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Kirchenpolitische Fälschung von 1590 und angehängter Schluß (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Freitag, 26.01.2018, 21:12 (vor 2253 Tagen) @ Ulrich (4264 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Freitag, 26.01.2018, 21:51

Hallo!

ich erinnere an Deine Übersetzung von 2013, "Sezierung der letzten beiden Sätze: mehrere Möglichkeiten":

Danke! Die von mir damals in Betracht gezogene zweite Möglichkeit hatte ich gar nicht mehr im Sinn, scheint aber möglich zu sein, weil die Kirche undekliniert als S. R. E. abgekürzt ist.

"Die Kirche wird in äußerste Verfolung geraten."

In diesem Falle wäre es nichtsdestoweniger kein eigenständiges Motto, sondern eine Aussage über die Kirche.

Oder:
"In äußerster Verfolung der Kirche wird er regieren."

Da der Satz kein Subjekt hat, erscheint mir diese Variante aber auszuschließen.

Es müßte formuliert sein:
"In persecutione extrema Sanctae Romanae Ecclesiae is/ille [= dieser/jener!] sedebit."

Folgt man meinem damals noch weniger strikten Urteil, wäre der Einschub entweder auf Gloria Olivae oder Petrus Romanus zu beziehen, stellte aber ebenfalls keinen eigenen Papst dar.

Nicht von einem "herausgenommenen" Einschub schrieb Troll, sondern von einem Einschub ("In der größten Verfolgung...blabla") als Zäsur vor Nennung eines letzten Papstes. Eine Zäsur, die kenntlich macht, daß es sich nicht um eine vollständige Liste handelt. Nach meinem Verständnis macht das Sinn und deckt sich mit den Überlegungen von Thibault, daß dieser Text als "kirchengeschichtliche" Prophezeiung gemeint, aber als "endzeitliche" Prophezeiung missbraucht wurde.

Denkbar ist, daß die Sätze nach Gloria Olivae ca. 1595 eingefügt wurden, um die Prophezeiung für das "Lignum Vitae" aufzupolieren, bzw. ihr überhaupt erst einen Sinn zu verleihen.

Ursprünglich war es wohl eine Fälschung zur Papstwahl 1590, die nur zu diesem einen Zweck funktionieren sollte und nach einer willkürlichen Zahl Motive einfach endete, da sich die Adressaten (= das Kardinalskollegium) nicht für den Schluß interessieren sollten, sondern für den nächsten Papst in der Reihe. Unter dem Eindruck, daß dessen Wahl dem göttlichen Ratschluß entspräche, hätten sich die Wackelkandidaten fügen sollen.

Interessant sind in dieser Hinsicht die Ausführungen Hübschers (S. 156f.). Er weist auf die völlige Oberflächlichkeit des historischen Teils hin, der sich auf Wappen, Familien, Berufe der Väter usw. beziehe. Die Devisen bis 1590 folgen demnach dem Grundsatz, "die Päpste lediglich nach Merkmalen zu bezeichnen, die ihnen vor ihrer Wahl zum Nachfolger Petri zukamen. Er wollte nicht Art und Regierungsweise der Päpste kennzeichnen, er wollte nur zeigen, welche Kardinäle jeweils zum Papst gewählt wurden – und welcher jetzt und künftig hin zu wählen sei".
Der französische Jesuit Claude-François Ménestrier zog, so Hübscher weiter, bereits 1689 den Schluß:
"Die Weissagung ist für das im Oktober 1590 beginnende Konklave geschrieben, um die Papstwahl zu beeinflussen. Die Devise für den neuen 75. Papst lautete: 'Ex antiquitate urbis'. Sie sollte das Augenmerk auf Kardinal Simoncelli lenken, den Bischof von Orvieto [urbs vetus = alte Stadt]. Diese Zweckbestimmung der Weissagung ist angefochten worden, aber daß sie aus der Zeit des Konklaves von 1590 stammt, wird heute kaum mehr bestritten."
Papst wurde letztendlich aber nicht Girolamo Simoncelli, sondern Niccolò Sfondrati, und die Probleme begannen:
"Schon die Devise 'Ex antiquitate urbis', die für Kardinal Simoncelli so schön gepaßt hätte, wollte auf Gregor XIV., der 1590 Papst wurde, durchaus nicht zutreffen. Man versuchte sich zu helfen: Gregor habe sich am liebsten mit dem Sammeln und Restaurieren von Altertümern beschäftigt, er habe auch die Neuerungen in Frankreich bekämpft [Spirago]."

Falls Sagitta den Hinweis auf Hübscher (den er vielleicht sogar gelesen hat, da es sich um ein deutsches Buch handelt) abermals als Beleidigung empfinden sollte, weil er die obigen Passagen hinsichtlich Malachias für absolut nichtssagend hält, kann er ihn ja getrost wie immer ignorieren.

Jedenfalls versank Malachias nach dem Scheitern seiner Mission bis 1595 in der Versenkung und könnte dann, mit endzeitlichem Anhang interessanter gemacht, Einzug in Wions "Lignum Vitae" gefunden haben.

Wie man aber auf die Idee kommt, es könnte eine unvollständige Liste sein, so daß eine unbekannte Menge Päpste fehlte, erschließt sich mir nicht. Meine Aussage von 2013 bleibt daher:

Wie man davon aber auf den herausgenommenen Einschub einer unbekannten Zahl weiterer Päpste kommt, ist mir schleierhaft. Der Text gibt das nicht her.

Ob Troll noch weitere Argumente ins Feld führt, weswegen statt lediglich eines nachträglich angefügten Schlußes außerdem Devisen fehlen sollten oder die Liste hätte länger sein können bzw. müssen, entzieht sich mangels seines Werkes meiner Kenntnis. Die gedankliche Voraussetzung wäre aber, daß es sich nicht bloß um eine nach Gutdünken zusammengestellte Reihe handelt, die endet, weil der Autor keine Lust auf die Abfassung weiterer Devisen hatte. Troll müßte einen echten Kern unterstellen, den er dann aber auch begründen müßte.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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