OT: zur "Zivilisation" (Schauungen & Prophezeiungen)

Sagitta, Mittwoch, 30.05.2018, 10:16 (vor 2152 Tagen) @ Taurec (3176 Aufrufe)

Hallo!

Die Bilder zeigen einen Zustand, den man nach einem irgendwie gearteten Zivilisationskollaps erwarten würde. Meines Erachtens wird dieser auch irgendwann eintreten, weil die Zivilisation an sich nicht dauerhaft lebensfähig ist, was auch durch den Einsatz noch weiterer technischer Innovationen nicht behoben, sondern nach der inneren Logik des Geschehens nur verschlimmert wird. Allein das weltweite Bevölkerungswachstum, das im Wesentlichen eine Folge wissenschaftlicher Innovation ist, bricht uns irgendwann das Genick.

Es ist gerade ein Kennzeichen der "Zivilisation", dass sie extrem langlebig sein kann. Ich habe das schon mehrfach angedeutet, aber es ist bislang offenbar noch nicht angekommen.

Die "Zivisation" nach der Spenglerschen Terminologie oder die "Mechanei" nach der Terminologie von Frobenius ist im Rahmen von Kulturentwicklungen der dauerhafteste Zustand, der sich überhaupt denken lässt. Denn es ist diejenigen Form einer kulturellen Konfiguration (sozial-wirtschaftlich-technischen Lebensform), die so weit wie möglich optimiert wurde und nun profitabel genutzt werden kann, solange Menschengruppen (!) da sind, die sie ausführen (d.h. wie eine Kunst ausüben) und von Generation zu Generation weitergeben können.

Beispielsweise ist Byzanz (von +500 bis + 1500) die Zivilisationform des griechisch-römischen Kulturzyklus, der von -1500 bis +500 gedauert hat. In einem solchen Kulturzyklus ist die letzte Epoche (von rund 500 Jahren), diejenige Phase, in der die abschließenden Verbesserungen stattfinden und alles integriert wird zu einer dauerhaften kulturellen Gebrauchsform, eben der ZIVILISATION.

Ein anderes Beispiel wäre Ägypten nach -1000: da ist der pharaonische Kulturzyklus abgelaufen und das Land wird nacheinander von Lybiern, Ptomeläern, zuletzt Arabern besetzt (man könnte Napoleon und die Engländer auch noch dazusetzen). Während dieser Zeit, sagen wir -1000 bis +500, ist im Niltal das Leben auf einem hohen Produktionsniveau so eingespielt und so perfekt organisiert (aufgrund der davor stattgefundenen Innovation), dass eine Fremdherrschaft diejenigen Kräfte abschöpfen kann, die die Pharaonen zuvor für ihre Pyramiden und ihren Totenkult aus dem Land gesogen haben (auch sie waren nämlich anfangs Fremdherrscher aus Nordeuropa, die jedoch im Unterschied zu den späteren Besatzern einen vollständigen Kulturzyklus angestoßen haben, wozu es bestimmter, hier nicht darlegbarer Voraussetzungen bedarf).

Ein weiteres Beispiel wäre China, dessen originaler Kulturzyklus von - 1750 bis + 250 gedauert hat. Danach war das Land immer unter fremder Herrschaft, wobei einheimische Fremdherrscher sich mit ganz anderen Rassen (etwa Mongolen, zuletzt dann Mandschus) abwechselten, genau wie das in Ägypten so war. Dass unter der Fremdherrschaft die zivilisatorischen Formen weiter lebendig waren (und die eigentliche organisatorische Voraussetzung der effektiven Fremdherrschaft darstellten) mag man daran sehen, dass die Beamtenprüfung (inklusive natürlich der extrem schwierigen Ausbildung davor), die während der Han-Zeit ihre abschließende Form fand, bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurde, mithin also 2000 Jahre fast unverändert praktiziert worden war. Der Kursus und die Stellung der chinesischen Staatbeamten war sozusagen ein zivilisatorisches Element des sehr umfangreichen und durch und durch perfektionierten kulturellen Inventars der Chinesen.

Wenn gemäß Taurec oder BB so genannte "Zivilisationen" kollabiern, so hat das überhaupt nichts mit den inneren organisatorischen Strukturen jener Zivilisationen zu tun sondern mit Gründen, die außerhalb liegen. Im Übrigen ist der europäische Kulturzyklus (der ein globaler geworden ist) noch nicht zu Ende (auch darauf habe ich mehrfach schon hingewiesen) sondern wird bis etwa +2500 dauern. Und bis dahin werden jene Erscheinungen, die wir gegenwärtig im Bereich der Technik als kritisch ansehen, ganz sicher optimiert sein. Das schließt die Gefahren moderner Technologie für die planetare Natur oder für das ungeordnete Bevölkerungswachstum mit ein.

Mitten im kulturellen Prozess kann es Krisenzeiten geben, im 30jährigen Krieg 'schrumpfte' die Bevölkerung in Deutschland um zwei Drittel (in meinem Dorf waren von ursprünglich 300 Bewohnern nur 7 übrig), und das Land war komplett verwüstet. Derartiges stört den kulturellen Prozess überhaupt nicht, wirkt eher stimulierend auf ihn. Es ist von daher aus weltgeschichtlicher (wie auch 'kulturmorphologischer') Sicht völlig irrelevant, ob am Bodensee für ein paar Jahrzehnte ein paar Häuser oder Städte in Ruinen liegen. Selbst wenn die USA oder Europa eine Trümmerwüste würden (sehr, sehr unwahrscheinlich ...), würde der gegenwärtige Kulturzyklus sich weiter entwickeln und auf die Ausbildung der zivilisatorische Form drängen. Denn es handelt sich um einen transzendenten Prozess, der außerhalb der menschlichen Sphäre liegt, sich des Menschen nur bedient bzw. sich durch den Menschen eben ausdrückt und darstellt.

Dennoch: an dieser Stelle herzlichen Dank an @Urda für die Mitteilung seiner Schauungen, die ganz persönliche Gründe wohl haben und nicht dazu verwendet werden sollten, irgendwelche schrägen Kultur- und Zivilisationtheorien zu illustrieren.

MfG, Sagitta


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