zu: Küsten-Karte nicht von Peter Lemesurier (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Mittwoch, 08.08.2018, 02:15 (vor 2087 Tagen) @ Taurec (1273 Aufrufe)
bearbeitet von Ulrich, Mittwoch, 08.08.2018, 02:20

Hallo Taurec,

Mit Sicherheit handelt es sich also um eine komplette Fälschung, die vermutlich auf Irlmaierbasis, Berndtbüchern o. ä. fabriziert wurde.

Eine Karte mit veränderten Küstenlinien finde ich weder in "Nostradamus: The Final Reckoning" noch in "Nostradamus: The Next 50 Years". Es gibt allerdings einen weiteren Titel von Lemesurier , "Nostradamus in the 21st Century: Featuring the Coming Invasion of Europe" der vom Verlag beworben wird mit dem Text "... These include the rise of an Asian military power and its march into Europe, and severe flooding."
Laut Inhaltsverzeichnis ist dieses Buch allerdings identisch mit "Nostradamus: The Next 50 Years". Lemesurier recycelt regelmäßig seine Bücher mit abgewandeltem Titel/Untertitel.

Soweit ich es nachvollziehen kann, wurde der Begleit-Text der Karten, ein atomarer Krieg mit durch diesen verursachte nachfolgende Überflutung der Küsten, der nach einigen polnischen Webseiten im 22. Jahrhundert, auf anderen in den nächsten Jahrzehnten zum Ende der angeblichen muslimischen Invasion stattfinden soll (und im 22 Jh. ein vierter WK), Lemesurier untergeschoben. Oft werden im Zusammenhang Prophezeiungen des Pater Ojciec Klimuszko ( https://schauungen.de/forum/index.php?mode=thread&id=31410 ) genannt, offensichtlich sollen mit der "Autorität" der Lemesurier-Interpretation die Klimuszko-Prophezeiungen gestützt werden. Dies scheint der Grund zu sein, warum die Kartenserie nur auf polnischen Webseiten zu finden ist, seit 2014 abklingend. Sie scheint die Vermarktung der polnischen Ausgabe ("Nostradamus o XXI wieku" http://lubimyczytac.pl/ksiazka/66192/nostradamus-o-xxi-wieku) des letztgenannten Buches begleitet zu haben.

Einen Fälscher würde ich Lemesurier nicht nennen, allerdings bettete er in "Nostradamus: The Final Reckoning" seine Nostradamus-Interpretation in die Prophezeiungen der üblichen Verdächtigen ein:
Es ist ein Buch aus der "Apocalypse-Now"-Industrie, beginnt mit dem Unsinn von "The Great Pyramid Decoded" ("Und vor uns liegt immer noch die gähnende Grube ..."/ "And ahead of us still lies the yawning pit ..."), streift die "Aeonic astrology" (den Missbrauch des Präzessionsfortschritts des tropischen gegenüber dem siderischen Tierkreis zur Schubladen-Einteilung in "Weltzeitalter"), erwähnt die Zeitalter-Lehre der Hindus (verschweigt aber, daß es davon eine ganze Menge sich widersprechender Überlieferungs-Stränge gibt), präsentiert die Lemesuriersche Version der Johannes-Offenbarung "A fiery comet called Wormwood (Chernobyl in Ukrainian!) poisons a third of all rivers and wells. ... Now comes another meteor or comet (or perhaps it is really the same one)." oder, oder, oder, usw.), dann kommt die unkaputtbare Malachias-Prophezeiung, und schließlich Nostradamus. Danach ein Abstecher zu Cayce, um eine seiner Prophezeiungen für sich selbst zu vereinnahmen ("In addition, Cayce forecast that at some date before 1998 the secret message of the Great Pyramid of Giza would be decoded - a prediction that was to lead directly to the writing of my own book 'The Great Pyramid Decoded' in 1977."), ein Kurz-Ausflug zu Arthur C. Clarke, denn "Science-fiction writers such as Clarke, then, are not to be sneezed at (any more than H. G. Wells or Jules Verne) as possible sources of prophetic insight.", zu Jeane Dixon, er zählt einige ihrer Irrtümer auf und erteilt ihr dann gnädig Absolution "To this extent, then, most of her prophecies should be regarded primarily as warnings - and highly useful ones, at that.", das französische Medium Mario de Sabato, der sich für falsche Prophezeiungen selbst einen Persilschein ausstellte ("But then he himself is careful to point out that we are often faced with what he calls 'parallel destinies'."), sowie "Other Sources": "Maya or the Hopi", "oracles of La Salette, Fatima, Garabandal, San Damiano and Medjugorje", "the biblical prophet Joel, often applied to the coming Aquarian age". Mit Differenzierungen, Widersprüchen oder gar der Frage von Fälschungen hält er sich nicht auf, es geht ihm um "das Große Ganze".
In dem im zweiten Teil folgenden "Calendar for a Generation" trägt er Jahr für Jahr, teilweise mit Angabe des Monats, zeilenweise die Prophezeiungen aus vorgenannten Quellen ein. Eigene Irrtümer seiner Nostradamus-Datierungen schiebt er vorbeugend in die Verantwortung von Nostradamus selbst "If Nostradamus is right, then, we are faced with the distinct possibility that on 16 October 1995 (or possibly 22 October) Pope John Paul II will be asked to stay on for a further five years." Manchmal gönnt er dem erschütterten Leser eine Atempause mit einer Jahreszeile "No specific events predicted". Er hat eben den Überblick.
Im dritten Teil, "Calendar for Generations to Come" wird das Zeitraster dann etwas gröber, um mit dem Jahr 4500 zu enden.

Lemesurier gelang über viele Jahre die Gratwanderung, zwischen den beiden Extremen "akribischer Forscher" und "Eulenspiegel-Gaukler" hin und her zu wechseln. Nachdem er seine akademische Karriere beendet hat, scheint er sich wohl endgültig für den "Weg des Narren" entschieden zu haben. Dass es ihm auch in dieser Rolle gelingt, fromme Legenden hinsichtlich Nostradamus in Frage zu stellen, zeigt sein biographischer Roman "Nostradamus, Prophet of Provence: The Novelised Biography" https://www.amazon.de/Nostradamus-Prophet-Provence-Novelised-Biography-ebook/dp/B00IJJXQB4 , auch wenn es "nur" eine Umarbeitung seiner kritischen Biographie "Nostradamus, Bibliomancer" ist (darin z.B.: "his family were not physicians; he was not a doctor; he was not educated at Montpellier University; he was not an astrologer (at least not a competent one); nor did he cure the plague at Aix-en-Provence", usw.)

Lemesurier zog die "Janus-Hypothese" aus dem Zylinder und genießt fortan Narrenfreiheit, seiner Phantasie freien Lauf lassen zu dürfen, ohne sich wie andere Interpreten dem Vorwurf der Fälschung aussetzen zu müssen. Eine Kurz-Darstellung seiner "Janus-Hypothese": http://michel.nostradamus.free.fr/nlem2.html
Einige Stichproben von mir bzgl. seiner referenzierten historischen Daten mit dem jeweiligen Prognosedatum zeigte entweder lächerlichen Bezug oder auch mal überhaupt keinen: Er scheint hier darauf zu vertrauen, dass es kaum jemand überprüft.

Eine Auseinandersetzung mit dem französischen Nostradamus-Forscher Jacques Halbronn hat dieser dokumentiert: http://www.grande-conjonction.org/contenu@/Nostradamus/Lemesurier.htm

Seine Janus-Hypothese krankt am Umstand, dass der längste seiner verwendeten Zyklen (Saturn) schlappe 29 Jahre beträgt. Das erlaubt ihm Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Prognosen:

"V.86 By two capes and three sea-arms separate, 2011/2032
The city they from seaward sorely fret:
Its leaders having left it to its fate,
Stamboul by Persian blue-head is beset.

As the Turks hurriedly retreat, the clearly-identified Istanbul is inevitably the next major prize. Extrapolating astrologically from the Turkish sack of Constantinople in 1453, my original calculation for the date of this new siege of the city was 1998, but happily it failed to occur. The next theoretical dating works out at either early June 2011 or mid-June 2032 – but, thanks to what might be described as ‘astrological time-lag’, the actual start of the attack may be set to occur some time after any or all of the two remaining dates listed – or, indeed much later still."
Yes, indeed...

Lemesurier findet im nachinein auch in seinen falschesten Interpretationen immer noch ein Körnchen Wahrheit:

"Sixain 25* Six hundred six or nine are for
A great ox of a Chancellor,
A Phoenix old and full of years.
He’ll shine no more where once he shone:
Oblivion’s ferry bears him on.
On Champs-Élysées he appears.

At this point Nostradamus appears to see a leader who looks uncannily
like Helmut Kohl, former Chancellor of Germany, journeying to Paris to hold his final international talks before retiring in 1998. So, at least, I suggested some years back, when assembling my notes for a subsequent edition, duly incorporating the idea into my Nostradamus: The Final Reckoning of 1995.
In the event, Kohl did indeed fall from power in 1998. True, he did not
conclude his term of office with a visit to Paris – but, curiously enough, such a visit was the very first diplomatic act of his successor, Gerhard Schröder …"

Falls an den Büchern Bedarf besteht, es der Wahrheitsfindung dient und Du ausreichend gefestigt bist, durch die Lektüre keinen Schaden zu nehmen, lass es mich wissen.

Gruß
Ulrich


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