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Vollmonde im Mai 1874 (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Dienstag, 04.06.2019, 09:15 (vor 1786 Tagen) @ Ulrich (893 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Dienstag, 04.06.2019, 09:37

Danke, Ulrich!

Falls es nur ums Rechthaben gehen sollte (schlimm genug): Auch im o.g. Text genannte Kommentatoren verstehen die fragliche Textstelle als "ein Mai mit zwei Vollmonden", weisen jedoch darauf hin, daß es sich sowohl bei diesem "Mai mit zwei Vollmonden" als auch bei dem "Regenbogen des Friedens" ganz offensichtlich um Naherwartungen hinsichtlich des Jahres 1874 handelte (Fußnoten 40 und 41), die nicht eintraten >>> Tonne.

Das ist beachtlich. Tatsächlich gab es 1874 zwei Vollmonde im Mai, siehe hier.
Wer sich die Mühe macht, die Jahre durchzuklicken bzw. nach den Daten dieses als "Blue Moon" bekannten Phänomens zu recherchieren, kommt zu der Einsicht, daß es im Blütenmonat Mai nach 1874 im 19. Jahrhundert nicht mehr vorkam, dannach nur noch 1912, 1931, 1950, 1969 und 1988.

Der angebliche prophetische Traum stammte vom 5. Januar 1870. Die zeitliche Nähe zu 1874 legt einen Bezug darauf nahe.

Der Text selbst enthält keine brauchbare Sachinformation zu einem realen Geschehen und ist weitgehend nichtssagend, so daß es eigentlich keinen Anlaß gibt, ihn auf Zukünftiges zu beziehen statt ihn als eine Anklage zeitgenössischen Geschehens anläßlich der Gründung des italienischen Nationalstaates und Beschränkung der weltlichen Macht der Kirche 1870 zu begreifen. Wesentliche Merkmale:

  • Klage, daß Italien vom Glauben abgefallen sei.
  • Androhung der obligatorischen göttlichen Standardstrafen Hunger, Pest, Krieg.
  • Anklage des undankbaren, verweichlichten, hochmütigen Roms, das weltliche Macht vergötze statt Golgathas (der Kirche).
  • Ankündigung vierer Strafgerichte betreffend das Land (Italien), die Stadt selbst bis an die Mauern, dann auch innerhalb der Mauern und, wenn sich die Unzüchtigen nicht zum wahren Glauben bekehren, schließlich ein allgemeines Massaker und die Zerstörung. Dabei klagt "Gott" aus Don Boscos Munde auch die Priester an, die keine Anstrengungen unternähmen, das Strafgericht abzuwenden.
  • Dann wechselt der Autor merkwürdigerweise die Erzählperspektive. Während zuvor Gott selbst sprach (z. B. "la mia legge è tuttora calpestata" = "Mein Gesetz wird mit Füßen getreten."), ist am Schluß von ihm in der dritten Person die Rede. (z. B. "Riveste il Venerando Vecchio di tutti i suoi antichi abiti." = "Er kleidet den ehrwürdigen Greis in seine alten Gewänder.") Diese Passage enthält auch die Vorhersage, daß die Geschehnisse bis zum Eintreten der beiden Vollmonde im Blütenmonat (also bis Mai 1874) vorüber seien und die Macht der Kirche somit wiederhergestellt. Offenbar eine Inkonsistenz in der Abfassung des Textes, durch welche der Autor Don Bosco versehentlich den Blickwinkel ändert. Das deutet darauf hin, daß es sich mitnichten um ein Diktat aus übergeordneten Sphären (also eine echte Durchgabe), sondern um einen konstruierten Text handelt. Diesen Fauxpas kennen wir auch aus der Hepidannusfälschung, wo ebenfalls die Erzählperspektive gewechselt wird, wodurch sich der Fälscher neben vielen anderen Unstimmigkeiten verrät.


Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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