Buch Daniel (Schauungen & Prophezeiungen)

Leseratte, Donnerstag, 18.03.2021, 14:53 (vor 1132 Tagen) @ Taurec (1270 Aufrufe)
bearbeitet von Leseratte, Donnerstag, 18.03.2021, 14:58

Lieber Taurec,

was das Buch Daniel angeht irrst du dich. Es ist weder eine Fälschung (man war in der Antike erstaunlich frei, toten Personen Texte anzudichten) noch Prophetie sondern ein Text, der in einer bewußten Fiktion Daniel Nebukadnezar antworten läßt.

Als die Griechen den vorderen Orient besetzt hatten, gab es eine Auseinandersetzung innerhalb der jüdischen Elite in Jerusalem, inwieweit man strenggläubig bleiben sollte oder sich anpassen sollte und den Rang einer Polis, dh. freien Stadt, genießt sollte. Das alles ging furchtbar schief und endete in einem Blutbad als sich Antiochus Epiphanes, der Herrscher der Seleukiden, in den Konflikt einmischte und den Tempel betrat. Es kam zum Aufstand, Antiochus Epiphanes, der sich übersetzt der göttlich Strahlende oder Scheinende nannte, schickte Elefanten und andere Kriegsausrüstung, die Juden Selbstmordkämpfer – das Buch der Makkabäer (nur in der katholischen Bibel) weiß mehr davon.

Und im Buch Daniel, was zu dieser Zeit entstanden sein dürfte, geht es um die Frage, wie man das Imperium der Seleukiden und die griechische Zivilisation bewerten sollte. Die Antwort ist vernichtend, das Imperium der Seleukiden sei eines der Geschöpfe aus der Hölle, nach den Reichen der Assyrer, Neubabylonier und Perser. Die Schau der Tiere aus dem Abgrund hat nichts mit Prophetie zu tun, sondern ist eine (spirituelle oder ideologische) Bewertung der Seleukidenherrschaft oder gar der Imperien als solche. Das ist der Grund, weswegen das Buch Daniel in der Tradition nur zögerlich zu den prophetischen Büchern gerechnet wurde, es ist eigentlich keines. Es ist der Vorgriff auf die Offenbarung des Johannes, die ähnlich ihre Gegenwart, das imperium romanum, beurteilen wird.

Viele Grüße Leseratte


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