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Notwendigkeit der genauen Untersuchung (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Freitag, 23.05.2014, 22:25 (vor 3598 Tagen) @ Eyspfeil (3465 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Freitag, 23.05.2014, 22:43

Hallo!

Aus Mangel an realen Ereignissen wird hier nach und nach alles und
jeder noch "verbliebene" Seher abgeschrieben, das ist mein Eindruck.

Nein. Jedoch hat es keinen Sinn aus bloßem, naiven Glaubenwollen Texte unhinterfragt für bare Münze zu nehmen, wenn es berechtigte Zweifel an deren Authentizität gibt.

Im Grunde sind sämtliche älteren Prophezeiungen keine vertrauenswürdigen Protokolle, sondern ein Konglomerat aus Spekulationen, religiösen und sagenhaften Vorstellungen, manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal gänzlich ohne seherischen Kern. Die Autoren und auch Seher (so vorhanden) haben uns heute lebenden keinen Gefallen getan, indem sie unkritisch und im Banne der Tradition einfach die bekannten Geschichten weitererzählten und ihr eigenes hinzufügten. Oft ging es nur darum, eine Geschichte zu liefern und den volkstümlichen Mythos zu befeuern, wie z. B. bei Mühlhiasl, dessen ganze Sagengestalt ja überhaupt erst nach Landstorfers Veröffentlichung 1923 quasi aus dem Nichts von Autoren (u. a. Adlmaier, vor allem aber anderen) aufgebläht wurde, so daß seine völlig erfundene Lebensgeschichte heute sogar in Mühlhiaslspielen aufgeführt wird.
Bei Irlmaier war es ähnlich. Auch er wurde aufgebläht, obschon bei ihm im Gegensatz zu Mühlhiasl noch mehr Substanz und eine reale, befragbare Person vorhanden war. Nichtsdestoweniger hat Irlmaier offenbar "mitgespielt" und das Szenario weitererzählt, in das ältere Aussagen miteinflossen und von dessen Richtigkeit er wahrscheinlich selbst überzeugt war, weil es sich im Rahmen der "großen Weissagung" befand.

Bereits Gann hat in den Achtzigern einige Stellen bei Adlmaier als Plagiate erkannt und kam am Ende seiner umfangreichen Ausführungen zu dem Schluß, daß Irlmaier vom eigentlichen Phänomen her sehr wohl für die Gewinnung überzeugender Kriegs- und Katastrophenprophezeiungen gut und eine seltene paraprognostische Gelegenheit allem Anschein nach gegeben gewesen wäre, welche jedoch vom Seher selbst und vor allem von der mitteleuropäischen wissenschaftlichen Gemeinschaft auf überaus leichtsinnige und verantwortungslose Weise verschleudert worden sei (Zitat Gann).
Die Sache kommt also nicht von irgendwo her. Wir hätten seit 30 Jahren davon wissen können. Statt dessen wurden immer nur die Wörter der Aussagen herumgedreht, die für sakrosankt galten.

Die von Gann aufgelisteten Plagiate (und ein, zwei jüngere Ideen aus dem Forum) habe ich auf dieser Seite den entsprechenden Stellen bei Adlmaier gegenüber gesetzt. Ich habe vor, diese Gegenüberstellung im Laufe der Zeit durch neue Entdeckungen und Indizien auf Plagiate zu ergänzen, bis die wahrscheinlich auf Irlmaiers Schauungen zurückgehenden Passagen übrig bleiben.
In weiteren Schritten kann man sich die Zeitungsartikel und Zeitzeugenaussagen nach Adlmaier ansehen, die von Adlmaier (oder anderen Artikeln) abgeschriebenen Aussagen herausfiltern, Unterschiede und neu hinzugekommenes untersuchen. Des weiteren kann man sich die Artikel vor Adlmaier ansehen und Plagiate herausfiltern. Aus den verbleibenden Aussagen und deren Unterschieden in den verschiedenen Veröffentlichungen lassen sich womöglich Rückschlüsse auf Irlmaiers wirkliche Schauungen ziehen.
Diese Aufgabenstellung bedeutet eine titanische Arbeit, da zum einen noch Irlmaierquellen fehlen (vor allem die Urquelle des "unbekannten Kuriers") und uns zum anderen viele der Vorlagentexte uns wahrscheinlich noch gar nicht bekannt sind.

Es sollte aber nicht darum gehen, den Irlmaier in die Tonne zu treten, sondern in dem vorhandenen Material nach bester Möglichkeit den wahren Kern zu finden, also Irlmaier zu retten, aber unter der Arbeitshypothese, daß jede Aussage falsch ist, d. h. angezweifelt werden muß. (Diesen intellektuellen Gedankendreher sollte man drauf haben, ohne von der Richtigkeit der Arbeitshypothese irrational überzeugt zu sein.)

Gegen den Vorwurf, aus Enttäuschung über das Nichteintreffen sollten die verbliebenen Seher abgeschrieben werden, verwehre ich mich. Schreibe ich nicht regelmäßig aufgrund der Erfahrung, daß Naherwartungen nie eintreffen, und weil sich das Weltgeschehen (noch) recht langsam zu entwickeln scheint, daß sich die ganze Sache noch einige Jahre hinzieht? Man kann sich, indem man sich zu sehr auf Schauungen festsetzt, durchaus selbst eine Falle stellen. Das Thema sollte halt nicht völlig zur Privatreligion werden.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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