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Methodik (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Freitag, 18.10.2019, 19:55 (vor 1650 Tagen) @ Flohherberge (1824 Aufrufe)

Hallo!

Flohherberge spekuliert: Es gibt (generell) keine verunreinigt gewordene Schauungsgabe. Wenn sie mittlerweile verunreinigt erscheint, dann war sie es schon immer.

Wie kommst Du denn darauf? Daß mit wachsendem Wissen die "Unschuld" flöten geht, ist eigentlich einleuchtend. Auch die intuitive Genialität eines Kindes geht mit Alter, zunehmender Erfahrung und Verstrickung in Sachzwänge bei den meisten Menschen flöten. Der Vorgang läßt sich auf Schauungen sinngemäß übertragen, weil es sich um einen allgemeinen Lebensvorgang handelt.

Die Frage, die sich mir bei der objektiven Beurteilung eines Sehers stellt, ist aber: Wie objektiv urteilt man tatsächlich? Wenn man dem Seher beispielsweise Wunschdenken, Erwartungshaltung oder Selbstbezogenheit unterstellt, halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass man dabei eigene Persönlichkeitsanteile in diesen Vorwurf projiziert. Die Projektion eigener Schwächen auf andere, zu beurteilende Menschen ist ein gängiger psychologischer Mechanismus, der unser Denken, Reden und Handeln gegenüber den Mitmenschen mehr beeinflusst als wir glauben. Wer also einen Seher wirklich und nicht nur scheinbar objektiv beurteilen will, muss daher als allererstes sich selbst und seine Motive, wenn nicht gar seine ganze Persönlichkeitsstruktur auf Integrität prüfen. Inwiefern eine solche Selbstdiagnose bei dir stattgefunden hat, weiß ich nicht - ich kenne noch zu wenige Beiträge von dir, um hierzu eine signifikante Aussage machen zu können. Dass du dieses Forum schon lange administrierst, mag ein Indiz dafür sein, dass deine Objektivität von hoher Wertigkeit ist.

Dieses Küchenpsychologisieren auf Hausfrauenniveau mit dem Ziel, den Spieß umzudrehen, zieht hier allerdings nicht. Ich habe Goran nicht pauschal Wunschdenken, Erwartungsaltung und Selbstbezogenheit unterstellt, sondern sehr konkret gemutmaßt, daß sich sein Glauben an die Wahrheit der Prophezeiungen, über die er erkleckliche Kenntnis besitzt, in Träumen wiederspiegelt, die seine eigene vermeintliche Zukunft in diesem Szenario thematisieren. Aufgrund dessen bezeichnet er seine Träume womöglich vorschnell als Schauungen, worin ihm seine Anhängerschaft freilich zu folgen gewillt ist.
Die grundsätzliche Problematik, daß sich eigene Kenntnisse in Träumen wiederspiegeln könnten, ist durch solche auf die Person des Kritisierenden zielenden Unterstellungen nicht aus der Welt geschafft.

Wer also einen Seher wirklich und nicht nur scheinbar objektiv beurteilen will, muss daher als allererstes sich selbst und seine Motive, wenn nicht gar seine ganze Persönlichkeitsstruktur auf Integrität prüfen.

Hier verstrickst Du Dich in einen Widerspruch. Du schreibst: "kein Mensch kann sich selber und seine Wahrnehmung objektiv beurteilen". Zugleich soll man "seine ganze Persönlichkeitsstruktur auf Integrität prüfen" können.
Ich werde solchen Einlassungen nicht folgen, geschweige denn darauf eingehen, die es nicht schaffen, einen stringenten und durchdachten Gedankengang darzulegen.

Für die Einführung eines Sehers als solchen mag meines Erachtens die Selbstdeklarierung eines Sehers als solchen ausreichend sein.

Aus genannten Gründen ist sie es nicht.

Zu Ganns Argumenten:

Argument 1 ("Ein Seher, der in der Vergangenheit bereits Treffer hatte, wird auch in der Zukunft richtig liegen") würde ja auf Goran zutreffen, da er ja laut deiner Aussage im obigen Beitrag zutreffende Schauungen in den 90er Jahren hatte. Deine jetzige Haltung zu Gorans Schauungen (seine Schauungsgabe wurde verunreinigt) widerspricht sich also mit Argument 1. Hingegen findet sich meine These (einmal Seher, immer Seher - bzw. keinmal Seher, niemals Seher) in Argument 1 wieder.

Es handelt sich um Merkmale die idealerweise alle drei zutreffen. Argument 1 macht eine Person grundsätzlich als Seher erkennbar, was noch nichts über die Qualität einzelner Schauungen aussagt. Hierfür sind die anderen Argumenten dienlich.

Argument 2 ("Wenn mehrere unabhängige präkognitive Eindrücke (d. h. vom mehreren Sehern) übereinstimmen oder sich ergänzen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß sie ein tatsächliches zukünftiges Ereignis zeigen.") wird durch die hiesige wohlbekannte Ablehnung des sogenannten "Prophezeiungskanons" geradezu mit Füßen getreten. Ich kritisiere hier wohlgemerkt nicht die vehemente Ablehnung des Prophezeiungskanons (ich glaube keineswegs an diesen Kuhmist), sondern die Inkonsistenz in der Argumentationsweise und die reductio ad absurdum des 2. Gann'schen Arguments.

Hier mißachtest Du (sträflich) den Unterschied zwischen Schauungen und Prophezeiungen. Eine Ähnlichkeit zu nachgewiesenen Fälschungen und religiösen Irrationalitäten ist freilich ein Argument gegen die Glaubwürdigkeit einer Wahrnehmung, wohingegen die Deckung mit anderen mutmaßlich echten Schauungen diese wiederum stützt.

Mutmaßlich echte Schauungen können, wie gesagt, Pluspunkte im Bereiche aller drei Argumente sammeln, so daß die gegenseitige Stützung nicht als Hauptargument gilt.
Die Quellen des Prophezeiungskanons scheitern übrigens in der Regel bei den Argumenten 1 und 3, da häufig weder Seherpersonen und Treffer nachweisbar sind, noch irgendeine Realitätsähnlichkeit die zum Zeitpunkt der frühsten Veröffentlichung nicht bereits gegeben gewesen wäre. Stringent angewendet ließen sich durch Ganns Argumente mit geringer Fehlerquote auch Schauungen und Prophezeiungen voneinander scheiden.

Argument 3 ("Wenn Gegebenheiten in einer Schau, z. B. technische, physikalische, soziale, geographische Details usw., die dem Seher unbekannt waren, in der Schau richtig gezeigt wurden, ist anzunehmen, daß die Schau ein tatsächliches Ereignis zeigt. Die Realitätsähnlichkeit nimmt auch zu, sobald Teile einer Schau eintreffen, z. B. die Neubauten im Dorf des Waldviertlers in der Funkenregenschau, die neu geborenen Kinder in derselben oder die Neubauten in ITOmas Pasing-Schau.") wird bei den hier zitierten Beispielen als erfüllt angesehen, was mir jedoch mehr auf Hysterie nach dem Motto "Gib uns ein Zeichen, oh Herr, oh seht nur... seine Sandale, seine Sandale!" zu beruhen scheint. Neubauten und neugeborene Kinder in Träumen/Visionen/Schauungen sind doch wohl eher der Kategorie "Brians Sandale" zuzurechnen und keine Indikatoren einer validen Zukunftsschau. Neue Häuser wird es in jeder Stadt und in jedem Dorf irgendwann geben und Leute werden künftig auch nahezu überall neugeborene Kinder bekommen.

Diese Einlassung ist nicht stichhaltig. Es wurden nicht irgendwelche Häuser und irgendwelche Kinder gesehen, sondern spezifische Gebäude und Personen, die später wie gesehen eintraten.

Ich empfehle hier mehr analytisches Strukturieren der Gedankengänge und mehr Leidenschaftslosigkeit des Urteilsvermögens. Subjektives Herantasten und unklare Linienführung aufgrund emotionaler Voreingenommenheit bringen uns doch bei diesem Thema nicht weiter.

Ein etwas schlüssigerer und weniger verdrehender Aufbau Deiner Gedankengänge würde Dir indes gut tun.

Auch würde es nicht schaden, meine vielen alten Beiträge zu lesen, damit nicht wieder alles ad nauseam von vorne erklären muß. Hier eine noch immer sehr unvollständige Sammlung, für den Anfang.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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