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Damaliger und heutiger Materialismus (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Freitag, 06.09.2019, 10:12 (vor 1656 Tagen) @ Luzifer (1529 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Freitag, 06.09.2019, 10:18

Hallo!

Warum steht sowas in einem Text, der spätestens 100 bis 200 Jahre nach Christus nachgewiesen ist. Materialismus war für die damaligen Menschen kein Thema. Jeder glaubte in irgendeiner Form an Dinge hinter den Dingen.

Das denke ich eigentlich nicht. Die antike (griechisch-römische) Welt befand sich im Kulturzyklus damals auf einer vergleichbaren Stufe wie wir heute: weitgehende Verstädterung der Lebensweise, Entwurzelung der Massen, die sich in den Städten drängten, Konsummaterialismus (Brot und Spiele). Das Leben drehte sich um alltägliche Bedürfnisbefriedigung in einer Welt, die keine Bestimmung mehr hatte. Das "Ende der Geschichte" war mit der Pax Romana angebrochen. Im Römischen Weltreich etablierte sich der "letzte Mensch". Die Traditionen wurden nicht mehr ernstgenommen. Die Spiritualität ließ nach, bzw. wurde in ihrem Wesen nicht mehr verstanden, stattdessen "Modephilosophien" und eklektische Weltanschauungen, die nach Geschmack aus verschiedenen Quellen zusammengeschustert wurden, um das Bedürfnis nach Metaphysik und Geheimnisvollem emotional reizend zu befriedigen. Das ist die reine rationalistische Oberflächlichkeit und ebenso dem Materialismus zuzuordnen.
Ähnlich wie heute die verwestlichte Lebensweise global auf andere Kulturkreise austrahlt, stand die erwachende "magische Kultur" in der Levante und Arabien unter dem Bann dieser geistfeindlichen Lebensform und mußte sich ihrer erwehren, um selbst gedeihen zu können. Sätze wie jene des Thomasevengeliums sind wohl aus dieser Lage heraus zu verstehen und haben auch heute (wieder) eine Bedeutung, weil wir uns in einer vergleichbaren Lage befinden. Es war eine Antwort auf den Materialismus der Zivilisation, der immer dort wiederkehrt, wo eine Kultur ihren Zyklus beendet hat. Daher das seltsame Gefühl, daß diese Sätze eigentlich für uns geschrieben wären. Sie formulieren Antworten oder stellen wenigstens die richtigen Fragen für Menschen, welche die Lage wengistens instinktiv begriffen haben.

Gut die Naturphilosophen der Antike suchten weltliche Erklärungen für Phänomene der Natur, ich bin da kein Experte, nur wird der Glaube an das Primat der Materie eine Minderheitenmeinung gewesen sein, wenn diese Gedanken überhaupt gedacht worden sind, damals.

Es wahr wohl eine Minderheitenmeinung der Gelehrten, etwa in Form des hedonistischen Epikurismus, der in der Spätantike in gebildeten Kreisen weit verbreitet war.
Den Durchschnittsmenschen zeichnete indes aus, daß er zu solchen Fragen überhaupt keine Position hatte, weil er sich dazu gar keine Gedanken machte. Ähnlich wie der heutige Normalbürger lebten die Menschen gedankenlos in den Alltag hinein und pflegten im Praktischen eine materialistische Lebensweise, ohne sich je bewußt dafür entschieden zu haben. Von den Göttern hatten sie ein vergleichbar diffuses Bild wie der heutige Mensch von der Dreifaltikeit, Engeln und den Heiligen. Geschichten darüber wurden noch erzählt, aber nicht mehr innerlich nachempfunden. Desgleichen wurden die Riten noch vollzogen, z. B. Opferungen in den Tempeln und die Feiertage. Es waren aber rein mechanische Wiederholungen, die getätigt wurden, weil sie im Kalender standen. Das Feiern stand im Vordergrund, nicht mehr aber die heilige Bedeutung dieser Feste. Ähnlich ist es heute mit den christlichen Feiertagen, deren äußere Hülle noch praktiziert wird. Die ganzjährig beinahe leeren Kirchen sind zu Weihnachten gefüllt und das Fest wird als "Familienfest" begriffen, da einmal alle zusammenkommen, die ansonsten einsam vor ihren Bildschirmen sitzen. Damit steht eine Nebenbedeutung im Zentrum. Der Sinn für das Individuum überdeckt den allgemeinen, aber vergessenen religiösen Gehalt.

Das ist die "Armut", die im Thomasevangelium gemeint ist. Der Verfasser wundert sich, was der Geist in einer stofflichen Welt zu suchen hat, die sich ohne die spirituelle Dimension derart armseelig und letztlich tot darstellt.

Da steht das Logion 29 und ich kann mir nicht helfen, das ist für mich keine Botschaft an die Menschen der damaligen Zeit. Auf uns heute passt es aber perfekt.

Es paßte damals und paßt heute wieder. Dazwischen war es ebenso wahr, stellte aber kein grundsätzliches Problem dar, sondern eher eine Selbstverständlichkeit.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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