Re Zins (Freie Themen)

dziamdzia, Montag, 12.11.2018, 20:37 (vor 1953 Tagen) @ Taurec (2503 Aufrufe)
bearbeitet von dziamdzia, Montag, 12.11.2018, 20:45

Grüß Dich Taurec,

Das erscheint mir nach meinem recht groben Verständnis der Materie nicht stichhaltig. Der Zins wird mit Fälligkeit der Forderung gezahlt und entfällt bei Totalverlust ebenso.

Nein Zinsen werden üblicherweise MINDESTENS jährlich fällig bis der Kredit vollständig zurück gezahlt ist. So stehts auch im BGB:
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__488.html

Bei den üblichen Annuitäten-Darlehen für Hausfinanzierungen ist die Zinsperiode monatlich.
Bei Unternehmens- und Staatsanleihen sind unterschiedliche Zinsperioden, z.B. halbjährliche Zahlung, üblich. Eine größere als 1 Jahr habe ich noch nie gesehen. Macht auch aus den von Dir genannten Gründen keinen Sinn, da die Entschädigungs-/Absicherungsfunktion des Zins damit in der Tat ad absurdum geführt würde.

Selbst bei Teilverlusten würde er den Ausfall nicht kompensieren.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Schuldner sofort nach Vereinbarung des Kredits pleite geht - dann hätte der Gläubiger seine Hausaufgaben nicht gemacht und die Kreditfähigkeit nicht ausreichend geprüft. Also fallen dann doch einige Monate oder Jahre an, in denen der Zins kassiert werden kann. Bei riskanten Schuldnern mit niedriger Kreditwürdigkeit und entsprechend hohen Zinsen kann das locker der kompletten Darlehenssumme entsprechen. Wer der "AFRICAN DEVELOPMENT BANK" Geld leihen will, darf sich momentan über 25% Zinsen freuen:

https://www.boerse-stuttgart.de/de/African-Development-Bank-Anleihe-XS1897613334

Toll: nach nur 4 Monaten hat man über den Zins schon den vollen Betrag wieder raus.
Kleiner Pfedefuß: Es handelt sich um eine Nachrang-Anleihe (bei Insolvenz wird man erst nach Bedienung aller anderen Gläubiger bedient und kriegt höchstwahrscheinlich gar nichts) und zudem notiert die Anleihe in der grade kollabierenden türkischen Lira. Andererseits: wer auf eine Stabilisierung setzt und Recht behält, kann hier ein gutes Geschäft machen. Das Risiko ist aber exorbitant, und entsprechend auch der Zins.
Wer der ebenfalls strauchelnden Commerzbank Geld leihen will, kommt derzeit auf ca. 3% Zins und beim Energieversorger EON auf ca. 0,4%. Es ist offensichtlich, dass Zins und Risiko miteinander korrelieren. Siehe auch die gerade rapide steigenden Zinsen für italienische Staatsanleihen aufgrund der Defizit-Streitereien mit der EU.

Grundsätzlich muss man die Thematik saldiert betrachten: Wer Geld verleiht, der setzt nicht nur auf ein Pferd (wenn er schlau ist) sondern verleiht an verschiedene Schuldner. Eine Bank hat tausende Kredite am laufen. Unter'm Strich muss die Summe der Zinsen ausreichen, um den einen oder anderen Totalausfall auszugleichen. Dazu stellt die Bank komplexe mathmatische Modelle zur Risikobewertung auf und ermittelt, welchen Zinssatz sie ihren Kunden anbieten kann ohne Gefahr zu laufen, an einer Reihe von Kreditausfällen pleite zu gehen.

Darüber hinaus wird durch die obige Behauptung die faktische Wirkung des Zinses im Systemablauf überhaupt nicht tangiert, nämlich dass der Schuldner mehr erwirtschaften muss, was den ganzen Prozess der "Nachschuldnersuche" und den Wachstumszwang erst bedingt.

Das Argument wird primär von Leuten gebracht, die nicht erklären könnten was eine Bank-Bilanz ist und wo sich dort vergebene Kredite und Zinserträge wiederfinden. Vereinfacht gesagt: Der Zins, den die Bank kassiert, landet im Eigenkapital der Bank und wird von dort in Form verschiedener Aufwände, z.B. Lohnzahlungen, Zahlungen an andere Unternehmen bzw. Dienstleister, oder Dividenden-Zahlungen an Aktionäre, entnommen. Der "zuviel kassierte" Zins bleibt also nicht bei der Bank, sondern wandert zurück ins System und kann dort dem nächsten Kreditnehmer dazu dienen, wiederum "seinen Zins" aufzubringen.

Das funktioniert, wenn die Kredite nacheinander fällig werden. Würden alle Kredite heute fällig gestellt, würde der Zins in der Tat fehlen, was zur Folge hätte dass die mit wenig Eigenkapital ausgestatteten Schuldner insolvent würden und die ausgefallenen Kredite abgeschrieben würden. Was auch nicht schlimm wäre, nur unangenehm :) Aber da in der Praxis sich ständig neue Kredite ablösen, und der Zinsertrag der Bank ständig entnommen und ins System zurück gespült wird, kommt es nicht zur vermuteten "Zinslücke".

Der Zusammenhang ist hier grafisch erklärt:

http://patrickseabird.blogspot.com/2012/06/das-ratsel-um-den-fehlenden-zins.html

Wenn es eine solche gäbe, würde diese wie das Kinderspiel "Reise nach Jerusalem" wirken: Für einen Schuldner gäbe es nicht genug Geld, und der ginge pleite. Mehr nicht. Dass sich daraus irgendein Wachstumszwang ergäbe ist m.M. magisches Denken.

Grüße, dziamdzia


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