nicht wissen wollen (Schauungen & Prophezeiungen)

Isana Yashiro, Freitag, 16.04.2021, 06:42 (vor 1099 Tagen) @ Taurec (782 Aufrufe)

Hallo!

Die Sache ist aber komplexer. Letztlich ist die Widerkehr des Messias an sich eine bloße Fiktion, die auf alttestamentarischen Glaubensvorstellungen beruht. Während die Juden bis heute auf den Messias warten, war er für die Christen bereits da. Das Christentum, wie es sich letztlich formiert hat, ist in gewisser Hinsicht nur eine Kopie und Fortschreibung des Judentums, welche die alttestamentarische Linie fortführt. Aus dem erstmaligen Auftreten des Messias in der Endzeit bei den Juden wurde die Wiederkehr des Messias bei den Christen.
Warum entstand nach dem Auftreten Christi die Vorstellung dessen Wiederkehr? Die ersten Christen und auch Jesus selbst ("Es stehen etliche hier, die nicht schmecken werden den Tod, bis daß sie des Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reich.") glaubten, daß mit seinem Auftreten die Endzeit angebrochen sei und die Erlösung kurz bevorgestanden habe. Diese Vorstellung hat sich bekanntlich nicht bewahrheitet. Nach Jesu Entschwinden rechneten seine Anhänger mit seiner baldigen Rückkehr, damit das Geschehen vollendet werde. Die Erfahrung des ständigen Nichteintreffens bei gleichzeitiger Unverrückbarkeit der Glaubensauffassungen führte zu einer Verfestigung der Erwartung der Wiederkehr Jesu in einer nicht allzu fernen Zukunft. Andernfalls hätte man feststellen müssen, daß Jesus wegen seiner falschen Ankündigung doch nicht der Messias gewesen sei, und das Christentum hätte sich selbst als Irrlehre aufgeben müssen.

Das Christentum Jesu existiert praktisch nicht mehr. Anders sind solche Ausführungen und Urteile kaum zu erklären. Sie offenbaren nämlich völlige Unkenntnis dessen, was jener Jesus gelehrt hatte:

Johannes 18
…35Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan? 36Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von dannen. 37Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme. …


Lukas 17
20Da er aber gefragt ward von den Pharisäern: Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; 21man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch. 22Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, daß ihr werdet begehren zu sehen einen Tag des Menschensohnes, und werdet ihn nicht sehen.…

Zu dem Vers noch eine Variante von jemandem, der selbst übersetzte:

Es betrifft Lukas 17, 20+21 (eigene Übersetzung): (20)Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es nach äußeren Zeichen erkennen kann. (21)Auch wird man nicht sagen: Siehe, hier oder dort ist es. Denn siehe, das Reich Gottes ist inwendig in euch (ἰδοὺ γὰρ ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἐντὸς ὑμῶν ἐστιν).

Jesus hat also keineswegs gelehrt, daß er irgendwann wiederkommen und dann hier herrschen werde. Ganz im Gegenteil! Er lehrte, daß dieses Reich nicht von dieser Welt und keine Frage der Zeit ist. Daher kann und wird er es auch nicht in Zukunft hierher bringen. Das Reich ist JETZT! Das heißt nicht heute jetzt, sondern zu jederzeit jetzt. Aber es muß all denen verschlossen bleiben, die es nicht verstehen wollen und stattdessen ausschließlich die materielle Ebene der Existenz zu sehen gewillt sind.

Jesus soll ein Unterstützer des Materialismus gewesen sein? Dann hätte er sich seine gesamten Predigten und seinen Leidensweg auch gleich sparen können. Natürlich gab es seinerzeit auch schon reichlich Leute, die ihn nicht verstehen wollten. Es gab seinerzeit schon viele Materialisten. Genau das war jedoch der Grund, warum er auftreten mußte.

Heute frönen sogar die Kirchen dem Materialismus, während sie sich gleichzeitig auf die Bibel als Grundlage ihrer Existenz berufen. Da verwundert es nicht, daß viele Anhänger der Kirche oder deren Lehren, die christliche Lehre nicht mehr verstehen. Sie müssen dann eine Art geistigen Spagat vollziehen, dessen Ergebnis Du schonmal treffend als Realtranszendenz beschrieben hast. Das Verlagern des Reichs Gottes in die Zukunft ist nichts anderes als Realtranszendenz.

Aber es gibt auch noch Leute, die das als falsch erkennen. Das motivierte auch den Autoren, dessen eigene Übersetzung eines Bibelverses ich obig verlinkt habe. Gäbe es solche Leute nicht mehr, dann wäre es egal, ob Du das gesamte Christentum als Irrlehre bezeichnest. Aber es gibt solche Leute noch. Es gibt noch Leute, die Spiritualität und Religion genau wie Christentum und Kirche voneinander unterscheiden können. Deshalb wäre das Kind nicht gleich mit dem Bade auszuschütten vorzuziehen.

Gruß,
Shiro


Gesamter Strang: