Crash (Freie Themen)

dziamdzia, Freitag, 02.11.2018, 12:32 (vor 1992 Tagen) @ Ranma (3383 Aufrufe)
bearbeitet von dziamdzia, Freitag, 02.11.2018, 12:53

Ich bezweifle dass ein Computer die Entscheidungen von zig Millionen Kapitalanlegern sowie die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Globus vorhersagen kann. Die Weltwirtschaft ist ein chaotisches System und keine aufgezogene Spieluhr.
Natürlich gibt es Zyklen und Herr Armstrong hat mit seinen 1000*PI Tagen = 8.6 Jahren einen Zyklus gefunden der - zufällig oder nicht - ganz gut auf vergangene Krisen passt.

Aber die Crashs 2000 oder 2008 haben ja auch nicht zu einem Zusammenbruch geführt.
Sie wurden nur medial so hochgekocht. Während uns 2008, 2009 und 2010 permanent von der bevorstehenden Finanz-Apokalypse erzählt wurde, haben die Bauern weiter ihre Ernte eingefahren, die Industrie weiter ihre Autos und Maschinen gebaut. Krisen sind schlicht und einfach normal, und trotz Weltkriegen, Wirtschaftskrisen und Staatspleiten geht es unter'm Strich kontinuierlich bergauf was den Wohlstand der Menschheit angeht.
Es scheint nur so zu sein, dass dem Westen seine selbst-geschaffene Wohlstands-Maschinerie unheimlich wird. Paradoxerweise macht die Technologie das Leben immer sicherer, vorhersagbarer und angenehmer, bedingt aber durch eine ständig wachsende Komplexität, dass die gefühlte Sicherheit permanent abnimmt. Der Westeuropäer gruselt sich vor Kapitalmärkten, chemischer Industrie, Autoabgasen und Kraftwerken, Gentechnik und industrieller Landwirtschaft und sehnt sich zurück in die gute alte Zeit, als man mit dem Pferd den Acker gepflügt hat und jeder noch so dumme Bauer wenigstens das Gefühl haben konnte, das System begreifen, verstehen und damit kontrollieren zu können. Damals war aber nichts besser, es war nichts sicherer oder vorhersagbarer, allenfalls war vorhersagbar dass man wesentlich früher an irgendeiner Krankheit verrecken würde als heute und dass man regelmäßig aufgrund zufälliger Einflüsse hungern musste.

Das ist ein rein mentales Problem, was den Westen in eine Dauer-Depression und negative Erwartungshaltung führt. Die Bevölkerungen der Schwellen- und Entwicklungsländer haben diese Neurose nicht, denn ihnen fehlt die jahrzehntelange Wohlstands-Dekadenz, aus der heraus wir wir im Westen unsere vor-industrielle Vergangenheit verklären und permanent die Basis unseres Wohlstands verdächtigen und angreifen.

Diese neurotische Grundhaltung sollte man immer mit bedenken, wenn man eine der unzähligen Untergangs- und Crash-Phantasien westlicher "Experten" liest. Hier schwingt einfach eine apokalyptische Grundhaltung des "das kann doch nicht mehr gut gehen!" mit, die sich dann die passenden Grafiken von Verschuldung, Wirtschaftszyklen oder Kapitalmarktbewertungen sucht, um dann eine rationale Begründung für das *gefühlt drohende* Unheil zu finden.

Ich sage nicht dass es nicht in 1-2 Jahren eine schwere Krise geben könnte. Viel spricht dafür. Aber während man sich im Westen dann wieder in Panik ein-scheißen wird ob des nun endgültigen Total-Zusammenbruchs und links-populistische Schwätzer wieder begeistert feststellen werden, dass nun aber wirklich Schluss sein müsse mit dem ungerechten Kapitalismus, den Banken und bösen Konzernen, werden Menschen anders wo dankbar sein für jede in ihrem Land gehandelte Aktie, jede Bank, jede rauchende Fabrik, jedes verlegte Wasserrohr, jede Tonne verstreuten Dünger und jedes stinkende Auto das fährt. Während der Westen in depressiver Selbstverachtung und äußerster Undankbarkeit (mit der er sich auch noch in eitlem moralischen Dünkel schmückt - was sind alle die Klima- Umwelt- und Kapitalismus- Besorgten nicht für überaus anständige und verantwortungsbewusste Menschen!) die Basis seines Wohlstands mit Füßen tritt, wird man anderswo begeistert die Segnungen von Technik und Kapitalismus annehmen und froh sein, in Hülle und Fülle essen und trinken zu können. In deutschen Großstädten werden derweil magere 60-jährige hoch-moralische Fahrradfahrer in aus Plastikabfällen selbstgestrickten Pullovern ob dieses primitiven Materialismus angeekelt die Nase rümpfen und dabei ihre veganen Körner kauend das Klima retten.


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