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Trachtenmode? (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 22.02.2016, 10:22 (vor 2979 Tagen) @ IFan (9560 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Montag, 22.02.2016, 10:33

Hallo!

Wie gesagt: Dadurch wird der Mühlhiasl auch nicht realer.

Ich wette, die Aussage ist entstanden, als nicht lange vor 1923 eine ähnliche Mode um sich griff. Vielleicht in den niederbayerischen Trachten?

Tatsächlich hat Tracht wenig mit Kultur zu tun, sondern gehört bereits voll zur Zivilisation, weil die Trachtenbewegung im 19. Jahrhundert als historisierende Antwort des Landes auf die wachsenden Städte und das Bürgertum entstand. Kurz vor der Mühlhiaslveröffentlichung erlebten die Trachten erst ihren Aufschwung. Es würde mich wundern, wenn diese neue Erscheinung sich nicht im stets konservativ denkenden Volksmund niedergeschlagen hätte als Verfalls- und Dekadenzerscheinung.

"Die Tracht ist Ausdruck einer meist dörflichen Gemeinschaft und eines gemeinsamen Lebens in dieser Ordnung. Im Mittelpunkt steht nicht die Trägerin oder der Träger, sondern die Kleidung dient zur Präsentation von Besitz und Wohlstand. Je mehr Stoff in der Tracht Verwendung fand, je mehr Knöpfe auf den Westen saßen, desto reicher war der Träger oder die Trägerin der Tracht. In manchen Regionen wurden daher die Westenknöpfe so eng nebeneinander gesetzt, dass sie kaum Platz hatten; die Röcke so tief in Falten gelegt, dass sie eine nahezu unzumutbare Schwere erreichten. Die Ausprägung der Tracht hatte natürlich finanzielle Grenzen, die die soziale Schichtung der Bevölkerung deutlich machte. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass man die Grenzen der einzelnen dörflichen Gesellschaftsschichten nicht übertreten durfte, selbst wenn die finanzielle Basis gegeben war, sich eine aufwendige Tracht anzuschaffen."

Was "rote Schuhe" angeht, gilt:

"Rot als die Farbe der Mächtigen, Herrscher, Könige, Kaiser, der Regierenden, derer die das "Sagen haben", derer die "ganz oben sind", ... usw."

"Rot als die seinerzeit in der Herstellung teuerste Farbe"

=> In diesem Sinne sind "rote Schuhe" in der Volkssagenrätselsprache lediglich ein Hinweis, daß es den Leuten zu gut geht, was wahrscheinlich auf zeitgenössische Beobachtungen zurückgeht.

Die Sätze bei Mühlhiasl gehen alle in diese Richtung:

"‚Wenn d’Bauern mit gewichsten Stiefeln in die Miststatt hineinstehen’
‚Wenn sich d’Bauernleut g’wanden wie die Städtischen und die Städtischen wie d’Narrn (oder: „die Städtischen wie d’Affn)’"

Und zu den Hüten fügt Landstorfer hinzu:
"solche Hüte waren in den siebziger Jahren Burschenmode"

Mit den Schuhen wird es nicht anders gewesen sein. Landstorfer war das lediglich nicht bekannt, weil er nur Aussprüche im Volk sammelte, deren Ursprung teils schon vergessen war.

Es hat daher keinen Sinn, sich mit modernen Moden zu befassen, um dem Satz vielleicht doch noch etwas abzugewinnen.
Als sicherer Hinweis, daß nun die Zeit des Umbruch angebrochen wäre, ist das absolut untauglich. (Da sind tausende Araber, die noch immer jeden Tag illegal über die Grenze kommen, schon eindeutiger.)

Grundsätzlich gilt im Umgang mit Schauungen/Prophezeiungen: Man sollte erst mal alle natürlichen Erklärungen ausschließen, ehe man zu den übernatürlichen übergeht. Das heißt in diesem Falle: Bevor ich glaube, daß den "roten Schuhen" und anderen Kleidungssitten seherischer Gehalt innewohnt, müssen zeitgenössische Modeerscheinungen bis 1923 ausgeschlossen werden.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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