Gerechtfertigte Wut (Übersinnliches & Paranormales allgemein)

Giraffe, Sonntag, 16.05.2021, 16:05 (vor 1074 Tagen) @ Taurec (1457 Aufrufe)

Danke Taurec!

Theoretisch habe ich den Unterschied zwischen Raserei und Kampfeswut nun verstanden.
Das Problem ist dass im Buch eine gerechtfertigte Kampfeswut von Franchezzo an den Tag gelegt wird, immerhin wird er von zwei niederen Gestalten überfallen und "mit einer guten Dosis Zorn schüttelte ich sie ab und trat zurück". Sein Zorn trifft im Beispiel ja keinen Unschuldigen.
Also ich kann nicht verstehen was er falsch gemacht hat. Kannst du?

Er sagt dass er zukünftig statt Zorn ausagieren, ruhig und kalt bleibt. Dies erinnert mich doch sehr an Pazifismus, Jainismus und Stoizismus. Leider wird dies nicht explizit gesagt.

Innerlich gesehen sind ruhige und kalte Zustände dem des Zorn zu bevorzugen, können jedoch auch als unlebendige und disassozierte Zustände interpretiert werden im Falle.

Andererseits waren es nicht die Stoiker, wie Seneca, die ihren eigenen Mord ohne Wut annahmen?

Was sagst du dazu?

Lg G.

Hallo!

Wenn dort von Zorn die Rede ist, meint dies wohl niedere, aus dem Affekt geborene Handlungen im Gegensatz zu kontrollierten und gerechtfertigten. Es liegt dem derselbe Unterschied zugrunde, den die Römer mit den Wörtern "furor" (Raserei, leidenschaftlicher Wutausbruch) und "ira" (u. a. mit milderen Bedeutungen "Grund zum Zorn", "Heftigkeit", "Kampfeswut") bezeichnet haben. So gibt es die Begriffsbildungen "ira dei" (unscharf "Zorn Gottes") oder "dies irae" ("Tag des Zorns", also des Strafgerichts). Von einem "furor dei" ist mir allerdings nichts bekannt. Gemeint ist jeweils eine höhere Art des Zorns, die gerechtfertigt ist und keinen Unschuldigen trifft. Auf den Menschen heruntergebrochen ist es der Unterschied zwischen blinder Raserei aus niederen, emotionsgeladenen Beweggründen heraus, die keinen Unterschied zwischen den Opfern des Zornes macht, und einer Haltung, die dem "Heiligen Krieg" entspricht, bei dem sich der Streit für etwas Höheres durch die eigene Person verwirklicht, die dadurch gleichsam erhöht und transzendiert wird.

In der Tat sind Gewalt und Töten religiös nicht verboten. Das fünfte Gebot "Du sollst nicht töten!" wäre richtiger eigentlich als "Du sollst nicht morden!" zu übersetzen, wobei Mord das Töten aus Notwehr oder im Kriege (aber auch von Tieren) dem Sprachgebrauch des Urtextes gemäß ausdrücklich ausschließt (vgl. hier).
Ähnliches gilt für das Bibelwort in Matthäus 5,5: "Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen." Auch dieses wird auf einen irrigen Pazifismus hin stets falsch übersetzt bzw. verstanden. Das im griechischen Original für "sanftmütig" gebrauchte πραεῖς ("praeis" bzw. praus) bedeutet eigentlich vielmehr "gemäßigt" und meint jemanden, der zur Gewalt fähig ist, sich aber zurückhalten kann, wo diese nicht angebracht ist. Das steht im scharfen Gegensatz zu gutmenschlichen Pazifisten, die zur Gewalt grundsätzlich unfähig sind und diese Schwäche zu einer Tugend hochstilisieren.

Als gewalttätiger Mann, der seine Affekte unter Kontrolle hat, ist man zu unterscheiden fähig, wann Gewalt in welchem Ausmaße zur Ordnung der Lage nötig ist, und kann diese dann ohne falsche Hemmungen bis zur äußersten Konsequenz anwenden, was die Verantwortung der Folgen einschließt. Zugleich ist man nur Gott gegenüber verantwortlich, nicht etwa menschlichen Gerichten in einem Staate, dessen Grundlagen auf der nihilistischen "Umwertung aller Werte" basieren. Das Urteil Gottes trifft dich über das Karma, das aber im Falle einer maßvollen und gerechtfertigten Gewalttat gewiß nicht negativ ausfallen wird.

Wer damit ein Problem hat, weil er zur Gewalt (insbesondere innerlich) nicht fähig ist, sollte zunächst durch körperliche Ertüchtigung und Arbeit an sich selbst sein Gewaltpotential entwickeln. In der heutigen Zeit hat es wahrlich keinen Sinn, nicht gefährlich zu sein. Im konkreten Fall wird es zum Äußersten mit geringerer Wahrscheinlichkeit kommen, wenn man "die Instrumente zeigen" und kommunizieren kann, daß für den anderen die möglichen Kosten der Auseinandersetzung deren Nutzen übersteigen. Das sind sanfte Formen der Gewalt, zu deren Dosierung man aber das vollständige Potential in der Hinterhand haben sollte.
In diesem Sinne abstrahierend ließe sich das Zitat auf Seite 251 ("ruhig", "kalt" und mit bloßer Willenskraft) auch deuten.

Gruß
Taurec


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