Sturmflut (Schauungen & Prophezeiungen)

Lost Centuries, Dienstag, 16.03.2021, 19:30 (vor 1131 Tagen) @ Leseratte (1378 Aufrufe)

Hallo Leseratte,

ich möchte ein paar Gedanken äußern zu dem Traum mit der Sturmflut, den ich in der Sammelstelle abgelegt hatte.

Ich glaube nicht, dass wir einen solchen Traum wortwörtlich nehmen sollten. Ein besserer Ansatz liegt wohl darin, davon auszugehen, dass sein Inhalt surreal verzerrt ist, wie es Taurec vermutet hat, und zu versuchen, die Aussagen, die den Bildern zugrunde liegen, durch geeignete Überlegungen erkennbar zu machen.

Der Traum ist in vielerlei Hinsicht unlogisch. Eine Sturmflut, die so gewaltig ist, dass sie die Insel Sylt einfach wegspült, hätte auch in anderen Teilen Norddeutschlands riesige Schäden hinterlassen. Nicht nur die Nachbarinseln von Sylt wären betroffen gewesen, auch der gesamte norddeutsche Küstenbereich wäre wohl bis weit ins Landesinnere überspült worden. Dennoch ist im Traum immer nur von Sylt die Rede, Zerstörungen auf anderen Inseln oder im Küstenbereich werden nicht erwähnt und sind auch nicht erkennbar. Würde es tatsächlich zu einer solchen Sturmflut kommen (und über eine solche wurde im Traum ja auch ausdrücklich gesprochen) wären die Zerstörungen so immens, dass die paar weggespülten Promi-Ferienhütten und Schicki-Micki-Bars auf Sylt nicht weiter ins Gewicht fallen würden angesichts der zu erwartenden Schäden und menschlichen Verlusten in anderen Teilen des Landes. Zumindest hätten sie in der Berichterstattung Erwähnung gefunden.

Weiterhin ist im Traum von einem Lehmdamm die Rede, der zwischen Meer und Insel errichtet werden soll. Ein solches Bauprojekt, wollte man es denn tatsächlich in Angriff nehmen, würde alle Grenzen des technisch Machbaren bei weitem sprengen. Wo soll denn der Damm beginnen, wo enden? Es wäre ein Jahrhundertbau, der in der neueren Geschichte wohl seinesgleichen suchen würde. Und alles nur, um eine Insel zu retten? Da gäbe es sicher andere, weniger aufwendige und technisch umsetzbare Lösungen, um die Insel effektiv vor einer Sturmflut zu schützen. Zumal ein Damm aus Lehm mir denkbar ungeeignet erscheint, das Baumaterial dürfte wohl innerhalb kurzer Zeit dem Wechsel von Ebbe und Flut zum Opfer fallen, die den Damm einfach wegspülen.

Auch aus einem anderen Grund macht der angekündigte Bau eines Schutzdammes wenig Sinn. Die Insel ist ja bereits komplett zerstört, ein Wideraufbau kaum mehr zu erwarten. Was will denn die Regierung da noch schützen? Eine große Sandbank? Denn mehr ist ja in meinem Traum von Sylt nicht übriggeblieben.

Meine Empörung über den Dammbau erscheint bei näherer Betrachtung ebenfalls ungerechtfertigt. Denn bleibt man in der Logik des Traums, so würde ein solcher Damm sehr wohl nicht nur die Reichen, sondern auch die übrige Bevölkerung in Küstennähe vor zukünftigen Sturmfluten schützen. Mehr noch, die Maßnahme würde sogar NUR die übrige Bevölkerung schützen, denn Sylt ist ja bereits verloren.

Also ist der Traum nur symbolisch zu verstehen. Doch wie soll man das Geschehen richtig deuten? Ich wage hier mal einen Versuch, der mir sinnvoller erscheint, als von einer tatsächlich stattfindenden Sturmflut auszugehen.

Sylt, Tummelplatz der Schönen und Reichen und der ganz schön Reichen, steht für den materiellen Wohlstand unseres Landes. Übrigens ein zutreffendes Bild. Denn so, wie schon seit Jahren unser Wohlstand gefährdet ist, nagt auch an der Insel zunehmend die Erosion durch das Meer. Der Aufwand, die Insel vor dem endgültigen Verschwinden zu bewahren, wird von Jahr zu Jahr größer.

Die Sturmflut steht für ein Ereignis, das wohl entweder unerwartet über Deutschland hereinbricht, oder das zwar erwartet worden war, seine verheerenden Auswirkungen auf unseren Wohlstand und unsere Wirtschaft jedoch zuvor nicht korrekt vorhergesagt worden waren. Wie auch immer, die Zerstörung ist gewaltig, und an ein Wiederherstellen oder eine Wiederkehr der früheren ökonomischen Zustände nicht zu denken. Darauf weisen einige Details hin: von der Insel ist nur noch eine große, flache Sandbank übrig (jeder Architekt weiß: auf Sand lässt sich nichts Stabiles oder Dauerhaftes mehr errichten), keine erkennbaren Erhebungen (Bauwerke, Bäume) sind zu erkennen, die Zerstörung ist also vollständig.

Der Damm steht symbolisch für Maßnahmen der Regierung, die zum Schutze vor künftigen Ereignissen dieser Art dienen sollen. Doch diese Maßnahmen erweisen sich als unpraktisch und kaum durchführbar. Ja mehr noch, sie lassen jeglichen Ansatz von Realitätsbezug vermissen.

Die Regierung wird erst aktiv, NACHDEM sich die Bürger zu Wort gemeldet haben (ZUERST höre ich im Traum die Stimmen der beiden Leute, DANACH die des Nachrichtensprechers, der die Maßnahmen der Regierung ankündigt), also erst, als sich der Unmut in der Bevölkerung zu regen beginnt. Die Politik scheint das Ausmaß der Katastrophe womöglich noch gar nicht begriffen zu haben, während das zumindest in Teilen der betroffenen Bevölkerung bereits der Fall ist.

Die Maßnahmen werden dennoch keinen Rückhalt in der Bevölkerung finden, das Misstrauen gegenüber der Politik und der "Eliten" unseres Landes (oder was sich halt dafür hält) scheint wohl zu groß zu sein ("Wieso sollen wir alle den Damm zahlen, der nur sie - die Reichen - schützt?"). Womöglich scheint auch vielen gar nicht klar zu sein, welchen Zusammenhang es gibt zwischen dem Wirtschaftleben unseres Landes und ihrem eigenen Lebensstandard ("Ich verspüre kein Mitleid mit der Insel.").

Interessanterweise ist es ein "älteres Ehepaar", das sich in diesem Zusammenhang zu Wort meldet. Die alten Leute erinnern sich in meinem Traum an frühere Zeiten. Doch wo sind die Jungen? Entweder haben sie das Ausmaß der Zerstörung und deren Auswirkungen auf das eigene Leben noch nicht begriffen, oder - ganz im Gegenteil - sich mit den neuen Verhältnissen bereits abgefunden und sich neu orientiert (wozu die Alten dann nicht in der Lage waren).

Selbstverständlich ist es praktisch unmöglich, völlig unvoreingenommen einen Traum zu analysieren, den man selbst geträumt hat. Dennoch erscheint mir das oben beschriebene Szenario weitaus realistischer als die pauschale Annahme, der Traum habe reales Geschehen zum Inhalt,

meint: Lost Centuries


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