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Struktur der Wissenschaft (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 14.02.2016, 10:28 (vor 2991 Tagen) @ offtopic (5451 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 30.08.2017, 18:57

Hallo!

Zunächst mal geht es in der Wissenschaft ja darum, eine Theorie zu beweisen, indem man nach wie auch immer gearteten - eben Beweisen - sucht. Bewiesen im strengem Sinne wäre ja nie irgendetwas, weil man bis jetzt ja nur nicht den einen Fall gefunden hätte, wo diese Annahme falsch wäre. Das wäre eine negative Beweisführung, die aber zu nichts führt, da man dann praktisch alles Erreichte stets in Frage stellen müßte, daher beweist man positiv, indem man Situationen sucht, wo das dann meistens so ist und macht weiter, bis es fast immer so ist.

Andere, etwa Karl Popper, waren der gegenteiligen Auffassung.
Man könne auch noch so viele Beobachtungen anstellen. Fälle, die auf Grundlage solcher Beobachtungen gebildete Modelle widerlegen, können dadurch nicht ausgeschlossen werden. Daher gilt genau das Gegenteil:
"Zunächst mal geht es in der Wissenschaft ja darum, eine Arbeitshypothese zu widerlegen, indem man nach wie auch immer gearteten - eben Gegenbeweisen - sucht. Bewiesen im strengem Sinne ist ja nie irgendetwas, weil man bis jetzt ja nur nicht den einen Fall gefunden hat, wo diese Annahme falsch ist." ;-)
Andernfalls würde man aus Einzelfällen auf allgemeine Regeln schließen, was logisch nicht zulässig wäre.
Wissenschaft besteht in der Theorie darin, alles Erreichte stets in Frage zu stellen.
Letztlich trägt das der Tatsache Rechnung, daß in dieser Welt nichts letzthinnig beweisbar ist. Es bleibt bei der Annäherung.
Wissenschaftlichen Methoden sind Grenzen gesetzt und es stellt sich die Frage, ob der Anspruch, der am Anfang der Wissenschaftsentwicklung stand, nämlich die Wahrheit herauszufinden, überhaupt erfüllbar ist.

"Wahrheiten" sind der Bereich des Religiösen, wo für die ganze Welt für alle Zeiten gültige Aussagen getroffen werden sollen. Es geht darum zu wissen, "was Gott will". Die Aufklärung und alles, was sich in der Folge an Wissenschaft gebildet hat, füllte gewissermaßen ein Bedürfnis der Welterkenntnis des abendländischen Menschen. Sie ist ihrem Grundimpuls nach ebenfalls religiös. Die wissenschaftliche Methode ist nur eine Form der scholastischen und theologischen Methodik. Einen Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion, wie er im modernen Diskurs immer wieder produziert wird, gibt es eigentlich nicht. Da werden nur verschiedene Formen der Religion gegeneinander ausgespielt, weil die Wissenschaft sich selbst als eine Alternative, als etwas neues und anderes verstehen will.

Das Problem des vom Leben abstrahierenden, religiösen, rationalistischen "Wahrheitsdenkens" liegt in der Dialektik der Verstandestätigkeit. Jede getroffene Aussage ist per se anzweifelbar, weil auch das Gegenteil denkbar ist. So gibt es keine "letzten Beweise". An dieser Stelle nähert sich die Wissenschaft der Religion wieder vollkommen an, bzw. es zeigt sich, daß Wissenschaft nur eine Spielart des Religiösen ist. Die Aussagen der Wissenschaft werden von ihren Vertretern, vor allem vom "Fußvolk" auch nur geglaubt.
Thomas Kuhn hat in den Siebzigern den Begriff des Paradigmas geprägt. Essenz des Ganzen: In der Wissenschaft gibt es Paradigmen, um die sich ganze wie Kirchen strukturierte Organisationsformen bilden mit Dogmen, heiligen Schriften, Säulenheiligen, Päpsten, Priestern und Gläubigen, die tagtäglich in die Universitäten rennen. Die Weltsicht innerhalb einer Wissenschaft, die einem Paradigma anhängt, ist völlig von diesem Paradigma, dessen Aussagen, "wie die Welt ist", und mit welchen Methoden dies auf die Probe gestellt wird, abhängig. Man kann innerhalb eines Paradigmas die Aussagen nur mit den paradigmatisch vorgegebenen Fragemethoden prüfen. Das Paradigma selbst ist aber unhinterfragbar. Ein Paradigmenwechsel findet nicht durch rationale Überzeugung vom Gegenteil statt, sondern wenn die Anhänger merken, daß es von der herrschenden Theorie nicht erfaßbare Bereiche gibt, und dann die Theorie ändern ("vom Glauben abfallen"). Die neue Theorie kann derart strukturiert sein, daß sie zur der alten "unübersetzbar" und inhaltlich gar nicht vergleichbar ist. Oft halten sich Paradigmen so hartnäckig, daß sie nicht durch Widerlegung und Überzeugung verschwinden, sondern durch Aussterben ihrer Anhänger.
Ein problematischer Aspekt: Das Paradigma ist die Brille, durch welche die Welt gesehen wird. Es gibt vor, mit welchen Methoden herangegangen wird, wie die Daten ausgewählt werden, wie sie interpretiert werden. Es gibt sogar vor, welche Daten als sinnvoll, welche als unsinnig und vernachlässigbar zu betrachten sind. Alles in Hinsicht auf das Axiom. Ohne dieses fehlte schlichtweg der Maßstab, um die Wahrnehmung zu ordnen. Man läuft nun Gefahr, durch selektive Wahrnehmung eigentlich valide Daten, die nicht zum Paradigma passen, auszusortieren und die Messungen überzubewerten, die dazu passen, oder Zufälle systematisch falsch zu interpretieren, so daß sie das Paradigma stützen.
Daher wundert es mich nicht, daß die Physik das Higgs-Boson gefunden und nach 100 Jahren Einstein Gravitationswellen nachgewiesen hat. Es bedurfte nur hinreichend genauer Meßinstrumente, um die Daten zur Verfügung zu stellen. Nicht ausgeschlossen ist aber, daß es all dies tatsächlich überhaupt nicht gibt und die Welt nur systematisch und abstrakt vom Paradigma her vorgestellt wurde, was man sich durch einen gigantischen Zirkelschluß nun selbst bewiesen hat.
Meine provokante Aussage, daß die physikalischen Theorien falsch sein könnten, folgt wiederum aus der Dialektik des Verstandes. Eine solche Behauptung ist per se überhaupt nicht zu verhindern, auch nicht letzthinnig zu widerlegen oder zu beweisen. Wir bewegen uns hier wieder völlig im Bereich des Religiösen mit der Frage, welchen Grundsätzen ("Glaubensbekenntnissen") man anhängt. Man spielt nur Ansichten gegeneinander aus und führt Glaubenskriege, in denen die Physik nur eine von mehreren gegeneinander antretenden Religionen ist. Problematisch wird es, wenn im Grunde gleichwertige Welterklärungsmodelle gegeneinander stehen, die unübersetzbar (inkommensurabel) sind. Jeder hat recht und keiner kann den anderen widerlegen.

Daneben gibt es die Sphäre des Politischen, in der es nicht um Wahrheiten, sondern um Tatsachen geht. Darin zielt die Frage nicht auf richtig und falsch in Hinsicht auf die Wahrheit, sondern gut und schlecht, auf Nützlichkeit und Ergebnisse(!). In diesem Bereich werden die Naturwissenschaften politisch, nämlich wenn Technik entwickelt werden soll, um gesetzte Ziele in der Beherrschung der Naturkräfte zu erreichen. Taktiken und Strategien werden hierfür generalstabsmäßig entwickelt und wie es eine Theorie des Krieges gibt, gibt es wissenschaftliche Theorien und Wissenschaftstheorie.
Bei der praktischen Umsetzung kommen Sätze der Naturwissenschaften zur Anwendung, die sich empirisch immer wieder als funktionierend erwiesen haben. Im Wesentlichen geht es heute in den allermeisten Bereichen, wo Wissenschaft betrieben wird, lediglich darum, Probleme zu lösen, die freilich durch Anwendung der Wissenschaft überhaupt erst geschaffen wurden. Das erinnert an Goethes Zauberlehrling.
Es hat keinen Sinn, die Physik in diesem Bereich durch etwas anderes ersetzen zu wollen. In diesem Rahmen hat sie "Berechtigung" (auch wenn man mit der modernen Welt an sich überkreuz liegt).
Und natürlich sind auch die ganze universitäre Wissenschaft, der Widerstreit verschiedener Paradigmen und eine außeruniversitäre, gegen die "Schulwissenschaft" angehende Opposition politischer Natur. Es geht um den Wahrheitsanspruch und dahinter Anhänger zu sammeln, um Geld und Einfluß. Es ist dies strukturell nicht verschieden von der Zeit der Reformation, als Kirche, Lutheraner, Calvinisten, Hugenotten, Anglikaner usw. miteinander stritten. Die ganze Religionsgeschichte wie auch die ganze Wissenschaftsgeschichte sind politisch, wo die Sphäre des Religiösen mit der diesseitigen Welt und der notwendigen Selbstbehauptung darin in Kontakt kommt.
Ungeachtet dessen wirkt die religiöse Seite der Wissenschaft nach wie vor, indem man im Sinne der Wahrheitssuche das Erreichte anzweifelt. Es sind zwei Seiten des Lebens, die unentwegt und parallel wirken.

Übrigens haben auch die herkömmlichen Religionen ihren Anwendungsbereich: Gebete, Opfer, Alchemie und verschiedene Arten der weißen und schwarzen Magie, die von ihren Anhängern ebenfalls als funktionierend erkannt wurden, was in vielen Fällen wohl kein bloßes Hirngespinst war.
Analog dazu würden viele technische Anwendungen unserer Zeit den Menschen der traditionellen Welt wie Zauberei erscheinen. Letztlich ist zwischen Magie und Technik kein prinzipieller Unterschied. Es sind lediglich verschiedene Methoden, die Naturkräfte nutzbar zu machen (wobei es sich bei der modernen Technik wohl um eine recht dunkle, luziferische Zauberschule handeln dürfte, die für die ganze Menschheit karmisch üble Folgen zeitigt).

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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