@Pferdchen (Übersinnliches & Paranormales allgemein)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Montag, 10.09.2018, 00:57 (vor 2049 Tagen) @ Pferdchen (4864 Aufrufe)

Hallo Pferdchen,

... zutiefst materialistische Denkart, die ein Weltbild offenbart, wie es Isaac Newton kaum mechanistischer hätte ausdrücken können ...

Brrrrrr, hat sich das Pferdchen vergaloppiert, ist die Sicht durch Scheuklappen behindert, oder sticht der Hafer?

Das ist keine Charakterisierung, sondern eine Karikatur Newtons:
Du unterscheidest nicht zwischen dem Menschen Isaac Newton und der Ideologie derer, die ihn als Idol vereinnahmten und zu diesem Zweck ein unzutreffendes Bild seiner Person gezeichnet haben.

Selbst bis in die Wikipedia hat sich herumgesprochen:
"Newton hat für sich einen alchemistischen Index mit 100 Autoren, 150 Schriften und 5000 Seitenverweisen unter 900 Stichworten angelegt. Jan Golinski vermutet, dass Newton dies in der Hoffnung getan habe, ein zusammenhängendes Ganzes, eine zusammenhängende Lehre daraus ableiten zu können. Betty T. Dobbs meint, dass Newton die alchemistische Literatur bis ins 17. Jahrhundert überaus gründlich studiert habe und dies 30 Jahre lang, ohne Unterbrechung."

Golinski schrieb noch Wesentlicheres:

"Newton took particular care to maintain his privacy in relation to his
alchemical experiments. In a small laboratory built in the garden attached
to his college rooms, he taught himself the basic chemical operations
and tended his furnaces. During the decades of the 1670s and
1680s he also pondered at length many alchemical texts, compiling
thousands of pages of notes as he attempted to decode the allegorical
language in which he was convinced the authors had concealed their
doctrine. This doctrine concerned "a more subtile[,] secret & noble way
of working" than the common manipulations of "vulgar chymistry"
(quoted in Golinski 1988: 151). Knowledge of spiritual alchemy, which
he believed had been passed down as a secret tradition from ancient
times, ought to be kept apart from the public gaze, in Newton's view.
For this reason, he carefully cultivated a degree of solitude that continues
to thwart historians who wish they could learn more about his contacts
with other alchemical investigators.
"

Quelle: Jan Golinski: "Making Natural Knowledge: Constructivism and the History of Science.", University of Chicago Press, 2005, S. 82

und:
"In both alchemy and theology, Newton believed that a pure ancient doctrine had been corrupted in the course of its transmission through history, but that it could be recovered by intensive interpretative effort devoted to a wide range of texts. His method for interpreting scriptural prophecies, explained at the beginning of his unpublished manuscript on the subject, could equally have described his approach to the alchemical writings. ..."

Quelle: Jan Golinski: "The secret life of an alchemist." S. 147 -167
in: John Fauvel (Ed.) et.al.: "Let Newton be!", Oxford University Press, 1988

Und wenn Du es detaillierter willst:
Betty Jo Teeter Dobbs: "The Janus faces of genius: the role of alchemy in Newton’s thought"

Weil ich schon mal beim Herumnörgeln bin:

Ein besonders schönes und gut erhaltenes Amphitheater ist die Arena di Verona, in welcher zum Amusement der Bevölkerung bis heute Opern und Festspiele aufgeführt werden. Dort wurden 1278 rund 200 Katharer auf die für Ketzer übliche Weise hingerichtet, nachdem es den Scaligern mit den materiefeindlichen Moralaposteln zu blöd geworden war und sie in der Katharertrutzburg mal richtig durchgegriffen[!?] hatten.

Du misst mit zweierlei Maß: Wie war das mit der "sprachlichen Entmenschlichung", an der Du Dich in eFischs Zitaten störtest?
Aber auch inhaltlich ist es daneben, denn
"Im strengen Sinne kann man bei dem radikalen Dualismus der Katharer nicht von einer Moral sprechen. Denn moralische Vorschriften waren für einen Vollkommenen (perfectus) […] weder möglich noch nötig. Er konnte nicht mehr sündigen […] Umgekehrt konnte es für den einfachen Gläubigen in der Welt des Bösen keine verbindlichen Vorschriften geben […] Es wären nur Regeln des Bösen für das Böse."
Quelle: Hans-Georg Deggau: "Kleine Geschichte der Katharer."

Was ich sagen wollte - selbst zu jenen Zeiten waren die Katharer bei der (besser situierten) Allgemeinheit als abgefahrene Sekte verschrien, deren Mitglieder allesamt einen Knall hatten. Das asyle du mal sain ist also der Zufluchtsort(!) derer, die damals von jedermann als plemplem angesehen wurden, also die Gegend, in welche die letzten Katharer sich, nachdem sie von der Inquisition aus Südfrankreich vertrieben worden waren, zurückgezogen hatten: Norditalien (Lombardei, Venetien) mit der Scaligerburg in Sirmione als Hauptsitz.

"...aus Südfrankreich vertrieben ... [nach] Norditalien..." ?
Das geht ja kreuz und quer, bei "Deinen" Katharern. Richtig ist: Sirmione war Rückzugsort für "italienische" Katharer, Montaillou (in Frankreich) war Rückzugsort für französische Katharer.

Falls Du versuchen möchtest, Dein schräges Bild über die Katharer zurechtzurücken:
Emmanuel Le Roy Ladurie: "Montaillou. Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294 bis 1324"

Gruß
Ulrich

p.s.:
Für alle von mir genannten Bücher gilt, was auch sonst für alle von mir genannten Bücher gilt: Bei Bedarf PM


Gesamter Strang: