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Problematik der "Weltenwende" (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 28.11.2019, 13:45 (vor 1604 Tagen) @ Malbork (2044 Aufrufe)

Hallo!

Es gab immer wieder in den letzten 16 Jahren Zeitraeume, in denen man dachte, "...aber JETZT geht es langsam looos..." und nichts geschah.

Eine Frage der Einstellung und der Perspektive auf die Dinge.
Denkt man zu klein oder denkt man in großen, historischen Maßstäben?

Vor allem in der Prophezeiungsszene ist man eigentlich kleingeistig auf einen Fahrplan aus Vorzeichen und Ereignissen fixiert, den man meint, kurz- und mittelfristig abhaken zu können. Der axiomatische Ausgangspunkt ist bei den meisten die Naherwartung, die sich (ob die Leute es merken oder nicht) aus der religiösen Grundannahme eines allzu nahen Weltendes in den apokalyptischen Religionen des Nahen Ostens ableitet. Das Thema Prophezeiungen liefert keine echten Zukunftsinformationen, sondern nur auf dieses unbegründete Dogma hin konstruierte Szenarien, die natürlich nicht erst seit 16 Jahren nicht stimmen, sondern seit Jahrtausenden.

Nachdem die meisten sich nie wirklich selbstkritisch von den Ideen lösen werden, über die und aufgrund derer sie zum Thema kamen, wird man es mit Prophezeiungen als Säule der Betrachtung auch in Zukunft nicht schaffen, irgendeine sinnvolle und zutreffende Zukunftsprognose zu stellen.
Leider sind auch viele nicht dazu in der Lage oder willens, echte Schauungen von Prophezeiungen konsequent zu unterscheiden, so daß es im Allgemeinen wohl dabei bleiben wird, daß unhinterfragt Falsches geglaubt wird, nur weil es einem jemand als Zukunftsschau darstellt. Die Leute befinden sich in einer Filterblase, in der sie sich selbst betrügen und in ihren Auffassungen bestärken, ohne sie zu hinterfragen.
Für die tatsächlichen historischen Entwicklungen fehlt dadurch der Blick. Sie werden nur insofern wahrgenommen, als sie in das vorgefertigte prophetische Szenario passen. Beispielsweise wird, was sich später als wirtschaftliche Delle erweist, als Beginn des finalen Krachs mißinterpretiert und in kurzsichtige Endzeitszenarien eingebaut, das Geplänkel zwischen Großmächten zum Auftakt des letzten Krieges überhöht usw. Natürlich geht man mit solchen Spekulationen immer in die Irre.

Hat jemand andere Ideen oder kann feststellen, dass das Thema "Weltenwende" ein totaler Schuss in den Ofen war? (16 Jahre Zeitverschwendung aus meiner Sicht)

Daß wir in der Epoche eines historischen Umbruchs stehen, der die Gestalt der nächsten Jahrhunderte (oder Jahrtausende) bestimmt, belegt sich schon durch Beobachtung der Vorgänge auf diesem Planeten und deren Inbezugsetzung zum voraufgegangenen Zeitalter der "traditionellen Welt". Was in den Jahrtausenden Gültigkeit hatte, ehe im Abendland Humanismus, Aufklärung, Wissenschaft & Technik, kurz die "Menschheitsreligion"* das Steuer zu bestimmen begannen und den ganzen Globus miteinbezogen, spielt heute anscheinend keine ausschlaggebende Rolle mehr. Wir befinden uns inmitten eines Vorganges, der alle Völker und Kulturen auf Erden entwurzelt, aufzulösen scheint und die Grundlagen des menschlichen Lebens an sich in Frage stellt. Das Bevölkerungswachstum droht alle Grenzen schlicht einzudrücken und es gibt kein Volk mehr, das auf einer tragfähigen Überlebensgrundlage stünde und nicht von der zweifelhaften und vernutzenden Maschinerie der globalisierten Wirtschaft abhängig wäre.

Eine erschöpfende Lagebeschreibung ist in der Kürze eines Beitrages gar nicht möglich. Es ist eine wahre Zäsur, die in der gesamten bekannten Geschichtsschreibung ihresgleichen sucht. Man müßte schon in der Mythologie, bei der Götterdämmerung, der Sintflut, Atlantis oder dem mysteriösen genetischen Flaschenhals in der Vorgeschichte suchen, um eine Ahnung dessen zu bekommen, was gerade abläuft. Die Ereignisse vollziehen sich aber nicht binnen weniger Jahre, wie es der enge Fokus der Prophezeiungsgläubigen erwartet, sondern spannen einen großen Bogen, der über mehrere Jahrhunderte verläuft. Was geschieht, baut auf vorangegangenen Stufen der historischen Umwälzung auf und zieht weitere nach sich. Bislang hat sich gezeigt, daß jeder Schritt abwärts (z. B. von der Auflösung der Monarchien bis zur heutigen Auflösung der Nationalstaaten, aber auch in allen anderen kulturellen, spirituellen, sozialen, ökonomischen etc. Bereichen) nur vorläufig war und sich nach einer begrenzten Phase der Stabilität weitere Auflösungsstadien über Zwischenzäsuren anschlossen. Das Ganze geht aus Sicht eines Menschenlebens zugleich merklich wie quälend langsam vonstatten. Wie dieser Vorgang weiter verlaufen wird, was seine eigentlichen Ursachen sind (Stichwort: Plan vs. zyklische Gesetzmäßigkeit), was an seinem Ende steht und welche Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten wir als Einzelne oder als Volk dabei haben, ist meines Erachtens noch lange nicht hinreichend geklärt. Sieht man sich die einschlägigen Foren an (nicht nur die Prophezeiungsforen, sondern z. B. auch das Gelbe oder Kommentare auf Blogs wie Sezession), scheinen ängstliche und mit gealterten Glaubenssätzen hantierende Spekulationen oder fassungslose Zustandsbeschreibungen vorzuherrschen, für deren Einordnung offenbar die richtigen Begriffe fehlen. Jeder sitzt auf einer weltanschaulichen Scholle, die irgendeinen alten Zustand konserviert und lediglich Teilaspekte unserer Zeit erklärt, also nicht befriedigt und auch keine Lösung bietet.

Das Thema "Weltenwende" oder (weniger religiös umnebelt) "Zeitenwende" ist also nicht erledigt. Ich halte es inzwischen aber für ausgeschlossen, diese Probleme mit einem Ansatz und in einem Forum anzugehen, bei welchem Prophezeiungen und Schauungen das Kernthema bilden, statt als einzubeziehender Faktor von der Seitenlinie her zu dienen.

* Eine den Menschen und dessen materielles Wohlergehen auf Erden ins Zentrum stellende Weltanschauung im Gegensatz zu einer auf das Göttliche und die geistige Welt gerichteten Spiritualität, die den Menschen als einen Teil der Schöpfung statt deren apotheotischen Gipfel sieht.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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