Der Musiker meldet sich zu Wort (Freie Themen)

Frank Zintl @, Lund, Donnerstag, 30.07.2020, 10:34 (vor 1364 Tagen) @ Taurec (810 Aufrufe)

Hallo

Die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik ist in der Fachwelt umstritten
und eigentlich völlig unbrauchbar. Es gibt keine objektiven und normativen
Kriterien, ein bestimmtes Musikstück eindeutig der einen oder anderen Sparte
zuzuordnen.

Es gibt einen Konsensus, nach dem z.B. die "Musikantenstadel"-Musik eindeutig
mit dem hohen künstlerischen Anspruch der "E-Musik" rein gar nichts zu tun
hat. Um ein Beispiel zu nenne, wo die Unterscheidung vielleicht Sinn macht.

Ansonsten erscheint mir die Unterscheidung "apollinisch-dionysisch" von Nietzsche
sinnvoller, denn sie wertet nicht.

Es gibt in der "U-Musik" Perlen mit künstlerischen Qualitäten, und es gibt und
gab auch in der "E-Musik" flache Massenproduktion für den Augenblick.

Die Unterscheidung entstand erst, als sich im frühen 19. Jahrhundert Musiker von
der klassischen Richtung abnabelten und sich auf leichte Unterhaltungsmusik
spezialisierten. Zu nennen ist da repräsentativ die Gründung reiner Tanzorchester
in Wien um 1830 - die Orchester von Lanner und Johann Strauss Vater.

Noch Beethoven und Schubert hatten sowohl die E-Musik als auch die U-Musik mit
Werken bedacht, weshalb ihnen die Unterscheidung auch sinnlos vorgekommen wäre.

Mal abgesehen von offensichtlichen musikalischen Eintagsfliegen wie den Schlagern
der volkstümlichen Branche ist die Unterscheidung zwischen E-Musik und U-Musik
gekünstelt.

Wenn wir mal etwas zurückgehen in die Glanzzeit des Swing und der grossen Tanz-
orchester der 40-er bis 70-er, so finden wir im Repertoire dieser Ensembles
Stücke, die nach den gleichen Satzregeln - und oft sehr raffiniert - geschrieben
sind wie die Werke der Klassiker. Glenn Miller oder auch Deutsche wie Bert
Kaempfert waren echte Könnner der Komposition und des Arrangements. Sie konnten
die alten Regeln aus dem FF und wandten sie nutzbringend an. Deshalb leben ihre
Stücke auch heute noch.

Umgekehrt: wen interessiert heute noch die 33. Symphonie von Carl Stamitz oder das
27. Streichquintett von Boccherini ?

Angemerkt: ich kenne diese Werke selbst nicht, aber diese Komponisten haben so viel
geschrieben, dass die Werke vermutlich existieren.

Es hat immer musikalische Massenware gegeben, und bislang hat nahezu jede Stilrichtung
auch "Perlen" hervorgebracht.

Im späten 19. Jahrhundert gab es Befürchtungen, dass der Wagner-Stil die Musik ins
Verderben fuhren würde. Aber das geschah nicht. Wagner hatte keine direkten Nachfolger.

Frank


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