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Nationale oder internationale Eliten? (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 25.06.2018, 19:22 (vor 2125 Tagen) @ Schwan (1224 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Montag, 25.06.2018, 19:28

Hallo!

Wer Pjakin nicht kennt: Er geht davon aus, daß die Welt von nationalen Eliten regiert wird, die nicht mit den Politikern deckungsgleich sind. Er ist weiter der Ansicht, daß die nationalen Eliten untergehen, ihre Macht verlieren, der globale Prediktor die globale Steuerung übernimmt.

Ohne mir das Video angesehen zu haben, erscheint mir die Idee "nationaler Eliten" schräg und den Kern nicht treffend, ist aber für einen Russen, der mental noch einem Kulturvolk angehörig immer irgendeinen nationalen Führer (das waren selbst die sowjetischen Regierungschefs) über sich hat, wohl nicht ungewöhnlich.

Die "Epoche der Geldherrschaft" zeichnet sich gerade dadurch aus, daß nationale Eliten, die bei uns bis 1918 und qualitativ minderwertiger verlängert bis 1945 herrschten, durch international agierende Klüngel anonym agierender wirtschaftsmächtiger "Weltbürger", eben "internationale Eliten", ersetzt werden. Dabei spielt keine Rolle, ob es sich um neoliberale oder neokonservative Kapitalisten oder linke Planwirtschaftler mit der Weltrevolution im Hinterkopf handelt. Bei uns kam die sozialistische Variante nur nicht recht zum Durchbruch.
Gemeinsames Merkmal ist, daß die Wirtschaftsmächte über die politischen Mächte triumphieren. Erstere sind im Abendland aufgrund der Technisierung naturgemäß global ausgerichtet. Das fordert zunächst die globale Dimension der Rohstoffverteilung, sodann der billigen Arbeitskraft, der die Produktion hinterherzieht. Die Folge ist, daß im Wirtschaftsapparat, also in der Gesellschaft schlechthin Menschen den Ton angeben, die sich weder als Engländer, noch Amerikaner, noch Deutsche, noch Franzosen etc. empfinden. Für diese Leute sind Nationalstaaten Verwaltungs- und Verrechnungseinheiten, die wirtschaftlich, monetär und politisch möglichst durchlässig zu gestalten sind, um dem Waren- und Kapitalverkehr keine Hindernisse in den Weg zu räumen.

Ohne diesen Hintergrund sind die Handlungen Merkels, Macrons und des EU-Politbüros nicht ansatzweise verständlich.

Spengler in den Zwanzigern/Dreißigern:
"Das 19. Jahrhundert ist das der Nationalform der Öffentlichkeit: Parlamente, Einverleibung fremder Völker. Aber die ältere Form des dynamistischen Prinzips (Untertan, Territorien, ›mein‹ Volk) ist für den Alltagsmenschen das einzige, was er sieht, worin er lebt und wonach er handelt. Heute fängt das Stadium der Wirtschaftskomplexe an, aber das Alltagsgefühl wird noch hundert Jahre und länger das Nationalstadium als bestehend vortäuschen, und Völkerfragmente wie Polen und Tschechen werden in [den Wirtschaftskomplexen] aufgehen, ohne zu bemerken, daß ihre Aktionen längst ganz unwesentlich geworden sind."

Die EU, die USA, der UN sind nichts weiter als "Wirtschaftskomplexe", welche die Völker in sich aufsaugen, poltisch handlungsunfähig und unschädlich machen.

Einstige nationale Eliten wie etwa die europäischen Königshäuser bzw. der alte Adel überhaupt, spielen hierbei nur eine untergeordnete Rolle als Relikte des dynastischen Prinzips, welche tatsächlich nur die Nationalform im Bewußtsein des Alltagsmenschen aufrechterhalten. Diese rein gefühlsmäßige Funktion als irrationale Klammer ist ihre einzige Daseinsberechtigung im Rahmen der modernen Welt, weswegen interne Familienkrisen stets gleich die Frage nach der endgültigen Abschaffung der Monarchie an sich auf den Tisch bringen. Der Adel muß sich hier in einer tadellosen, märchenhaften Reinform präsentieren, die er während der gesamten Kulturepoche nicht innehatte. "Skandale" dürfen bestenfalls klatschpressentauglich sein, aber nicht darüber hinausgehen. Die heutigen Monarchen sind aber für den Fortgang der Welt unerheblich. Ihren Rang als Schicksalsmächte haben sie verloren.
Die Bedeutung einzelner Zweige des Adels mag in dem Maße steigen, wie sie sich in die Wirtschaftsmachtstruktur des internationalen "Geldadels" integrieren. Hierzu haben sie zwar finanziell bisweilen bessere Voraussetzungen als der Durchschnittsmensch, de facto ist aber das Adelsprädikat für die Einführung in den Kreis der Geldmächte nicht ausschlaggebend (im Gegensatz zur wirtschaftlichem Erfolg und Beziehungen) und daher als menschliche Qualität unerheblich bzw. nachrangig.

Die Frage ist, ob Pjakin ungeachtet seiner Begriffsverwirrung dennoch eine Erkenntnis erlangt hat, die in Übertragung von (lediglich falsch benannten) nationalen auf internationale Eliten zu einer brauchbaren Analyse führt.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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