Zinsen sind nur ein Teil des Problems (Freie Themen)

Ranma, Samstag, 17.11.2018, 14:31 (vor 1949 Tagen) @ dziamdzia (2419 Aufrufe)

Hallo!

Bei den üblichen Annuitäten-Darlehen für Hausfinanzierungen ist die Zinsperiode monatlich.
Bei Unternehmens- und Staatsanleihen sind unterschiedliche Zinsperioden, z.B. halbjährliche Zahlung, üblich. Eine größere als 1 Jahr habe ich noch nie gesehen. Macht auch aus den von Dir genannten Gründen keinen Sinn, da die Entschädigungs-/Absicherungsfunktion des Zins damit in der Tat ad absurdum geführt würde.

Es bedarf hier offensichtlich einiger Definitionen. Zins ist nämlich nicht gleich Zins. Entschädigung und Absicherung beziehen sich auf eine historische, heute obsolete, Form des Zinses. Abgesichert wird heute durch die Hinterlegung von Sicherheiten. Dieser Name besagt das schon. Entschädigt wird nur dort, wo zuvor Schaden entstanden ist. Das ist bei Anleihen nicht der Fall.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Schuldner sofort nach Vereinbarung des Kredits pleite geht - dann hätte der Gläubiger seine Hausaufgaben nicht gemacht und die Kreditfähigkeit nicht ausreichend geprüft.

Bei Wagniskapital ist ein baldiger Bankrott durchaus wahrscheinlich. Genau deshalb heißt es Wagnis. Ein Wagniskapitalgeber gilt in unserem System wirklich als jemand, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Deshalb ist Wagniskapital so gut wie garnicht zu bekommen. Deshalb lassen sich nur wenige neue Unternehmen gründen. Deshalb wiederum ist es für unsere Volkswirtschaft verheerend, wenn vorhandene Unternehmen durch Bankrott ausfallen.

Also fallen dann doch einige Monate oder Jahre an, in denen der Zins kassiert werden kann. Bei riskanten Schuldnern mit niedriger Kreditwürdigkeit und entsprechend hohen Zinsen kann das locker der kompletten Darlehenssumme entsprechen.

Bei neugegründeten Unternehmen wäre es sehr sinnvoll, wenn die Zinszahlungen ein paar Jahre aufgeschoben würden, weil man sonst die Zinsen von der Kreditsumme bezahlen muß. So verursacht der Gläubiger den Ausfall des Kredits. Das scheint in unserem System jedoch egal zu sein, hauptsache, es entstehen keine neuen Unternehmen.

Wer der ebenfalls strauchelnden Commerzbank Geld leihen will, kommt derzeit auf ca. 3% Zins und beim Energieversorger EON auf ca. 0,4%. Es ist offensichtlich, dass Zins und Risiko miteinander korrelieren.

Das ist sowohl offensichtlich als auch sehr merkwürdig, weil Kredite heutzutage durch hinterlegte Sicherheiten abgesichert werden. Banken fordern sogar noch nach, falls der sogenannte Wert (also der erzielbare Verkaufspreis) der Sicherheiten sinken sollte.

Siehe auch die gerade rapide steigenden Zinsen für italienische Staatsanleihen aufgrund der Defizit-Streitereien mit der EU.

Für Staatsanleihen können andere Regeln gelten. Es ist nämlich nicht einfach, Staatseigentum zu beschlagnahmen. Trotzdem soll auch das schon vorgekommen sein.

Grundsätzlich muss man die Thematik saldiert betrachten: Wer Geld verleiht, der setzt nicht nur auf ein Pferd (wenn er schlau ist) sondern verleiht an verschiedene Schuldner. Eine Bank hat tausende Kredite am laufen.

Während der Schuldner nur von ganz wenigen Stellen Kredite bekommt. Schon die gesetzlichen Regelungen zu Bankgeschäften und die darin vorgeschriebenen, aber nur schwer erhältlichen Banklizenzen sorgen dafür. Auf diesem Sektor ist der Markt praktisch abgeschafft, obwohl er auf diesem Sektor am allernotwendigsten wäre. Darin und nicht im bloßen Vorhandensein des Zinses liegt das große Problem.

Unter'm Strich muss die Summe der Zinsen ausreichen, um den einen oder anderen Totalausfall auszugleichen. Dazu stellt die Bank komplexe mathmatische Modelle zur Risikobewertung auf und ermittelt, welchen Zinssatz sie ihren Kunden anbieten kann ohne Gefahr zu laufen, an einer Reihe von Kreditausfällen pleite zu gehen.

Ja, so hat man das früher mal gemacht. Theoretisch ginge das heute auch noch. Praktisch jedoch wird ein Kredit durch die Hinterlegung von Sicherheiten abgesichert. Wenn die Bank zusätzlich (denn alternativ gibt es das nicht) noch eine Risikoprämie in den Zins rechnet, dann kaschiert sie damit etwas anderes.

Vereinfacht gesagt: Der Zins, den die Bank kassiert, landet im Eigenkapital der Bank und wird von dort in Form verschiedener Aufwände, z.B. Lohnzahlungen, Zahlungen an andere Unternehmen bzw. Dienstleister, oder Dividenden-Zahlungen an Aktionäre, entnommen.

Das ist etwas, das von den Kritikern des Zinses nicht kritisiert, sondern Bankmarge genannt und als völlig legitim angesehen wird. Genau wie Zinskritiker auch Aufschläge wegen des Risikos und sogar einen Ausgleich für die Inflation als völlig legitim ansehen. Zins ist halt nicht gleich Zins. Aber es gibt viele Zinskritiker und durch diese hat sich inzwischen folgende Definition etabliert:

Gesamter Zins = Bankmarge + Inflationsausgleich + Risikoprämie + Urzins;

Bankmarge = deckt die Aufwände des Kreditgebers;

Inflationsausgleich = genau wie es der Name sagt, ein Ausgleich der Inflation, wobei das logischerweise nur dann ehrlich funktionieren kann, wenn die Inflationsrate ehrlich berechnet wird, also netto, und nicht vor allem die Steuererhöhungen zeigt;

Risikoprämie = sorgt in den Fällen, in denen keine Sicherheiten hinterlegt werden, für einen fairen Ausgleich des Kreditausfallrisikos; diese Vorgehensweise kann zwar nur dann mit der Hinterlegung von Sicherheiten mithalten, wenn auf einen Gläubiger mehrere Schuldner kommen, aber es ist unstrittig, daß heutige Kreditgeber mehrere Kreditnehmer haben, schon wegen des Quasimonopols durch die Banklizenzen.

Urzins = zusätzlich erhobene Abgabe, die nur deshalb erhoben wird, weil man es kann.

Laut freiwirtschaftlicher Theorie läßt sich der als Urzins bezeichnete Tribut deshalb erheben, weil Geld den Vorteil der Dauerhaftigkeit hat, so daß man es beliebig lange speichern kann und niemals jemand gezwungen ist, zum Gläubiger zu werden, während man nicht Schuldner werden würde, wenn man sich nicht irgendwie dazu gezwungen sähe. Diese Erklärung ist jedoch sogar überflüssig in einem System, in dem sich untereinander eng vernetzte Banken das Kreditgeschäft teilen, während andere keine Banklizenz bekommen und sich ohne diese nicht als Kreditgeber betätigen dürfen. Dadurch entsteht eine Art Monopol, dem jedoch niemals das Kartellamt aufs Dach steigt, weil ausgerechnet im Finanzsektor andere Regeln gelten. Das System ist absichtlich so gestaltet, daß Banken den um Kredit Ersuchenden niemals auf Augenhöhe begegnen brauchen! Daß das Absicht ist, das ist genau der Punkt, der von Silvio Gesell, dem Begründer der freiwirtschaftlichen Theorie, übersehen wurde.

Der "zuviel kassierte" Zins bleibt also nicht bei der Bank, sondern wandert zurück ins System und kann dort dem nächsten Kreditnehmer dazu dienen, wiederum "seinen Zins" aufzubringen.

Sogar der Urzins, also der wirklich zu viel kassierte Zins, bleibt nicht bei der Bank. Diese ist trotz allem nur ein Dienstleister. Sie verwaltet auch große Vermögen. Auf diese wird der Gewinn, den die Bank macht, am Ende draufgepackt. Wer hat, dem wird gegeben. Aber wer reichlich hat, warum sollte der einen Kredit nehmen? Gerade bei denen, die Kredite nehmen müssen, landet nichts vom Gewinn der Bank. Die Dienstleistung der Banken besteht darin, von den Fleißigen zu den Reichen umzuverteilen!

Das funktioniert, wenn die Kredite nacheinander fällig werden. Würden alle Kredite heute fällig gestellt, würde der Zins in der Tat fehlen, was zur Folge hätte dass die mit wenig Eigenkapital ausgestatteten Schuldner insolvent würden und die ausgefallenen Kredite abgeschrieben würden.

Das ist so und die Banken wissen das und obwohl sie das wissen, treiben Banken gerne mal Schuldner in die Insolvenz. Viele Unternehmer haben schon die bittere Erfahrung gemacht, daß man einer Bank gegenüber niemals Schwäche zeigen darf. Gerade die Institution von der viele Unternehmer meinten, sie wäre dazu da, daß man finanzjelle Probleme mit ihr lösen könne, reagiert dann, indem sie Kredite vorzeitig fällig stellt und Unternehmen vernichtet.

Was auch nicht schlimm wäre, nur unangenehm :)

Für dich nur unangenehm. Für den Unternehmer und seine Angestellten überaus unangenehm, um nicht zu sagen schlimm. Weil es immer wieder vorkommt, ist es für die Volkswirtschaft sogar verheerend.

Aber da in der Praxis sich ständig neue Kredite ablösen, und der Zinsertrag der Bank ständig entnommen und ins System zurück gespült wird, kommt es nicht zur vermuteten "Zinslücke".

Nein, kommt es nicht. Aber zu einer immer größeren Verschuldung der Volkswirtschaft kommt es schon. Was völlig in Ordnung wäre, wenn die Politik nicht auf bekloppte Weise darauf reagieren würde, zum Beispiel mit dem Kult der Schwarzen Null. Dadurch kommt es zwar nicht zur Zinslücke, aber zu massiven Einsparungen bei Schulen, Brücken, Schleusen, Justizvollzug, Staatsanwaltschaft, Richtern und der Polizei. Das führt logischerweise zu ansteigender Kriminalität und damit machen dann wiederum andere Politik.


Wenn es eine solche gäbe, würde diese wie das Kinderspiel "Reise nach Jerusalem" wirken: Für einen Schuldner gäbe es nicht genug Geld, und der ginge pleite.

Tatsächlich gehen viele Schuldner genau deswegen pleite, weil es nicht genug Geld für sie gibt, Zinslücke hin oder her. Zwar wird ständig neues Geld gedruckt und in Umlauf gebracht, aber es wird nicht annähernd so viel Geld gedruckt und in Umlauf gebracht wie beim weiteren Wachstum der unvorstellbar1 riesigen Vermögen der Superreichen aufgesaugt wird.

Mehr nicht.

Das ist übel genug, oder etwa nicht?

Dass sich daraus irgendein Wachstumszwang ergäbe ist m.M. magisches Denken.

Damit hast du wahrscheinlich Recht. Wachstum wird gefordert, um die vielen Bankrotte auszugleichen. Wenn man die jedoch fördert und die Gründung neuer Unternehmen behindert, dann werden die Bankrotte nicht ausgeglichen, egal wieviel Wachstum man fordert. Das in unserem System praktizierte Wachstum ist keine Mehrung des Wohlstandes wie Wirtschaftswachstum naïverweise manchmal verstanden wird. Unser Wirtschaftswachstum ist nichts weiter als eine Beschleunigung der Umverteilung von den Fleißigen zu den Reichen.

Dabei ist der Machtvorteil eines Kreditgebers gegenüber einem Kreditnehmer nur ein Teil des Problems. Das gleiche und gleichfalls zum Nachteil der Volkswirtschaft ausgenutzte Machtungleichgewicht besteht auch in Mietverhältnissen oder der Eintreibung von Steuern. Wiederum wird von Kritikern übersehen, daß diese Machtungleichgewichte volle Absicht sind.

Laut freiwirtschaftlicher Theorie ist der Urzins nicht nur in Kreditzinsen, sondern auch in Mieten enthalten, weil der Vermieter einen Vorteil hat, weil Grundstücke nicht beliebig vermehrbar sind. In unserem System werden Immobilien jedoch künstlich knapp gehalten! Dadurch wird es den Vermietern bestimmter Immobilien möglich, stark überhöhte Mieten zu kassieren. Die Vermieter anderer Immobilien zählen nicht zu den Reichen, für die die Politik gemacht wird.

Auf dem Gelben Forum hat Andudu vermutet, daß deshalb Werber unterwegs sind, um die große Horden Migranten zu uns zu bringen, damit durch diese der Wohnraum knapp gehalten wird. Das ist sowohl deshalb plausibel, weil der bekannte Spekulant Soros viel in die Massenmigration investiert hat und Soros garantiert kein Philanthrop ist, als auch deshalb, weil es die beste Theorie zum Thema Massenmigration bisher überhaupt ist. Warum Soros wirklich in die Massenmigration investiert, das wird seltsamerweise nie thematisiert, wenn auf dem Rücken der Ausländer Politik gemacht wird.

Bei Martin Armstrong werden wir darüber informiert, daß die Ablehnung der Einwanderung immer mit einem ökonomischem Niedergang korreliert. Aus dem Grund lehnt Martin Armstrong die Einwanderung selbst ab, was für mich wiederum der Grund ist, zu dem Thema ausgerechnet auf Martin Armstrong zu verweisen, denn dem kann man nicht unterstellen, meine politischen Ansichten zu teilen. Ablehnung der Einwanderung ist also ein Symptom wirtschaftlichen Niedergangs! Zugleich ist diese Ablehnung ein Beweis für weitverbreitete Feigheit, die verhindert, daß man sich mit den Ursachen des Niedergangs befaßt. Es sind nicht die Ausländer, die hier den Kult der Schwarzen Null etabliert haben!

Von Martin Armstrong habe ich bereits einiges über westliche Geschichte gelernt. Zum Beispiel, warum sich die Siedler in Nordamerika von Großbritannien unabhängig erklärten. Es ist nämlich überaus ungerecht, jemanden zu besteuern, der im Parlament nicht repräsentiert ist. Das bringt Martin Armstrong immer wieder als Argument für ungerechtfertigte Steuern, mit denen man so viel Schaden anrichten kann, daß sie schließlich ganze Volkswirtschaften zerstören. In diesen Abgaben sehen wir wieder das Machtungleichgewicht, dieses Mal jedoch direkt mit der Möglichkeit verknüpft, den Verweigerer des ungerecht erhobenen Tributs zu verhaften und ins Gefängnis zu sperren. Auch diese Art des Tributs wird einfach nur deshalb erhoben, weil man es kann!

Sucht man also das Problem ökonomischer Krisen zu lösen, dann ist die Abschaffung des Zinses ein Irrweg. Wirklich gefragt wäre, das Machtungleichgewicht zu beseitigen! Die USA haben es vorgemacht, nur um das Prinzip, auf das ihre Staatsgründung beruht, sogleich zu verraten. Es funktioniert einfach nicht, anderen Macht zu übertragen, damit sie Gerechtigkeit herstellen. Gerechtigkeit und zwar ausdrücklich auch Gerechtigkeit in der Wirtschaft kann es nur geben, wo Macht gleich verteilt ist! Um ein System langfristig an die Wand zu fahren, reicht es aus, es nur etwas ungerecht zu machen. Leider dauert das an die Wand fahren sehr lange, so daß es erscheint wie ein Schrecken ohne Ende.

1) Kürzlich im Fernsehen bei der Dokumentationsreihe „Ungleichland“ vorgebrachter Vergleich: Verwendet man ein DIN-A4-Blatt, um darauf 95 % der Vermögen der Deutschen maßstabsgetreu einzuzeichnen, so daß 95 % allen Vermögens durch die Gesamtlänge des Blattes repräsentiert wird, dann befindet sich der Punkt für den reichsten Deutschen 6,6 km über dem Blatt. Es ist kein Geheimnis, daß die Vermögen in manchen anderen Ländern noch größer sind!

Gruß,
Ranma


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