von lila Kühen und blutroten Zylinderhüten (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Mittwoch, 06.01.2016, 04:27 (vor 3005 Tagen) @ BBouvier (10105 Aufrufe)
bearbeitet von Ulrich, Mittwoch, 06.01.2016, 04:33

Hallo BB,

Mein Großvater hätte erzählt, 1912 sei ihm im Pachinger Forst nächtens eine lila Milka-Schokokuh begegnet.
Und auf Rückfrage einige Jahre später dazu: "Häää? Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, sowas jemals erzählt zu haben. Davon weiß ich überhaupt nichts!"
Woraufhin es doch durchaus nachzuvollziehen ist, wenn man dann ins Grübeln kommt ...

falls Dein Großvater in den Jahren 1910 bis 1914 im "Pachinger Tagesblatt" immer wieder durch Berichte beunruhigt worden wäre, daß der hinter "Milka" stehende Konzern "Kraft" mittels geheimer unaussprechlicher Laborversuche die Invasion des Pachinger Forstes durch lila Mutanten-Kühe vorbereitet, was dann ?
Was, wenn jahraus jahrein selbst am sonntäglichen Pachinger Stammtisch hinter vorgehaltener Hand über die unmittelbar bevorstehende Bedrohung durch die Invasion der lila Mutanten-Kühe getuschelt wird ?

"In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Es handelte sich hierbei um die größte Militäroperation in Europa seit 1945."
( https://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Fr%C3%BChling )

Der Bauer aus Selb:
Generell: "Die Schauungen hatte er in den Jahren von 1971 bis 1984."
1. Schauung "Der Einmarsch": "Diesen Traum hatte ich insgesamt drei mal geträumt, Anfang der 70er Jahre immer gegen früh morgens und der Traum war lebendig, in Farbe."

Wer sich die Übersichts-Liste der Militärmanöver der 70er/80er-Jahre anschaut https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rman%C3%B6ver oder in der Datenbank wühlt http://military-database.de/manoever-nach-jahr-exercises-by-year/ , mag sich ein Bild davon machen, daß es in diesen Jahren keiner Zukunftsschau bedurfte, um von einem "Einmarsch" zu träumen: Es war allgemeine kollektive Befürchtung im Wachzustand.

Es sei an den unsäglichen "Abdrushin" erinnert:
Was ging seinen „Prophezeiungen“ voraus? Die Komet-Halley-Panik von 1910 ( http://www.spiegel.de/einestages/kometenpanik-a-948916.html http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-05/komet-halley-gift http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-05/komet-halley-gift/seite-2 ) und die spanische Grippe von 1918 bis 1920 mit mindestens 25 Millionen, nach neueren Schätzungen bis knapp 50 Millionen Toten ( https://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Grippe ) gegenüber den 17 Millionen Toten des Ersten Weltkrieges ( http://www.science-at-home.de/wiki/index.php/Die_Opfer_des_1._Weltkriegs ). Das reicht für eine Vision vom "großen Kometen", der "ganz plötzlich kommt und innerhalb von 3 Wochen zwei Drittel der Menschheit hinwegrafft" ( http://poselstvi-gralu.cz/index.php/gralsbotschaft/gedenken-an-den-herren/1189-abschrift-eines-manuskriptes-von-otto-ernst-fritsch52 ).
Anders dagegen Ende der 70er Jahre, in denen einer der üblichen Verdächtigen, also entweder Stocker, Schönhammer, Bekh oder Günthner, dem Irlmaier posthum das berüchtigte "Zitat" unterjubelt, "Ein neuer Nahostkrieg flammt plötzlich auf, große Flottenverbände stehen sich im Mittelmeer feindlich gegenüber – die Lage ist gespannt.", geschmeidig angepasst an die Erwartungen bzw. Befürchtungen, die - kollektiv – in diesen Jahren mit den Camp-David-Verhandlungen verbunden waren ( https://schauungen.de/forum/index.php?id=23398 ).

Detlef kennt (mit Ausnahme EINES Traumes) ausschließlich Schauungen, die sich von der Wahrnehmung des Alltags nicht unterscheiden. Wie sich - leider - gezeigt hat, ist damit aber auch keine Möglichkeit vorhanden, wegen grob absurder Elemente einer Schauung am Zukunftsbezug des Geschauten zu zweifeln und den Inhalt als "Wachtraum" oder was auch immer einzuordnen. Anders, wenn Dein Großvater davon geträumt hätte, daß eine rasende Horde von lila Milka-Kühen die Vorgärten von Niederbrombach niederwalzt, als Vorbote des Großen Kometen, der wenige Wochen danach dem Huber-Bauern die Roggen-Ernte versauen wird. Dann hätte er sich entscheiden müssen, ob er den lila-Kühe-Amoklauf irgendwie "symbolisch" interpretieren will, oder ob er besser beraten wäre, den Huber-Bauern nicht zu beunruhigen, nur weil er nach Genuss einer verdorbenen Dose Ölsardinen schlecht träumte. Soll heißen, zumindest mir ist das Phänomen absurder Elemente ansonsten "unverdächtiger" Träume nicht fremd und ich wäre noch dämlicher als ich bin, wenn ich leichtfertig darüber hinweggehen würde, ohne in Betracht zu ziehen, daß solche absurden Elemente der Wink mit dem Zaunpfahl sein könnten, einen Traum als Ganzes der Phantasie zurechnen zu sollen, den man ansonsten für eine Schau zukünftiger Ereignisse gehalten hätte, weil dessen Inhalt den eigenen Erwartungen oder Befürchtungen entspricht.

Man stelle sich doch bitte vor, wie grotesk im Alltag auch nur ein halbes Dutzend Frauen mit zylinderartigen blutroten Hüten mit einer schwarzen längeren Schleife hinten hinunterhängend aussehen, wenn sie dereinst in Selb beim Bäcker Semmeln kaufen.

Wenn der Bauer aus Selb dies für eine Schau zukünftiger Realität hält, trotz des unübersehbaren Bezuges zu einem der ältesten Prophezeiungs-Kalauer, dem Aufkommen morbider Moden als "Vorbote" des Untergangs, dann frage ich mich, welche Elemente ein Traum enthalten müsste, um von ihm nicht als Zukunftsschau, sondern eben nur als Traum bewertet zu werden.

@Tribun
Die Frage ist ernst gemeint: Macht er diesen Unterschied überhaupt oder geht er davon aus, ausnahmslos alles, was er im Traumzustand wahrnimmt, sei Schau zukünftigen Geschehens, sofern es „das“ Thema betrifft… WEIL es das Thema betrifft.

Das soll kein Vorwurf sein: Wo sich Schauungen auf banale - unerwartete - Alltags-Ereignisse beziehen, mag es leichter fallen, mittels des Kriteriums "groteskes Element" die Schlussfolgerung "Verarbeitungstraum" zu ziehen, während es bei Inhalten, die die kollektive Zukunft betreffen, umso mehr, wenn sie warnenden Charakter haben, schwerer sein mag.

Gruß
Ulrich


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