re: rauhnacht (Freie Themen)

Oberberger, Samstag, 01.10.2016, 01:29 (vor 2726 Tagen) @ rauhnacht (2272 Aufrufe)

Hallo Rauhnacht und Rio!

Kurz zu Dir, Rio. Was das Sonnen der Kartoffeln angeht, geht es in erster Linie darum, die Erde und die Schale der Kartoffeln anzutrocknen, um Fäulnis zu verhindern. Ich selbst mache das lieber an einem luftig-zugigen Orthe, da Sonne schnell die Kartoffeln anfangen läßt, Solanin zu bilden, das Kartoffelgift, was mir zu riscant erscheint. Danach ab in die Kartoffelhorde!
Andere Aufbewahrung: Erdloch.
Einfach in dem Kartoffelbeet eine kleine Grube (40-50cm tief) ausheben, mit Reisig auslegen (bei Nagergefahr noch vorher feines Drahtgewebe unterlegen!) Kartoffeln hineinschütten, mit Reisig (und ggf. Drahtgewebe) abdecken, dick Erde darüber aufhäufeln und mit Plastikfolie gegen Regen abdecken. Bei Starker Frostgefahr den ganzen Hügel einfach mit Tannereisern oder Cocosfasermatten oder Luftpolsterfolie abdecken oder, so Schnee vorhanden, eine extra Lage davon darüber auftürmen und anklopfen! So halten sie bis ins Frühjahr. Einziger Nachtheil: bei Schnee und Dauerfrost kommt man schlecht an den Kartoffelvorrath heran...:-(
Was den Weißkohl angeht, so habe ich die letzten Jahre immer beim Gemüsehändler unseres Vertrauens Winterweißkohlköpfe geordert, welches nicht die festen kugelrunden, sondern die platteren, lockeren sind, da diese besser vergären; welcher Anbaumethode diese unterworfen waren, kann ich nicht sagen, denke aber mal, conventioneller Anbau. Bisher wurde das Kraut immer super lecker, und so werde ich dieses Jahr einen noch größeren Steintopf voll davon herstellen - da brauche ich dann auch erstmal einen neuen Regenschirmständer...;-)

Soooo....nun zu Dir, liebe Rauhnacht!
In meinen alten Haushaltungsbüchern, aber auch aus moderner Lagerhaltungsliteratur, weiß ich, daß Obst, welches beim Ernten nicht mit den Fingern angefaßt wurde, besser lagerfähig ist, da die Hautbacterien den Zersetzungsproceß beschleunigen. Zweckdienlich sind dafür feine Baumwollhandschuhe, die nach jeder Ernte heiß (60°C) gewaschen werden sollten. Selbstredend darf niemals an einem Regentage oder an einem sehr warmen, sonnigen Tage geerntet werden, was die Lagerfähigkeit ebenfalls beeinträchtigt oder gar vereitelt. Ideal sind trockene, bedeckte und luftige-kühle Tage, am besten noch morgens bis vormittags.
Laut Mathilde Erhardts Großem Illustrierten Kochbuche von 1901 bzw. 1904 gilt folgendes:
Äpfel lagert man auf Holzhorden oder Stroheinlagen, gleiches gilt für Birnen oder Quitten, wobei die Früchte sich niemals berühren dürfen!
Citrusfrüchte wickelt man thunlichst vorher noch einzeln in Seidenpapier und lagert sie auf Stellagen. Wöchentliches oder öfteres controllieren ist unumgänglich, und fauliges Obst muß umgehen entsorgt werden!
Pflaumen (Zwetschgen) werden in Steintöpfen mir ihrem eigenen Laub schichtweise eingelegt, mit Cellophanfolie oder Schweinsblase (keine undurchlässige Plastifolie!!) verschlossen, mit einer Steinplatte beschwert im Garten eingegraben und mit Erde behäufelt oder einfach im Keller eingelagert; sie halten sich so bis Weihnachten oder Jahresende.
Kirschen werden ebenso eingelagert und dürfen nicht mit den Händen angefaßt werden und müssen auch jede unverletzt und mit Stiel sein!
Bei Weintrauben giebt es nach Mathilde Erhardt folgende Methoden - Zitat:
Um Weintrauben aufzubewahren, versiegelt man das Stielende (Siegellack), wobei man sogleich einen Bindfaden mit ansiegelt, mit dem man dann die Trauben an einem luftigen Orthe aufhängt.
In Frankreich befolgt man folgende Verfahren: Man hängt die Trauben in einem Kistchen auf, an dessen Boden man ein Gefäß mit reinem Spiritus aufstellt; durch die Alkoholverdunstung werden die Trauben frisch erhalten.
Selbst geerntete Weintrauben bewahrt man auf folgende Weise: sobald der erste Frost eintritt, schneidet man die Taube mit einem Stück Rebe ab, so daß sich 1 - 2 Knoten unterhalb und 1 Knoten oberhalb derselben befinden. Das obere Ende wird mit Wachs
(oder Siegellack) verklebt, um den circulierenden Saft nicht austreten zu lassen. Man erntfernt dann alle schlechten Beeren und steckt den Stiel in eine mit Wasser gefüllte Flasche, auf deren Boden sich eine Lage Holzkohlen befindet, durch welche das Wasser rein erhalten wird. Die Flasche wird hierauf mit einem Kork verschlossen, durch den der Stiel hindurchgeht (Kerbe ausschneiden!) Hierauf wird das Ganze luftdicht mit Stroh umgeben. Auf diese Weise behandelte Trauben halten sich sehr lange frisch und saftig.
Melonen lassen sich recht lange frisch erhalten, indem man sie schichtweise mit Buchenasche in Fässer packt und diese vom Böttcher verschließen läßt.
Anmerkung von mir: das müßte auch mit Holzkisten mit Deckel gehen, und statt der Buchenholzasche, müßte auch zerstoßene Holzkohle oder deren Asche, die ebenfalls aus Buchenholz hergestellt wurden, den gleichen Zweck erfüllen.
Noch eine Bemerkung zu der Lagerung von Äpfeln. Äpfel dunsten Ethylengas aus, was die Reifung und damit auch den Verderb von anderem, eingelagerten Obst stark beschleunigt, weshalb man Äpfel thunlichst nicht unmittelbar neben, über, unter oder gar mit anderem Obst zusammen lagern darf. Genügend Abstand und guthe Belüftung helfen diesem Umstande ab.
So, das war's dann auch schon zur Lagerung von Frischobst.
Nun zum Einkochen!
Einkochthermometer sind in der That recht zerbrechlich und müssen am besten sicher in einer Schatulle (Pappröhre!) verwahrt werden. Meine habe ich schon seit Jahren, nutze sie aber momentan sehr selten, da ich einen electrischen Einkochapparat mit Thermostat habe; leider hat dieser keine Zeitschaltuhr, sodaß ich das noch mit meinem Kurzzeitwecker einstellen muß, wenn die Temperatur das erste Mal erreicht wurde, und die Heizung zum ersten Male abschaltet - na, ja, es giebt Schlimmeres!

Temperaturen im Einkochkessel:
Säfte: 75°C / 25 min.
Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Brombeeren, etc.: 75°-80°C / 30 min.
Steinobst: 80°-85°C / 30 min.
Kernobst: 85°-90°C /30 min.
Tomaten: 90°C / 25 min.
Mus: 90°C 30 min.
Gemüse allgemein: 98°-100°C / 90 min.
Bohnen, Erbsen, Spargel 98°-100°C / 120 min.
Fleisch aller Art und Wurst: 98°-100°C / 120 min.
Vorsicht, bei 100°C kann der Inhalt der Gläser zu kochen anfangen und aus den Gläsern austreten!

Im Backofen gilt: 180°C in der Fettpfanne mit 1 Liter Wasser darin: wenn die ersten Perlen in den Gläsern aufsteigen auf 160° oder 140 ° oder 120°C (je nach Obstart) zurückschalten und die oben angegebenen Zeiten einhalten.
Ich empfehle jedoch Beeren und Mus nicht im Backofen zu sterilisieren, da die Temperaturen meist höher liegen und die Beeren dann matschig werden. Mus neigt zum Überkochen, gleiches gilt für Wurstmassen, außerdem kann man bei diesen Inhalten schlecht beurtheilen, wann der Glasinhalt die Temperatur angenommen hat, da ja keine Bläschen aufsteigen.
Bei Gemüse die Temperatur nicht zurückschalten, außer die Gläser beginnen stärker zu sieden oder gar zu kochen, und die oben angegebenen Zeiten einhalten! Evt. zwischendurch erneut kochendes Wasser nachgießen!

Kuchen wird in den offenen STURZGLÄSERN (!) wie üblich bei 180°C gebacken und die letzten 10 Minuten mit Gummiringen, den Deckeln und Klammern verschlossen und so noch fertig sterilisiert.

Noch Fragen? -> dann diese einfach stellen!:ok:

Gruß aus dem Bergischen!!!

Der Oberberger


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