noch während der Zivilisation. Durch die Tiefe und Dauer der Verbeugung werden Standesunterschiede ausgedrückt. Postzivilisatorische Gesellschaften, die Standesunterschiede abgeschafft haben, schafften damit zugleich die Verbeugung ab. Bei uns sieht man Verbeugungen in historischen Filmen oder Theaterstücken. Verbeugungen waren hierzulande eine übliche Kommunikationsform, jetzt sind sie es nicht mehr. Inder und Chinesen verzichten auch darauf. Entgegen dem hierzulande üblichem Eindruck ist die Verbeugung keine gemeinasiatische Begrüßung, sondern wird nur von den präzivilisatorischen Gesellschaften in Asien wie den Japanern noch praktiziert.

Jeder Sport ist auch gut, um Frustrationstoleranz zu üben und immer wieder aufzustehen, wenn man gefallen ist.
Eine ordentliche Haltung ist der Technik und dem Kampfgeschehen zuträglich und färbt sich auf die ganze Lebenshaltung ab.

Das stimmt. Das konnte ich schon beobachten.

Ach so, wegen der Strafe für Passivität:
Es wird nicht dazu angehalten sich gewaltiger in den Kampf zu stürzen, sondern eher Blockadeverhalten zu verhindern. Nach Jahrzehnten der Regel-Reformen sieht man heute als Zuschauen ein beherztes, offenes Judo, bei dem schöne Techniken gezeigt werden können.

Es ist doch schön, dass für Jeden etwas dabei ist.

Auch das stimmt. Jūdō (柔道) ist, wie Du so richtig sagst, für die Zuschauer. Die vielen Regel-Reformen dienen dazu, dem Zuschauer mehr zu bieten und insbesondere die Werbung der Sponsoren besser zu zeigen. Das macht Jūdō (柔道) zum Sport. Genau darum geht es schließlich im Sport. Obwohl das mit den Sponsoren und der Werbung auch von manchen Sportlern kritisch gesehen wird.

Vielleicht kannst Du eine Sache aufklären. Karateka (空手家) haben früher vergleichende Werbung gemacht und behauptet, daß Jūdōka (柔道家) „die Faust zu ballen, indem man den Daumen in die Mitte macht“. Aber ich habe noch nie gesehen, daß ein Jūdōka (柔道家) überhaupt eine Faust gemacht hätte. Gibt es das oder sollte Jūdō (柔道) da nur schlechtgeredet werden?

Gruß,
Shiro


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