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Sektiererische Tendenzen (Übersinnliches & Paranormales allgemein)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 20.12.2015, 12:44 (vor 3044 Tagen) @ Ulrich (4553 Aufrufe)

Danke, Ulrich!

Sehr interessant.

Ohne "verbogene Bibel" und "alle christliche Theologie, das ganze komplexe Lehrgebäude", hängt O.E. Bernhardts, alias "Abdruschins"/"Abd‑ru‑shins"/"Imanuels"/"Parzivals" Gralsbotschaft im luftleeren Raum, Bernhardt behauptete ja ausdrücklich, die damalige Mission des Wanderpredigers J. sei gescheitert, und er habe nun den Auftrag, das in Ordnung zu bringen.

Ja, solche Bezüge schwächen die Botschaft meines Erachtens wieder ab und bringen sie in ein enges, womöglich irriges, aus dem nahen Osten stammendes und dem europäischen Geist nicht gemäßes Offenbarungs-Erlösungs-Schema. Jedoch hängt das ganze Prophezeiungsthema, von der christlichen Tradition beeinflußt, massiv in diesem Schema. Ich glaube das erst, wenn (konditional!) die "großen Ereignisse" auch eintreffen.
Ich bin geneigt, das für meinen persönlichen Synkretismus einstweilen einfach beiseite zu legen. Worauf es mir ankommt, sollte auch unabhängig von der Bibeltradition gültig sein.

Was mir an dem von Dir gefundenen Text auffiel:

"Dabei erwähnte der HERR auch, das die letzte Phase des Gerichtes, also das Endgeschehen, die ganz großen Auswirkungen, in einem März beginnen würden, und zwar zur Zeit des Karnevals, und nur ein paar Monate dauern würde, aber dann wäre die Erde befreit von allem Dunkel, worauf das Licht seine Strahlen siegreich über die ganze Erde ausbreiten könne."

Das scheint mir an die Volkssage angelehnt zu sein, z. B. an den ebenfalls aus Tirol stammenden Egger Gilge:

"Es wird ein Jahr kommen, in welchem ein sehr schöner Frühling
sein wird; später aber wird es kalt werden und schneien, so daß die
Gebirgsbauern fürchten, es könnte nicht mehr abreifen. Dieses wird
aber noch gut abgehen. Im Frühling soll man nicht jammern, im
Herbst wird die große Trübsal kommen."

Auf Volkssagenverwurstung deutet auch die Erwähnung des Karnevals hin, was ebenfalls ein Prophezeiungsmotiv ist, vor allem bei Sibylle Michalda:

"Ja das neunte Zeichen wird sein, wenn ein kurzer Fasching sein wird,
wie er schon lange Zeit nicht war, so daß die Menschen an den üblichen
rauschenden Vergnügungen nicht genug haben und daher auch noch in
der Fastenzeit lärmende Lustbarkeiten abhalten werden.
Das zehnte Zeichen wird sein, wenn man Schnee anstatt Heu einführen
wird, denn zu der Zeit der Heufechsung wird viel Schnee fallen."

Gleich nach dem Fasching wird hier der Schneefall im Sommer erwähnt, womit sich der Kreis zu Gilge schließt.
Bei dieser angeblichen Bernhardtaussage scheint der Ablauf von Fasching (Michalda) bis Trübsal (Gilge) zusammengelaufen zu sein. Merkwürdig...

"Der dritte Weltkrieg würde diese Erde mit seinen furchtbaren Waffen vollkommen zerstören, wie es einstens Mallona traf."

Hat das wirklich noch mit Abdrushin/Bernhardt zu tun? Der Mann starb bereits 1941, als der zweite Weltkrieg noch nicht zu Ende war.
Die Prophezeiungen über den dritten Weltkrieg sind erst später entstanden, bzw., wie im Falle der Feldpostbriefe, bekannt geworden.
Es würde mich nicht wundern, wenn ein übermotivierter Jünger die Aussagen seines "Herrn" nachträglich aufpoliert hätte, die angeblich zwar "aus der Erinnerung" und "nur sinngemäß", aber "ziemlich wortgetreu" (was denn nun, sinngemäß oder wortgetreu?) wiedergegeben wurden. Naa...

Auch der Hinweis auf "Mallona" ist äußerst seltsam. Das Wort scheint eine Schöpfung Jakob Lorbers zu sein:
http://wiki.astro.com/astrowiki/de/Mallona

Zugleich gibt Bernhardt aber an, Lorber nie gelesen zu haben:
http://www.abdrushin.eu/fragenbeantwortungen/fragenbeantwortungen-von-abdrushin-066.php

Ob Otto-Ernst Fritsch (etwa dieser?) den Lorber gelesen hat? ;-)

Man wird O.E. Bernhardt sicher nicht gerecht, wenn man sich ungeprüft das vernichtende Urteil eines seiner abtrünnigen Jünger zu eigen macht. Aber wenn man das Treiben der irrlichternden Grals-Ritter auf dem Vomperberg nüchtern "im Lichte der Wahrheit" betrachtet, kommt man m. E. nicht umhin, in O.E. Bernhardt einen weiteren Sektierer zu erkennen, der sich die Orientierungslosigkeit seiner Mitmenschen zu Nutze machte.

Andersherum wird man Bernhardt wohl nicht gerecht, wenn man die Sache von den Epigonen her betrachtet. Diese machen das für Menschen Typische und schaffen "kirchliche Strukturen", weniger um der Botschaft willen, sondern um sich selbst zu erhöhen. Das Verbiegen geht munter weiter und man könnte meinen, sie hätten die Gründungsoffenbarung ihrer selbstgebastelten Kirche selbst nicht verstanden. ;-)

Die sektiererischen Tendenzen indes waren mir schon bekannt und stoßen sauer auf, auch bei Abdrushin selbst, der sowas zwar von sich zu weisen scheint, sich aber zugleich wohl selbst für den "Menschensohn" hielt. Auch bei ihm scheint nicht alles Licht zu sein. Wie immer gilt, das Werk nicht als Gesamtpaket zu glauben, sondern genau zu bewerten was (für einen selbst) Sinn hat und was man als dubios ausklammert. Aus Sicht der "reinen Lehre" verbiegt man damit selbst wiederum.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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