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Tu-pei-tu bei Tollmann (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 13.12.2017, 14:44 (vor 2325 Tagen) @ Wodans Sohn (2742 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 13.12.2017, 14:54

Hallo!

Karl Leopold von Lichtenfels verweist im „Lexikon der Prophezeiungen“, ohne zusätzliche Angaben zu machen, auf:

  • Bauer, W., Das Bild in der Weissagungsliteratur Chinas (München: Moos, 1973) 93 S.
  • Tollmann, Alexander und Edith, Das Weltenjahr geht zur Neige. Mythos und Wahrheit der Prophezeiungen (Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1998) 512 S.

Ersteres liegt immerhin noch vor Alex Chius Zeit, besitze ich aber nicht.

Aus Tollmanns Buch (S. 59ff.):

„Gleichermaßen erscheint im ältesten bekannten chinesischen Weissagungsbuch, dem aus dem 7. Jh. nach Chr. stammenden ‚Tu-pei-tu‘ – das schon im vorigen Jahrhundert von einem englischen Missionar mit der Johannesapokalypse verglichen worden war – , gegen Schluß seiner 6o Bildtafeln ein Sintflutbild (Bild 56), auf dem aus einem endlosen Wogenschwall nur vier Menschen herausschauen, und zeigt auf Tafel 6o Kriegsgeschehen. Dabei ist dort allerdings auch ein Kind zu erkennen, das den Soldaten weiterschiebt als Symbol eines neuen Anfangs nach dem Endzeit-Krieg.“

Und dazu dieses Bild:

[image]

„Bild der nächsten Sintflut im chinesischen Weissagungsbuch ‚Tu-pei-tu‘ aus dem 7. Jh. nach Chr.“

Tollmann verweist als Quelle auf den oben genannten W. Bauer, S. 18-26.

Zur Interpretation sei hinzugefügt, daß Tollmann in seinem anderen Buch „Und die Sintflut gab es doch“ (S. 186f.) auf die Lückenhaftigkeit einer chinesischen Sintflutüberlieferung aus der Vorzeit hinweist:

„Keineswegs so ergiebig an Flutsagen zeigt sich die Tradition der ältesten Kultur im Osten des asiatischen Kontinents, in China. Die Berichte dort gehen sogar so weit, daß der arabische Weltreisende lbn-Wahab bei einem Besuch in China im 9. Jh. n. Chr. in einer Audienz beim Kaiser von diesem lächelnd belehrt worden sein soll, die Sintflutüberlieferung sei zwar richtig, was die Region seiner Heimat betreffe, aber China habe die Flut nicht erreicht.
Die Armut an eigenständigen chinesischen Flutberichten hat jedoch einen ganz banalen konkreten Grund: Der eitle chinesische Kaiser Cheng Shih Huang-ti ließ im Jahre 213 v. Chr. alle chinesischen Bücher, deren er habhaft werden konnte, verbrennen, um allen Ruhm der großen Taten früherer Kaiser zu vernichten. Dies gelang ihm perfekt. Zusammen mit einer ähnlichen, ganz der chinesischen Mentalität entsprechenden Zerstörungsaktion des Ministers und Historiographen Thsan-Ke des ‚Gelben Kaisers‘ Huang-ti um das Jahr 2650 v. Chr. führte dies dazu, daß die uralte chinesische Hochkultur gerade aus ihrer ältesten Zeit nur wenige Bruchstücke an Überlieferungen besitzt.
Nun ist es zwar nicht so, daß China keine Flutsagen hätte, aber viele berichten lediglich über Regenfluten. Da die sicheren Anzeichen für ein Impaktgeschehen wie Beben, Weltenbrand, Weltnacht, Meeresflutwoge usw. in solchen Berichten fehlen, wird man bei den meisten dieser Sagen nur an große lokale Fluten denken. So fällt die berühmteste große Flut Chinas laut dem Shu-ching (‚Buch der Schriften‘), einem aus dem 6. Jh. v. Chr. stammenden chinesischen Geschichtswerk, in die Zeit des mythischen Kaisers Yao. Einerseits hat nach der Sage diese ‚ungeheure Flutwelle alle neun Teile der Welt überschwemmt, setzte selbst die höchsten Gebirge unter Wasser und ertränkte alle Menschen‘, andererseits soll dieser Urkaiser Chinas im 24. Jahrhundert geherrscht haben. Dann wäre diese Flut doch nur eine der zahlreichen großen Überschwemmungen des Gelben Flusses, wie J. G. Frazer vermutete, und keine Weltenflut. Es ist hier aber sicherlich genauso wie im Falle Mesopotamiens und Griechenlands, daß sich auch in der chinesischen Altkultur Elemente von der Urflut mit solchen einer jüngeren Regionalflut vermischen und das Erinnerungsbild auf diese Weise verschwommen wird, wie schon A. Stentzel zu Recht vermutet hat.
Auch die beiden anderen markanten Flutsagen Chinas lassen erahnen, daß sich Lokalereignis und Urfluterinnerung überlagern. So in der Sage des Bergvolkes Jau-dze in Südkanton, wonach das Wasser so hoch stieg, daß die höchsten Berge dem Meer glichen.
Die am häufigsten verbreitete Sintflutsage kennt Kung Kung als Urflutdämon in der Gestalt des schwarzen Drachen als Verursacher. Kung Kung, dessen Name ‚Urflut-Gott‘ bedeutet, gilt als Satan der Protochinesen, als ‚Entfessler der Urflut und Widersacher des herrschenden Gottes‘.
Der chinesische Schöpfungsmythos Yao-Shun-tien schildert die Sintflut, die von diesem Herrscher der Finsternis, des Höllenreiches des Todes, verursacht wird, wie folgt: Bei seinem Kampf um den Himmelsthron rannte Kung Kung voller Wut den Pu-chou-Berg um. Der Himmelspfeiler brach, der Himmel senkte sich nach Nordwesten herab. Daraufhin ‚überschwemmten ungeheure Fluten alles, und die Regengüsse hörten nicht auf‘. ‚Weithin wogend verursacht Schaden die Urflut, weithin wogend umschließt sie Berge, umhüllt die Höhen, uferlos strömend quillt sie zum Himmel empor … [Jangtse-]Kiang und Huai-Fluß flossen ineinander, die vier Meere dehnten sich ins Uferlose aus. Das Menschenvolk stieg zum Himmel empor, flüchtete sich in die Bäume.‘ Vom Aussehen des schwarzen Drachen werden der Schlangenleib und das rote (flammende) Haar hervorgehoben.“

Somit besteht die Möglichkeit, daß es sich um die Darstellung einer halb legendären, halb historischen regionalen Flut handelt oder um die Darstellung der Urflut aus dem Schöpfungsmythos.
Zur Beurteilung eines möglichen Zukunftsgehalts müsste man sich das Originalwerk anschauen, um zu eruieren, ob es überhaupt der Intention nach zukünftige Ereignisse darstellen soll oder nicht vielmehr mythologische oder historische.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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