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Zucht ist ein Kulturmerkmal (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 19.06.2017, 10:29 (vor 2497 Tagen) @ Sagitta (4631 Aufrufe)

Hallo!

Der geschichtliche Prozess, vor allem in den zivilisatorischen Phasen, ist sehr langfristig gesehen ein Zuchtprozess (wundert mich, dass Du das als Spengler-Fan nicht mitbekommen hast; Stichwort 'Fellachisierung' ...).

Man hätte Spengler allerdings auch verstehen müssen. Die (Selbst-)Zucht ist ein Merkmal der Kultur. Der von seelischen Kräften getragene Wille zur Hierarchien, Strukturen und Formen, die äußerlich wiederspiegeln, was innerlich als Soll empfunden wird. Derartige Vorgänge stehen und fallen mit der Hochkultur und kommen in ihren höchsten Formen nur in den kulturprägenden, elitären Schichten vor, die gemessen an der Gesamtbevölkerung (heute noch mehr als damals) eine Minderheit ausmachen. Mit Erschlaffen der Lebenskräfte in der Zivilisation brechen auch die züchtend wirkenden Lebensformen zusammen. Der Krieger (und entsprechende Institutionen) ist heute quasi nicht mehr vorhanden, Adlige heiraten Bürgerliche usw.
In der Zivilisation findet tatsächlich das Gegenteil jeglicher Zucht statt, eine bunte, chaotische Vermischung aller Schichten oder der gänzliche Verzicht auf Fortpflanzung. Dem gesellen sich körperliche Degeneration durch Zivilisationskrankheiten und fehlende natürliche Bewegung hinzu. Die Fellachisierung entspricht dem Angleichen des ehemaligen Kulturmenschen an den kleinsten gemeinsamen Nenner, bei welcher sich alle höheren Merkmale allmählich in der Einfalt (statt der Vielfalt der Kultur) verlieren.
Nicht umsonst schrieb Spengler von den Weltstädten, die "einen neuen Urmenschen" züchteten.

Es ist die von vielen hochgeschätzte weltstädtische Intelligenz, die den neuen (einfältigen) Urmenschen auszeichnet:
"Die Köpfe aller zivilisierten Menschen von Rang werden ausschließlich von dem Ausdruck der schärfsten Spannung beherrscht. Intelligenz ist nichts als Fähigkeit zu angespanntestem Verstehen. Diese Köpfe sind in jeder Kultur der Typus ihres »letzten Menschen«. Man vergleiche damit Bauernköpfe, wenn sie im Straßengewühl einer Großstadt auftauchen. Der Weg von der bäuerlichen Klugheit – der Schlauheit, dem Mutterwitz, dem Instinkt, die wie bei allen klugen Tieren auf gefühltem Takt beruhen – über den städtischen Geist zur weltstädtischen Intelligenz – das Wort gibt schon in dem scharfen Klange die Abnahme der kosmischen Unterlage vortrefflich wieder – läßt sich auch als die beständige Abnahme des Schicksalsgefühls und die hemmungslose Zunahme des Bedürfnisses nach Kausalität bezeichnen. Intelligenz ist der Ersatz unbewußter Lebenserfahrung durch eine meisterhafte Übung im Denken, etwas Fleischloses, Mageres. Die intelligenten Gesichter aller Rassen sind einander ähnlich. Es ist die Rasse selbst, die in ihnen zurücktritt. Je weniger ein Gefühl für das Notwendige und Selbstverständliche des Daseins besteht, je mehr die Gewohnheit um sich greift, sich alles »klar zu machen«, desto mehr wird die Angst des Wachseins kausal gestillt. Daher die Gleichsetzung von Wissen und Beweisbarkeit und der Ersatz des religiösen Mythos durch den kausalen: die wissenschaftliche Theorie."

Das Typische, die seelische Eigenart, die Spengler als "Rasse" bezeichnete und welche zu innerer (und äußerer) Zucht und den unverwechselbaren Physiognomien führte, tritt zurück. Es bleibt das bloß Körperliche, das weltweit allen Menschen gleichermaßen zueigen ist. Die Intelligenz bzw. der Verstand ist als Funktion des Gehirns eine allgemein menschliche Eigenschaft. Sie beherrscht den "letzten Menschen", gleich ob er strunzdumm oder scharfsinnig ist. Er kann nicht anders. In Verbindung mit der Entfremdung von der Scholle und den geistigen Urgründen, die einen nicht mehr wissen läßt, worauf eigentlich ankommt, entstehen die zahlreichen wirren Geistesströmungen und Theorien, deren Früchte wir tagtäglich auf allen intellektuellen Kanälen schlucken müssen.

Diese Herabzüchtung des Kulturmenschen zum Fellachen, eigentlich die Abwesenheit jeglicher Zucht, führt zum allgemein Menschlichen zurück, aus dem einst der Kulturmensch emporstieg. Im Wesentlichen senkt sich in der Hochkultur aus transzendenter Anbindung ein Entwicklungsmomentum hinab, das den Menschen aus den biologischen Niederungen des Diesseits zu geistiger Vervollkommnung führen will (Zucht von "ziehen", nämlich nach "oben"). Hochkultur ist im Grunde das kollektive Unternehmen, zur Urheimat zurückzugelangen, bzw. das Diesseits dieser anzunähern. Entsprechend der Eigenart dieser Welt, die von Entropie und dem Drange aller Dinge zum Zerfall bestimmt ist, enden all diese Unternehmungen in Erschöpfung und Niedergang. Das ist die Tragik unseres Daseins, das durchaus der Vertreibung aus dem Paradies nach dem Sündenfall entspricht. Die alles Lebende prägenden zyklischen Abläufe sind die Folge dessen. Was der Mensch aufbaut, zerrinnt ihm schließlich wieder zwischen den Fingern.
Da es sich im Wesentlichen um geistige Impulse aus metaphysischen Sphären handelt, dürfte dem Entstehen und Vergehen von Hochkulturen keine quantitative Grenze gesetzt sein. Aus den Resten der Fellachenbevölkerung kann nach Aussterben der Weltstädte und angemessener Zeit wieder eine Hochkultur entstehen. Voraussetzung scheint mir ein "großes Vergessen" zu sein, das die Menschen aus ihrer weltstädtisch-intelligenten Erstarrung in sterilen Weltanschauungen ohne transzendente Anbindung befreit. Dies kann nach Jahrhunderten eines dunklen Zeitalters oder durch Katastrophen beschleunigt eintreten. Es kommt darauf an, daß eine Cäsur stattfindet, welche die Reste und Erinnerungen früherer, gescheiterter Versuche austilgt und einen frischen Aufstieg ermöglicht. Es ist letztlich ins Kollektive übertragen der selbe Grund, mit dem die Reinkarnationslehre die fehlende Erinnerung an frühere Leben erklärt. Nur befreit von Altlasten ist eine unbefangene Entwicklung möglich, die einen nicht in alte, abgelebte Bahnen lenkt. Die Frage ist, ob nicht nur die Einzelseele, sondern der Mensch an sich durch alle kulturellen Inkarnationen über eine unüberschaubare Anzahl Jahrzehntausende hinweg eine Reifung und Veredelung erfährt. Es wäre ein Prozeß, der natürlich nicht mit weltstädtischer Intelligenz, wie es der späte faustische Mensch versucht, forciert werden könnte, sondern der schlicht durchlebt werden müßte. Deine Behauptung, daß der Mensch seinen Zenit überschritten hätte, bezweifle ich in diesem Sinne. Wir haben es gewiß.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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