Avatar

Lindelied - verschiedene Textversionen (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 04.10.2009, 21:01 (vor 5307 Tagen) @ Fred Feuerstein (6678 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 30.08.2017, 16:50

Hallo!

Ich habe nun mal alle Lindeliedfassungen nebeneinandergelegt und auf Unterschiede überprüft.
Damit haben wir jetzt zumindest alle eine Überblick, wie das Lied in den einzelnen Ausgaben lautet.
Nicht miteinbezogen habe ich Veröffentlichungen, die nach Adlmaiers "Blick in die Zukunft" erschienen, weil ich davon ausgehe, daß diese alle auf Adlmaier zurückgehen.

Es folgt die Urfassung von 1920 mit originaler Rechtschreibung und Zeichensetzung (die Nummerierung stammt von mir). Farbig hervorgehoben unter einer Zeile sind von der Urfassung abweichende Fassungen aus anderen Drucken angegeben. Dabei habe ich, nachdem sich die Rechtschreibung immer wieder in einzelnen Buchstaben unterscheidet, lediglich auf abweichende, bzw. unter Umständen bedeutungsverändernde Formulierungen und Wortwahl geachtet, sowie auf Wortverdreher.

Die Unterschiede sind bisweilen so gravierend, daß ich mich stellenweise Frage, ob Adlmaiers Version tatsächlich auf Martin Hingerl (1920 oder 1925) zurückgeht. Mir scheint, da hat zumindest jemand im Laufe der Jahre einige Stellen nacheditiert, nämlich jene, die bei Adlmaier erstmalig so auftauchen und bei denen Abschreibefehler ausgeschlossen sind (Barren => Paaren; kaisert => keifert/heuert; ...).
Der Weg des Liedes von Hingerl zu Adlmaier ist nach wie vor ungeklärt; ebenso, ob es zwischen Hingerl und Adlmaier noch andere Veröffentlichungen des Liedes gab und ob Hingerl überhaupt der Autor des Liedes ist.

Zugrundeliegende Literatur:
Hingerl, Martin: Staffelberg-Sagen und Der alten Linde Sang von der kommenden Zeit. Freising 1920.
Hingerl, Martin: Staffelberg-Kranz. Gedichte von Martin Hingerl. Freising 1925.
Adlmaier, Conrad: Vor 100 Jahren ein prophetisches Gedicht. In: Traunsteiner Nachrichten. Nr. 44 vom 10. Dezember 1949, Seite 9. [Die Strophen 1 bis 5, 9 und 29 bis 33 fehlen in dieser Ausgabe.]
Adlmaier, Conrad: Blick in die Zukunft. Traunstein 1950. [Die Strophen 1 bis 5, 9 und 29 bis 33 fehlen in dieser Ausgabe.]
Adlmaier, Conrad: Blick in die Zukunft. Traunstein 1955.
Adlmaier, Conrad: Blick in die Zukunft. Traunstein 1960.

1.
Alte Linde bei der heil’gen Klamm,
Ehrfurchtsvoll betast’ ich deinen Stamm:
Karl den Großen hast du schon gesehen,
Wann der Größte kommt, wirst du noch stehen.

2.
Dreißig Ellen mißt dein grauer Saum,
Aller deutschen Lande ältster Baum!
Kriege, Hunger schautest, Seuchennot,
Neues Leben wieder, neuen Tod.

3.
Schon seit langer Zeit dein Stamm ist hohl,
Roß und Reiter bargest einst du wohl,

1925: „Roß und Reiter barg er einstens wohl“
Bis die Kluft dir deckte milde Hand,
1925: „Bis die Kluft ihm deckte milde Hand“
1960: „Bis die Kluft dir sacht mit milder Hand“
Breiten Reif um deine Stirne wand.
1925: „Breiten Reif um seine Stirne wand.“

4.
Bild und Buch nicht schildern deine Kron’
Alle Aeste hast verloren schon
Bis zum letzten Paar, das mächtig zweigt,
Blätterfreudig in die Lüfte steigt.

5.
Alte Linde, die du alles weißt,
Teil uns gütig mit von deinem Geist,
Send ins Werden deinen Seherblick,
Künde Deutschlands und der Welt Geschick!

6.
„Großer Kaiser Karl, in Rom geweiht,
Eckstein sollst du bleiben deutscher Zeit:
Hundertsechzig Siebenjahre Frist –

1949: „Hundertsechzig sieben Jahre Frist“
1950: „Hundertsechzig sieben Jahre Frist“
1955: „Hundertsechzig, sieben Jahre Frist“
1960: „Hundertsechzig, sieben Jahre Frist“
Deutschland bis ins Mark getroffen ist.

7.
Fremden Völkern frohnt dein Sohn als Knecht,
Tut und läßt, was ihren Sklaven recht.
Grausam hat zerrissen Feindeshand
Eines Blutes, einer Sprache Band.

8.
Zehr o Magen, zehr von Deutschlands Saft,

1925: „Schröpft, Vampyre, schröpft von Deutschlands Saft“
1949: „Zehr vom Magen, zehr von Deutschlands Saft“
1950: „Zehr vom Magen, zehr von Deutschlands Saft“
1955: „Zehre Magen, zehr vom deutschen Saft“
1960: „Zehre, Magen, zehr vom deutschen Saft“
Bis mit seiner endet deine Kraft:
1925: „Bis mit deutscher endet eure Kraft“
1955: „Bis mit einmal endet deine Kraft“
1960: „Bis mit einmal endet deine Kraft“
Krankt das Herz, siecht ganzer Körper hin, –
Deutschlands Elend ist der Welt Ruin.

9.
Ernten schwinden, doch die Kriege nicht,
Und der Bruder gegen Bruder ficht;
Mit der Sens’ und Schaufel sich bewehrt,
Wenn verloren gingen Flint’ und Schwert.

10.
Arme werden reich des Geldes rasch,
Doch der rasche Reichtum wird zu Asch:
Aermer alle mit dem größern Schatz,

1925: „Ärmer alle mit dem großen Schatz“
1949: „Ärmer alle mit dem größten Schatz“
1950: „Ärmer alle mit dem größten Schatz“
Minder Menschen, enger noch der Platz.

11.
Da die Herrscherthrone abgeschafft,
Wird das Herrschen Spiel und Leidenschaft,
Bis der Tag kommt, wo sich glaubt verdammt,
Wer berufen wird zu einem Amt.

1925: „Wer berufen wird zu hohem Amt.“

12.
Bauer kaisert bis zum Wendetag,

1949: „Bauer keifert bis zum Wendetag“
1960: „Bauer heuert (keifert?) bis zum Wendetag“
All sein Mühn – ins Wasser nur ein Schlag:
1949: „All sein Mühen ins Wasser nur ein Schlag“
1950: „All sein Mühen ins Wasser nur ein Schlag“
1955: „All sein Mühn ins Wasser mit ein’m Schlag“
Mahnerrede fällt auf Wüstensand,
1955: „Mahnwort fällt auf Wüstensand“
1960: „Mahnwort fällt auf Wüstensand“
Hörer findet nur der Unverstand.

13.
Wer die allermeisten Sünden hat,

1949: „Wer die meisten Sünden hat“
1950: „Wer die meisten Sünden hat“
1955: „Wer die meisten Sünden hat“
1960: „Wer die meisten Sünden hat“
Fühlt als Richter sich und höchster Rat. –
Raucht das Blut, wird wilder noch das Tier,
Raub zur Arbeit wird und Mord zur Gier.

14.
Rom zerhaut wie Vieh die Priesterschar,
Schonend nicht den Greis im Silberhaar
Ueber Leichen muß der Höchste fliehn
Und verfolgt von Ort zu Orte ziehn.

15.
Gottverlassen scheint er, ist es nicht;

1949: „Gottverlassen scheint er, ist er nicht“
1950: „Gottverlassen scheint er, ist er nicht“
Felsenfest im Glauben, treu der Pflicht,
Leistet auch in Not er nicht Verzicht,
Femt den Gottesstreit vors nah’ Gericht.

1949: „Bringt den Gottesstreit vor’s nah Gericht“
1950: „Bringt den Gottesstreit vor’s nah Gericht“
1955: „Bringt den Gottesstreit vors nah Gericht“
1960: „Bringt den Gottesstreit vors nah Gericht“

16.
Winter kommt, drei Tage Finsternis,
Blitz und Donner und der Erde Riß.
Bet daheim, verlasse nicht das Haus,
Auch am Fenster schaue nicht den Graus!

17.
Eine Kerz, die ganze Zeit, allein

1949: „Eine Kerz die ganze Zeit alleine gibt“
1950: „Eine Kerz die ganze Zeit alleine gibt“
1955: „Eine Kerze gibt die ganze Zeit allein“
1960: „Eine Kerze gibt die ganze Zeit allein“
Gibt, wofern sie brennen will, dir Schein.
1949: „Wofern sie brennen will dir Licht“
1955: „(Wofern sie brennen will) dir Schein“
1960: „Sofern sie brennen will, dir Schein“
Gift’ger Odem dringt aus Staubesnacht:
1949: „Geist’ger Odem dringt aus Staubesnacht“
Schwarze Seuche, schlimmste Menschenschlacht!

18.
Gleiches allen Erdgebornen droht,
Doch die Guten sterben sel’gen Tod;
Viel Getreue bleiben wunderbar
Frei von Atemkrampf
[1955: Fußnote: „Andere Lesart: Menschenkampf“] und Pestgefahr.

19.
Eine große Stadt der Schlamm verschlingt,
Eine andere mit dem Feuer ringt.
Alle Städte werden totenstill,
Auf dem Wiener Stephansplatz wächst Dill.

20.
Zählst du alle Menschen in der Welt,
Wirst du finden, daß ein Drittel fehlt, –
Was noch übrig, – schau in jedes Land –
Hat zur Hälft verloren den Verstand.

21.
Wie im Sturm ein steuerloses Schiff
Preisgegeben einem jeden Riff,
Schwankt herum der Eintagsherrscherschwarm,

1949: „Schwankt herum der Eintag-Herrscher Schwarm“
1950: „Schwankt herum der Eintag-Herrscher-Schwarm“
1955: „Schwankt herum der Eintags-Herrscher-Schwarm“
Macht die Bürger ärmer noch als arm.

22.
Denn des Elends einz’ger Hoffnungsstern –
Eines bessern Tages – ist endlos fern.
„Heiland sende, den du senden mußt“,
Tönt es angstvoll aus der Menschenbrust.

23.
Nimmt die Erde plötzlich andern Lauf?
Steigt ein neuer Sonnenstern herauf?

1949: „Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf?“
1950: „Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf?“
1955: „Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf?“
1960: „Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf?“
„Alles ist verloren!“ – hier noch klingt,
„Alles ist gerettet!“ – Wien schon singt.

24.
Ja von Osten kommt der starke Held,
Ordnung bringend der verwirrten Welt,
– Weiße Blumen um das Herz des Herrn –
Seinem Rufe folgt der Wackre gern.

25.
Alle Störer er zum Barren treibt,

1949: „Alle Störer er zu Paaren treibt“
1950: „Alle Störer er zu Paaren treibt“
1955: „Alle Störer er zu Paaren treibt“
1960: „Alle Störer er zu Paaren treibt“
Deutschem Reiche deutsche Rechte schreibt.
1955: „Deutschem Reiche deutsches Recht er schreibt“
1960: „Deutschem Reiche deutsches Recht er schreibt“
Bunter Fremdling, unwillkomm’ner Gast,
Flieh die Flur, die nicht gepflügt du hast.

1955: „Flieh die Flur, die du gepflügt nicht hast“
1960: „Flieh die Flur, die du gepflügt nicht hast“

26.
Gottesheld, ein unzerbrechlich Band
Schmiedest du um alles deutsche Land!
Den Verbannten führest du nach Rom,

1925: „Den Verbannten führst du heim nach Rom“
Große Kaiserweihe schaut ein Dom.
1925: „Große Königsweihe schaut ein Dom.“
1949: „Große Kaiser schaut der Dom“
1950: „Große Kaiser schaut der Dom“

27.
Preis dem einundzwanzigsten Konzil,
Das den Völkern weist ihr höchstes Ziel
Und durch strengen Lebenssatz verbürgt,
Daß nun Reich und Arm sich nicht mehr würgt.

28.
Deutscher Name, der du littest schwer,
Wieder glänzt um dich die alte Ehr,
Wächst um den verschlung’nen Doppelast,
Dessen Schatten sucht gar mancher Gast.

29.
Dantes und Cervantes’ weicher Laut

1955: „Dantes und Cervantes welsche Laut“
1960: „Dantes und Cervantes welscher Laut“
Schon dem deutschen Kinde ist vertraut,
1955: „Schon dem deutschen Kinde sind vertraut“
Und am Tiber- wie am Ebrostrand
1955: „Und am Tiber- und am Ebrostrand“
Singt der braune Freund von Herrmanns Land.
1955: „Liegt der braune Freund vom Herrmannsland“
1960: „Liegt der braune Freund von Herrmannsland“

30.
Wenn der engelsgleiche Völkerhirt
Wie Antonius zum Wandrer wird,
Den Verirrten barfuß Predigt hält,
Neuer Frühling lacht der ganzen Welt.

31.
Alle Kirchen einig und vereint,
Einer Herde einz’ger Hirt erscheint.
Halbmond mählich weicht dem Kreuze ganz,
Schwarzes Land erstrahlt im Glaubensglanz.

1925: „Heidenland erstrahlt im Glaubensglanz.“

32.
Reiche Ernten schau ich jedes Jahr,
Weiser Männer eine große Schar,
Seuch’ und Kriegen ist die Welt entrückt:

1955: „Seuchen, Kriege sind der Welt entrückt“
Wer die Zeit erlebt, ist hochbeglückt.

33.
Dieses kündet deutschem Mann und Kind,
Leidend mit dem Land die alte Lind’
Daß der Hochmut mach’ das Maß nicht voll,
Der Gerechte nicht verzweifeln soll.“

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Gesamter Strang: