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Korrekte Übersetzungen und Anmerkungen (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 21.04.2016, 08:55 (vor 2899 Tagen) @ rauhnacht (5450 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Donnerstag, 21.04.2016, 09:00

Hallo!

III/4:

Wenn nah sein wird, der Fehler der Monde.

Quand ſeront proches le defaut des lunaires

Wenn nahe ist der Makel der Mondlichen

"Defaut" kann vieles heißen: "Fehler", "Schwäche", "Makel", "Unvollkommenheit", "Laster".
"Lunaires" heißt genaugenommen nicht "Monde" ("lunes"), sondern "die Mondlichen" von lat. "lunaris" ("zum Monde gehörig", "mondähnlich").

Hier dürften keine konkreten Himmelskörper gemeint sein, sondern alles, was im Gegensatz zur Sonne (= Tag, Mond = Nacht) steht, also die anderen Planeten und auch die nächtlichen Fixsterne. Diese weisen eine "Schwäche" auf, vielleicht auch "Fehler", weil sie nicht sichtbar sind wegen Verdunkelung.

III/5:

Ziemlich langes Gebrechen von beiden großen Himmelskörpern

Im Original steht:
Pres loing defaut de deux grands luminaires

Ziemlich lange Makel der zwei großen Leuchten

"Luminaires" ist eben nicht "lunaires"! Solche Ähnlichkeiten, die dilettantischen Übersetzern die Sicht vernebeln, weil sie noch den Vorvers im Sinn haben, sind typisch für Nostradamus.
"Luminaire" heißt im Mittelfranzösischen: "Licht", "Helligkeit", "Leuchte", "Lichtquelle", "Gestirn".
Da hier von zweien die Rede ist, kann man wohl davon ausgehen, hier seien Sonne und Mond gemeint. Sonne und Mond werden in III/4 nicht direkt genannt, sondern nur die "Mondlichen", also alle anderen außer dem Mond (und die Sonne als komplette Gegenteil von "mondlich" schon gleich gar nicht)!
Mit dem Nachfolgevers kommt der Hinweis hinzu, daß auch Sonne und Mond, insgesamt also alles, was am Himmel nur sichtbar sein kann, eine "Schwäche" aufweist. => Komplettverdunkelung des gesamten Firmaments und zwar "ziemlich lange". Nostradamus verankert die Verse damit lediglich in der nähe der Finsternis, die sehr viel länger als nur drei Tage dauern wird. Dieses herausragende Ereignis ist der Marker für die Ereignisse in den restlichen Zeilen, die sich im Umfeld der Finsternis, also davor und danach ereignen werden (Kälte, Trockenheit, Teuerung, Wohltäter).

III/34:

Dann, wenn der Fehler an der Sonne sein wird,
den ganzen Tag über wird man das Monster sehen:

Quand le deffaut du Soleil lors ſera
Sur le plain iour le monſtre ſera veu

Wenn der Fehler der Sonne dann ist
Am hellen Tage das Monster wird gesehen.

"Plain" ist nicht "ganz", sondern heißt "eben", "plan", "offen", "klar". Am klaren Tage = am hellichten Tage.
Das "Monster" führt wahrscheinlich seit Generationen Interpreten aufs Glatteis, weil damit eben kein böses, gefährliches Ungetüm gemeint ist!
Lateinisch "monstrum" heißt neben "Ungeheuer" auch "Wunderzeichen", vom Verb "monere" (= "ermahnen", "eingeben", "weissagen").
Diese Bedeutung hatte "monstre" auch noch in der Neuzeit.

Nostradamus sagt hier nichts weiter, als daß aus heiterem Himmel von Gott ein Zeichen zur Ermahnung der Menschen und Ankündigung späterer Ereignisse gegeben wird. Das muß nicht zwangsläufig der Himmelskörper sein.
Ein "Himmelszeichen" (also kein Zeichen am Himmel, sondern ein Zeichen vom Himmel) hat im Motivschatz der europäischen Prophetie meines Erachtens einen festen Platz.

Dem entsprechend lautet die 3. Zeile: "Völlig anders wird man es deuten."
Natürlich sind nur himmlische Offenbarungen deutungsbedürftig.

IV/30:

Mehr als elfmal wünscht der Mond die Sonne nicht

Interessant ist, daß Nostradamus hier nicht die französischen, sondern lateinischen Namen der Himmelskörper nennt:

Plus vnze fois Luna Sol ne voudra

In den Urausgaben von 1555 stehen statt "Luna" und "Sol" gar nur die astrologischen Symbole:

Plus XI. fois ☽. ☉. ne voudra

Das deutet eigentlich auf eine astrologische Bedeutung der Zeile hin, nicht auf die "materiellen" Sonne und Mond.

Möglicherweise ist aber ein doppelter Boden enthalten. Dann könnte z. B. auch eine elftägige Finsternis gemeint sein.

alles vergrößert sich und fällt vom Grad ab:

Tous augmenté & baiſſez de degré

"Degré" heißt "Stufe", "Grad", "Maß". Gemeint ist wohl eine Verminderung des Wertes gemessen an einer bestimmten Skala, was in Verbindung mit Zeile 3 auf ein Darniederliegen des Wirtschaftslebens hinweist. Nicht mal Gold zählt noch etwas, was in einer Hungersnot durchaus zu erwarten ist.
Oder aber die Interpretation muß gänzlich esoterisch erfolgen. Dann steht "Gold" für "geistige Schätze", die erlangt werden sollen, es aber nicht werden ("nicht geprägt", also nicht aus dem Rohstoff hergestellt). "Luna" steht für die Dunkelheit, "Sol" für "Erleuchtung". Das Licht kann die Finsternis nicht erhellen, Erkenntnis/Gold nicht erlangt werden, solange Hunger und Katastrophen die Menschen plagen. Erst nach der Läuterung wird das Verborgene, die Mysterien erkannt werden.
Der letzte Vers schillert und sollte wohl nicht allzu seicht aufgefasst werden.

Genaunegommen steht von einem fremden Himmelskörper in all diesen Vierzeilern eigentlich nichts, lediglich von Verschattung und "Wunderdingen".

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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