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III/31: Niedergang und Ende des Osmanischen Reiches (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 30.09.2020, 20:31 (vor 1275 Tagen) @ Malbork (1139 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 30.09.2020, 20:42

Hallo!

An zufällig auf aktuelles Weltgeschehen passende geographische Namen anzuknüpfen, ist bei Nostradamus in der Regel nicht zielführend.

Der Vers bezieht sich wohl auf den Niedergang des Osmanischen Reiches, den Nostradamus in drei Schritten nachvollzieht. Danach kommt eigentlich nichts mehr, da dieses Kapitel geschlossen ist.

III/31
Aux champs de Mede, d’Arabe & d’Armenie,
Deux grans copies trois fois s’aſſembleront:
Pres du riuage d’Araxes la meſgnie,
Du grand Soliman en terre tomberont.

Auf den Feldern Mediens1, Arabiens und Armeniens,
Zwei große Heere versammeln sich dreimal.
Nahe den Ufern von Aras2 die Vereinigung3,
Des großen Soliman zu Boden fällt.

1 Frz. „Mède“ = „Medien“, eine Region im antiken Persien.
2 „Araxes“ ist der antike Name des Flusses Aras in der Osttürkei.
3 Das altfranzösische „mesnie“ von lat. „mansionata“ („Haushalt“) bezeichnet eine Gemeinschaft von Menschen, die unter einem Dach zusammenleben, ungeachtet des Bestehens einer Blutsverwandtschaft. Im Bezug auf Politisches, wie es hier gemeint ist, meint es wohl den Zusammenschluß verschiedener Menschen oder Volksgruppen in einer übergeordneten Organisation.

Z. 1: Der grobe geographische Raum, den das Osmanische Reich umfaßte: Das antike Medien im Westen des heutigen Irans, das sich in seiner größsten Ausdehnung aber von Anatolien bis Indien erstreckte. Der arabische Raum als der Südteil des Osmanischen Reiches und Armenien an dessen Nordgrenze.
Z. 2: Schlüsselpunkte des Niedergangs des Osmanischen Reiches waren jeweils Schlachten (zwei Heere versammeln sich), und zwar dreimal:

  • Belagerung Wiens 1683. Hierzu muß eigentlich kein Wort verloren werden.
  • Der russisch-türkische Konflikt, insbesondere der Krieg von 1768–1774, infolge dessen die Türken ihre Machtstellung nördlich des Kaukasus und im Schwarzen Meer einbüßten, und der Krieg von 1828–1829, der beinahe in der Befreiung Konstantinopels endete. Die Russen standen nur wenige Kilometer vor der Stadt. Auf den Straßen brach Panik aus.
  • Der Erste Weltkrieg (Kriegsschauplatz war hier u. a. Arabien, Stichwort Lawrence von Arabien) und der daran anschließende Türkische Befreiungskrieg, der mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches und der Entstehung der heutigen Türkei endete.

Z. 3: Araxes ist tatsächlich der Aras im türkisch-armenischen Grenzgebiet. Mit Bezug auf das Ende des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg bezieht sich die Nennung gerade dieses Flusses womöglich auf den Völkermord an den Armeniern 1915/16, wahrlich keine Sternstunde der Türken. Dem Weltkriege schloß sich außerdem unmittelbar der Türkische Befreiungskrieg an, bei dem es unter einigen anderen Punkten darum ging, Gebietsverluste der Resttürkei an den neuentstandenen armenischen Staat zu verhindern. Der Krieg schloß mit dem Vertrag von Lausanne, durch den die Türkei in ihrer heutigen Form konsolidiert wurde. "Nahe den Ufern von Aras" steht wohl pars pro toto für das nahegelegene türkische Kernland, um das es hierbei vor allem ging. Die "Vereinigung des großen Soliman" (das Osmanische Reich mit allen unterworfenen Nationen) war damit endgültig Geschichte.
Z. 4: Offensichtlich Süleyman I., ein Zeitgenosse des Nostradamus (sie haben sogar das selbe Todesjahr), unter dem das Osmanische Reich seine geographisch größte Ausdehnung erreichte. Die Nennung Süleymans (einer der wenigen Klarnamen in den Centurien!) macht klar, daß der Vierzeiler vom Ende dessen Reiches handelt, nicht irgendeines Nachfolgestaates.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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