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Eher hat Stockert von Adlmaier abgeschrieben (Übersinnliches & Paranormales allgemein)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 09.06.2021, 19:19 (vor 1023 Tagen) @ Pat (1179 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 09.06.2021, 19:25

Hallo!

Im Folgenden zitiere ich in Gänze das kurze Kapitel (S. 263–267) aus "Zukunft des Abendlandes?" von Alexander Gann, veröffentlicht 1986, in dem dieser seine Nachforschungen zu Stockert und seine Bewertung zusammenfaßt (Formatierung und Hervorhebungen durch mich). Es ist dem eigentlich nicht viel hinzuzufügen.

Er ist der einzige von mir untersuchte Prophet, bei dem die Nachforschungen ergaben, daß wir es hier sehr wahrscheinlich mit einem Scharlatan zu tun haben. Da seine Prophezeiung von ihm selbst und von unkritischen Prophezeiungsbuchautoren, die sie eifrig nachgedruckt haben, weit verbreitet worden ist, sehe ich mich aus aufklärerischen Gründen veranlaßt, hier auch seinen Fall kurz abzuhandeln, obwohl er paraprognostisch völlig wertlos ist.

Josef Stockert (1897–1975) lebte in München und war gelernter Möbelschreiner, arbeitete aber später als Werber für eine Versicherungsgesellschaft. Seine Prophezeiung wurde von ihm in Form einer im Selbstverlag erschienen Kleinbroschüre, betitelt »Der mahnende Finger Gottes im Zeichen von Rauch und Feuerflammen«, in Umlauf gebracht. Die Schrift erlebte insgesamt fünf, teilweise veränderte Auflagen, deren erste seinen eigenen Angaben zufolge um 1950 publiziert worden ist. Die letzte stammt aus dem Jahr 1971. Mir liegen nur die letzten drei Auflagen vor (wobei die dritte nach 1966 herausgekommen sein muß, die vierte datiert aus dem Jahr 1969).
Er behauptet, zu Ostern 1947 eine Vision teils symbolischen, teils realistischen Inhalts gehabt zu haben, die er in einem Brief vom 23. August 1947 an seine Kinder und vom 7. März 1948 an »einen Freund« aufgezeichnet habe. Auszüge aus diesen Briefen druckt er, nebst verschiedenen »Erläuterungen« dazu, in seiner Broschüre ab. Hier eine Kostprobe aus dem ersten Brief:

»Ich sah ein großes Tier. Sein Körper war mit vielen großen und kleinen Geschwüren und Eiterbeulen bedeckt. Als ich näher hinsah, stiegen aus diesen Rauch und Feuerflammen empor. Die Füße des Tieres waren wie gewaltige Tatzen eines Löwen. Mit den Vorderfüßen stand es in Bayern nördlich der Donau und auf der unteren Hälfte Englands. Die rechte Vordertatze hatte ein großes Geschwür. Rauch und Feuer stiegen daraus hervor. Die Hinterfüße standen in Rußland, und der Schwanz reichte weit nach Asien hinein. Am ganzen Körper war es blutig. Die Geschwüre leuchteten in rotgelblicher Farbe; ein furchtbarer Gestank kam daraus hervor, und sie brannten wie Feuer.«

Sodann sieht er den Tod in Gestalt eines Knochengerippes zunächst über Bayern und danach weiter im Norden schweben und »mähen«. Die Muttergottes erscheint über Bayern, am Arm das Jesuskind, das segenspendend seine Hand erhebt. In der Donau, deren Wasser sich staut und rot von Blut wird, liegen »blutige Köpfe«. In der Gegend von Rom gewahrt er »eine garstige und mit Eiterbeulen bedeckte Kröte«, die in Richtung des über Europa ausgebreiteten Tiers blickt. Dieses wird von einem westlich des Rheins stehenden »Monarchen«, auf dessen Haupt eine Krone leuchtet und der von Zeit zu Zeit von einer »bis in den Himmel « reichenden »Lichtsäule« gestärkt wird, mit einem Schwert bekämpft. Anschließend hören wir: »Aus dem Rumpfende des Tieres ragten zwei Köpfe, die von Südosten her große Gefahr witterten. Sie sahen sehr grimmig aus. Der Schwanz, der sich bis nach Asien erstreckte, war eingekrümmt und voll Blut. Nach allen Seiten schlug dieser Schwanz und vernichtete alles, was er erreichte. Ich sah hier ein großes Gräberfeld.«

Im zweiten Brief- an den Freund- sieht der Prophet dann »in vielen Kirchen« die Altarstufen vom Blut ermordeter Priester befleckt, »tausende von Panzern unser Heimatland überrollen«, das Wasser der Nordsee über die Ufer treten, »Todesengel ausziehen und ihre Giftschalen über die gesamte Menschheit ausleeren«, die Erde aus ihrer Bahn geworfen werden und die Sonne sich verfinstern. In seinen »Erläuterungen« fügt er dem noch verschiedene Angaben hinzu.

Mit dem Ziel, Aufschlüsse über die Authentizität dieser Aussagen zu bekommen, befragte ich insgesamt dreizehn Personen aus der Umgebung des »Sehers«, seine Witwe, neun seiner zehn Kinder, einen Freund sowie zwei Bekannte. Außerdem konnte ich noch drei weitere von ihm herausgebrachte Broschüren (seine Autobiographie und zwei Schriften über Marienerscheinungen) einsehen. Die sich daraus ergebenden Einwände gegen die Echtheit seiner Vision lassen sich wie folgt zusammenfassen.
(1) Während Stockert in seiner Prophezeiungsbroschüre die Vision von Ostern 1947 als das Ereignis seines Lebens hinstellt (»Als ich das furchtbare Strafgericht Gottes geschaut hatte, war ich innerlich gebrochen. Es vergingen Tage, Wochen und Jahre, und so oft ich an jene furchtbare Nacht dachte, war ich aufs neue gebrochen« (Stockert 1971, S. 41)), verliert er in seiner Autobiographie darüber nicht ein einziges Wort (Stokkert 1970). Dies, obwohl er dort über andere ihm als paranormal erscheinende Vorkommnisse aus seinem Leben sehr wohl detailliert berichtet. So führt er insgesamt vier Träume, eine Wachvision und drei Erscheinungen (zweimal die Muttergottes, einmal eine »arme Seele«) an, welche ihn offenbar als Sensitiven ausweisen sollen, die aber teils ohnehin nicht glaubwürdig sind und, soweit sie es sind, bei einer kritischen Beurteilung nicht als paranormal klassifiziert werden können. Meines Erachtens ist dieses völlig unverständliche Schweigen über seine Kriegsvision ein klares indirektes Eingeständnis Stockerts, daß dieselbe nie existiert hat.
(2) Wie erwähnt, behauptet er, den ersten Teil seiner Visionsbeschreibung einem Brief an seine Kinder entnommen zu haben. Noch in der dritten und vierten Auflage seiner Prophezeiungsschrift leitet er den Visionstext mit folgenden Worten ein: »An meine lieben Kinder! Die Gnade des Herrn sei allezeit mit uns! In jener Nacht vom Ostermontag auf Osterdienstag 1947 hörtet ihr mich weinen und weheklagen. Ja, Euer Vater weinte und schluchzte.« Und am Schluß seiner Visionsschilderung unterschreibt er: »München, den 23. August 1947, Euer Vater.« Kein einziges seiner Kinder kann sich erinnern, vom Vater jemals einen Brief solchen Inhalts erhalten zu haben. Darüber hinaus ist seinen Angehörigen auch nicht erklärlich, wo er das Schreiben hinschicken hätte können, da damals die Familie noch in einer Wohnung zusammenlebte. Überflüssig zu erwähnen, daß ihn keiner seiner Angehörigen jemals in einer Nacht »weinen und weheklagen« gehört hat. Nicht einmal seine Gattin, die immerhin mit ihm im selben Raum geschlafen hat. Wer der Freund sein soll, dem er den zweiten Brief geschickt haben will, war nicht zu eruieren.
(3) Seine Voraussagen weisen starke Parallelen zu anderen Prophetien, vor allem zur Johannes-Apokalypse (im ersten Brief) und zu Irlmaier (im zweiten Brief) auf. Parallelen, die angesichts der übrigen negativen Authentizitätsindizien gegen ihn ausschlagen müssen. Um so mehr, als er, der diese Prophezeiungen sicher gekannt hat, es unterläßt, seine Leser selbst auf jene Übereinstimmungen, die er ja als Bestätigung seiner Vision hätte ins Treffen führen können, aufmerksam zu machen. Offenbar war es sein schlechtes Gewissen, das ihn daran gehindert hat.
(4) Mit der allgemeinen Glaubwürdigkeit Stockerts ist es schlecht bestellt. Schon seine Schriften weisen ihn als einen wundersüchtigen religiösen Schwärmer aus, der mit Bibelzitaten nur so um sich wirft und sich päpstlicher als der Papst gebärdet. Man mag sich noch mit der schwülstigen Sprache abfinden, in der er seine Prophetie präsentiert. Was aber soll man von einem Menschen halten, der unter der Überschrift »Worte des lieben Heilandes« (wann, wo, in welcher Form geäußert?) diesen über ihn, Stockert, sagen läßt, er sei eine »begnadete Seele«, als Person »einwandfrei«, in den Augen Christi »sehr wohlgefällig « und »sehr glaubwürdig« (Stockert 1971, S. 34)? Eben das war offenkundig der Zweck auch seiner Kriegsvision: sich sich und anderen als »begnadete Seele«, die über einen direkten Draht zum Himmel verfügt, darzustellen. Verschiedene mündliche Mitteilungen über ihn sind nur dazu angetan, diesen Verdacht zu verstärken und seine Glaubwürdigkeit weiter zu erschüttern. Was hält seine Umgebung von seiner Prophetie? Überzeugt von deren Echtheit gaben sich lediglich ein Freund und ein Bekannter von ihm. Seine Angehörigen dagegen neigen, soweit sie zu der Frage Stellung nehmen wollten, fast durchwegs zu der Ansicht, es handle sich hierbei um eine Erfindung. Lediglich eine Tochter glaubt an ein reales Erlebnis, und zwar an einen Traum.

Ein einziges schwaches Indiz scheint allerdings zu seinen Gunsten zu sprechen. In dem oben zitierten Prophezeiungstext behauptet er, der Schwanz des über Europa liegenden Tieres habe bis nach Asien gereicht, dort nach allen Seiten geschlagen und alles ihm Erreichbare vernichtet. Das könnte als Krieg zwischen Rußland und China gedeutet werden, welche Vorhersage zu einer Zeit veröffentlicht worden sein soll (um 1950), als die beiden kommunistischen Großmächte noch befreundet waren. Als implizite Präkognition ist diese Ankündigung jedoch nicht deutbar, weil sie, selbst wenn um 1950 publiziert, nicht bloß eine Verschlechterung der russisch-chinesischen Beziehungen zum Gegenstand hat, die Ende der sechziger Jahre eingetreten ist, sondern einen kriegerischen Konflikt zwischen beiden Staaten, der noch aussteht. Wer sie dagegen als schwaches Realitätsähnlichkeitsindiz gelten lassen will, der sollte bedenken, daß sich ein politischer Beobachter schon damals ausrechnen hätte können, daß die unterschiedlichen machtpolitischen Interessen Rußland und China früher oder später entzweien würden. Hellseherische Fähigkeiten wären dazu keine notwendig gewesen. Wie man sich dazu auch stellen mag: Die ganze Aussage ist ohnehin so vage, daß sie, selbst wenn als Realitätsähnlichkeitsindiz interpretiert, die obigen, Stockerts Glaubwürdigkeit massiv erschütternden Faktoren bei weitem nicht aufzuwiegen imstande wäre.
Als Fazit ergibt sich somit, daß wir seine Kriegsvision ohne Bedenken der großen Kisten überantworten dürfen, die schon so viele Schwindeleien auf dem Gebiet behaupteter paranormaler Phänomene hat aufnehmen müssen. Und zwar auf Nimmerwiedersehen. Denn selbst wenn sich die eine oder andere seiner Voraussagen einmal erfüllen sollte, wird man das nicht ihm zugute halten können, sondern jenen Sehern, aus deren Aussagen er seine Prophetie offenbar zusammengebastelt hat. Es bleibt nur zu hoffen, daß die kritiklose Verbreitung dieses Machwerks (das in mindestens drei Prophezeiungsbüchern vollinhaltlich nachgedruckt worden ist) hiermit ein Ende findet.

Der in der Forumsbibliothek zitierte Text, wie auch die Veröffentlichung bei Bekh, entstammen der fünften Auflage der Stockert'schen Broschüre, die 1971 erschien. Gann lagen lediglich die Ausgaben ab 1966 vor. Die erste Auflage erschien 1950 (eine Ausgabe liegt angeblich in Regensburg, obwohl der Vermerk "Neue Aufl." Zweifel daran aufkommen läßt, daß es wirklich die erste Auflage ist). Leider wissen wir nicht, ob sie vor oder nach Adlmaiers Erstveröffentlichung Irlmaiers stattfand. Da Adlmaier das Nachwort der 1. Auflage von "Blick in die Zukunft" aber auf den 20. Januar datiert ("Sebastiani 1950"), ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß Stockert danach erschien und ihm Irlmaier bereits bekannt war. Ohne Änderungen seit der ersten Auflage nachvollziehen zu können, müssen wir ohnehin unterstellen, daß dem vorliegenden Stockertext die Kenntnis sämtlicher Irlmaierprophezeiungen, die bis 1961 (3. Auflage Adlmaiers) erschienen, zugrundelag. Entsprechend ist die Vermutung naheliegend, daß nicht Irlmaier auf Stockert fußt, sondern Stockert den Irlmaier verarbeitet.

Interessant am Rande ist die Ähnlichkeit der angeblichen Prophezeiung einer gewissen Frau Landinger oder Langinger (Schönhammer ist sich da nicht sicher). Die Symbolsprache des Textes und die Grundstruktur ähneln sehr stark Stockert, sind aber so unterschiedlich, daß Landinger beinahe eigenständig wirkt. Eine irgendwie geartete Verbindung ist aber anzunehmen, da desgleichen kaum Zufall sein kann. Weil Stockert höchstwahrscheinlich erfunden ist, Landinger erst seit 1997 nachweisbar (Schauung angeblich von 1957) und der Text außerdem erheblich kürzer ist, liegt die Annahme nahe, daß es sich um ein stark abgewandeltes Plagiat des Stockerttextes handelt.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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