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About a bout (Freie Themen)

Fenrizwolf, Sonntag, 17.10.2021, 07:44 (vor 915 Tagen) @ Isana Yashiro (853 Aufrufe)

Lieber Dr. Shiro Katana,

Deine Recherchen bezüglich sportinduzierten Mikrohirntraumata treffen in ihrem Resümee wie die Faust aufs Auge.

Generell ist natürlich derjenige weniger stark der Gefahr exponiert, der entweder erfolgreich „kurzrundig“ per finalem Niederschlag gewinnt, oder derjenige, dessen Defensive die Kraft des Gegners erst gar nicht zur Entfaltung kommen läßt.
Es ist nicht so sehr der teils schlimm anzusehende „Knock Out“, also das zeitweilige Ausklopfen des Leibes, damit der Geist des Gegners kurzweilig daraus entweichen kann, sondern die Summierung kleiner Hirnerschütterungen, die zu ernsten Schäden führt.

Ich bin nicht so der „Pro-Bro“ und leichte Jungs sind für mich so interessant wie leichte Mädchen, aber ich habe den Kampf zwischen Magomed Abdusalamov und Mike Perez gesehen, und die Tragödie die sich daraus entwickelt hat, hat auch mich verändert.

Es gibt Menschen, die sind mit einer so robusten Natur gesegnet, daß sie sich nicht von Menschenhand niederschlagen lassen, wie zum Beispiel Timo Hoffmann - doch war ihm, insbesondere wenn er sich die Hose bis zur Brust hochgezogen hatte, nicht die Bewegungsästhetik zu eigen, wie sie weniger massige Menschen auf die Tanzfläche bringen können.
Leider konnte die „deutsche Eiche“ nicht ansatzweise mit „Snap“ schlagen, aber immerhin hat Vitali Klitschko nur einen Pyrrhussieg landen können.

Der aktuelle Schwergewichtsweltmeister, Tyson Fury, hat mit einem Athleten eigentlich nicht viel gemein. Seine schiere Masse verleiht ihm Robustheit, und seine „Bare-Knuckle-Gipsy-Schule“ hat in ihm einen morbiden Geist heranwachsen lassen, der in seinen Hochphasen weder Angst noch Respekt zuläßt. Zum Leidwesen anderer Gladiatoren hat er offensichtlich weit mehr Kontrolle über seine unansehnliche Physis als es solch dinosaurierartige Menschengeschöpfe sonst innehaben.
Die Giganten sind es oft eben nicht, die besonders gefährliche Schlagwirkung entfachen können. Ihnen fehlt neuronal wohl einfach die Geschwindigkeit der Reizübertragung.

Nikolai Valuev war vermutlich der körperlich in Daten stärkste Schwergewichtler, doch David Haye, ein körperlich fast überzüchteter dunkelhäutiger, schneller Schwerathlet, hatte ihn damals kurz vor dem Niederschlag, nachdem er vom Cruisergewicht erst ins Schwergewicht aufgestiegen war.
Haye selbst verlor dann gegen einen schwabbeligen Briten, der aufgrund seiner angeblichen Unterlegenheit fast meine Mutterinstinkte geweckt hat.

Der wirkliche Gewinner ist allerdings der, der erst gar nicht zum Kampf antritt, und als lachender Dritter Millionen kassiert.
Nun habe ich zwei Wochen mit je 60 Arbeitsstunden hinter mir – in Friedenzeiten – und frage mich, wer wann welche Hirnschädigung schon mitgebracht hat, welcher meiner Kollegen schon eine hatte, oder erst bekommen hat, und wie ich mit einem „Knock-Out-Punch“ meinem Chef sanft und feinfühlig signalisiere, daß sein Lebensstil auch mal eine Ruhepause in einem Viereck benötigt.

Ich kann ja nicht viel. Aber ich habe gelernt, Spektakel von Können zu unterscheiden, und ich kann, wenn es denn sein muß, auch polygonale Kisten bauen, in denen Gladiatoren, Workaholics und sonstige mentale Kokainisten einen sicheren Platz finden – um mal zu „relaxen“.
Mein Wunsch ist nicht, meine Kräfte zu messen, sondern sie zu bewahren, und mich vor Cholerikern, Kraftmeiern und Wütenden zu verwahren.

In respektvoller Würdigung des Dir Speziellen

Der Kettenwolf


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