Forschung (Schauungen & Prophezeiungen)

Abbe Faria, Donnerstag, 31.03.2016, 18:33 (vor 2942 Tagen) @ Baldur (2699 Aufrufe)

Hallo!
Nun ja, ich schrieb ja „philologisch“.
Ich denke, wenn Du daran zweifelst, dann solltest Du historische und keine ideologischen Argumente vorlegen. Historisch betrachtet hast Du m.M. nach keinen Grund, die in den Evangelien beschriebenen Ereignisse in Zweifel zu ziehen, unabhängig davon, ob sie mit Deiner Alltagserfahrung übereinstimmen.
Die Evangelien jedoch behaupten von sich selbst historische Berichte über historische Personen zu sein, die von Augenzeugen (Matthäus und Johannes) oder von Gesprächspartnern von Augenzeugen (Lukas und Markus) aufgezeichnet wurden. Heute kursiert im Internet und in den Massenmedien, dass die Evangelienberichte über die Taten von Jesu Legenden seien, da die Kirchenleute und Urgemeinden alles Mögliche hinzugedichtet hätten. Solche Aussagen kommen recht flott daher, werden begeistert von Massenmedien, Dan Brown, Kopp-Verlag etc. etc. aufgenommen und verbreitet, sind aber willkürlich und ideologisch und haben mit dem aktuellen Forschungsstand wenig gemeinsam.
Ein Beispiel:
Um das Jahr 30 n. Chr. sagte Jesus die Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer voraus, was im Jahr 70 n. Chr. tatsächlich eintrat. Also sah die Bibelkritik sich gezwungen die Niederschrift der Evangelien auf die Zeit 70 bis 100 n. Chr. zu datieren. Schließlich durfte Jesus von einem Wissenschaftler nicht als ein wahrer Prophet, welcher der Zukunftsschau fähig war, angesehen werden.
Die Evangelien mussten also unbedingt nach dem Jahr 70 geschrieben worden sein. Die Textstelle wurde somit als eine Ausschmückung der frühen Kirche interpretiert, die Jesus zu einem Sohn Gottes hochstilisieren wollte. Diese Art des Denkens wird auch Theologiestudenten, den zukünftigen Gemeindepfarrern, eingeimpft.
Echte Historiker und Philologen dagegen lehren, dass man sich von solchen kursierenden Mythen der neutestamentlichen Forschung verabschieden muss (konstantinische Wende, Rezension der Evangelien und ähnlicher Unsinn). Vielmehr zeigt sich nach und nach immer mehr, dass die Evangelien historische Berichte von höchster Genauigkeit sind.
Und dennoch gibt es nach wie vor viele Mythen der neutestamentlichen Forschung, die sich hartnäckig halten. Ein Mythos ist, dass die Evangelien »redaktionell« bearbeitet wurden, also dass zwar fromme aber überzogen enthusiastische Christen ( die nebenbei noch intellektuell unterbelichtet waren ) die Evangelien bearbeitet hätten, um Jesus von einem normalen Menschen zu einem Gott hochzustilisieren. Das heißt, dass bei den vier kanonischen Evangelien – die vier unterschiedliche Werke der Literaturgeschichte sind – der redaktionelle Vorgang viermal unabhängig voneinander hätte stattfinden müssen!
Man sei daran erinnert, dass das Neue Testament durch rund 5300 Handschriften überliefert ist. Dabei zeigt sich eine buchstabengetreue Überlieferung. Der zeitliche Abstand vom Ereignis bis zu den ältesten Handschriften beträgt etwa 20-250 Jahre. Bei griechischen und lateinischen Klassikern ist der zeitliche Abstand oft über 1000 Jahre, jedoch käme kein Historiker auf den Gedanken, die Zuverlässigkeit des Textes in Abrede zu stellen.
Die exakte Überlieferung von Manuskripten hat in der jüdischen Kultur eine starke Tradition. Die Juden verfügten über Fachleute (z.B. Masoreten und Schriftgelehrte), die Dokumente peinlich genau kopierten. Deshalb sind knapp zweihundert Jahre alte Texte von Shakespeare weit ungenauer und verfälschter übertragen worden, als die biblischen Schriften. (gilt auch für das AT)
Eine z.T. irregeleitete Wissenschaft hat in Verbund mit Medien, Politik und den großen Konfessionen die Berichte des Alten und Neuen Testaments zu Objekten des kulturellen Misstrauens gemacht. Das Spiel wurde so konsequent betrieben, dass viele Leute bereits instinktmäßig kritisch eingestellt sind.
Wenn das bedeutet, dass Jesus ein echter Prophet war, der von der ersten Generation präzise dokumentiert wurde, dann müssen zweifelnde Kritiker nun historische Beweise – und keine philosophischen oder ideologischen – vorlegen, welche die Genauigkeit der Evangelienberichte widerlegen.
Es existieren keine Beweise, dass die Evangelien später als um die Mitte des ersten Jahrhunderts entstanden!


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