"Kultur" und "Zivilisation" (Schauungen & Prophezeiungen)

Theodor, Mittwoch, 29.10.2008, 14:45 (vor 5657 Tagen) @ BBouvier (4519 Aufrufe)

Hallo BBouvier,

vielen Dank für Deine genialen Ausführungen, welche mich an Friedrich von Schiller gemahnten, der uns nicht nur in seinem Gedicht „ Die Worte des Glaubens“ ein geistiges Testament hinterlassen hat.
In diesem Sinne möchte ich in aller Bescheidenheit lediglich auf einen anderen, als den Spenglerschen Freiheitsbegriff hinweisen. Es soll dies auch keinen Widerspruch zu dem von Dir Vorgetragenen darstellen.
Vielleicht tritt auch eine etwas andere Anschauung über den zukünftigen Monarchen zu Tage, welche diesen eher als einen Feind der freien Menschheitsentwicklung, bzw. im günstigsten Fall als einen notwendigen Rückschritt wahrnimmt:

Ohne Zweifel, wir sind wieder einmal an dem reißenden Strom der Zeitenwenden angelangt. Der Pontifex Maximus versäumte seine Pflichten, und unterließ es, rechtzeitig eine Brücke zu mauern. Schlimmer noch, er verwahrt nun die Schlüssel zum Neuen Römischen Reich. Einzig die Fähre des letzten „Fährmanns“ überquert noch diesen Strom. Sie hat die Leinen losgemacht, von allem, was uns in der Vergangenheit Festigkeit und Halt gegeben hat. Wir alle bezahlen Charon, Chronos, die Zeit früher oder später mit unserem Leben. Doch nur sehr wenige Zeitgenossen können den Unbestechlichen mit ihrem Geistesgold entlohnen, denn vielen ist nur das metallische Abbild eigentümlich. Es treibt auch diese schwere Fracht das Boot zurück in den vermeintlich sicheren Hafen des übermenschlichen Monarchen des Neuen Römischen Reiches. Aus dem dunklen, geronnenen Blut seiner Satrapen und Opfer bildet sich die geheime Blutlinie seiner Macht, welche zurück bis in die Zeiten Jesu, ja gar Davids reicht. Der Monarch verbessert das Werk Christi, er überwindet die Unterscheidung von Gut und Böse und bringt den Überlebenden das Glück. Über dies vergessen die Massen den Verlust ihrer geistigen Freiheit schnell. Dabei ist „dasjenige, wozu unsere Kultur berufen ist, was sie aus den tiefsten Tiefen des menschlichen Seelenlebens an die Oberfläche des äußeren Kulturlebens zu tragen hat, das ist das Heranreifen der wahren Freiheitskraft im Menschen. Die Freiheit muß im reinen Intellekt, im reinen Denken erlebt werden, um dann auf das ganze Menschenwesen auszustrahlen, damit eine wirkliche Geisterkenntnis den dunklen Blutskräften entgegenwirken kann.“ (Rudolf Steiner) Der wahre König, der uns befreit, muß im Innersten des Menschen geboren werden. "Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du wärest ewiglich verloren." (Angelus Silesius). Während das äußere Leben in Trümmern zerbröckelt, in der Stunde des Chaos, muß der innere König das Leben und das Handeln eines jeden Einzelnen beherrschen. Das ist die Veredelung, Veradelung der Menschheit. Dem entspricht auch Hegels Idee, daß die Geschichte den Fortschritt der Menschheit im Bewußtsein der Freiheit zur Offenbarung bringen soll.

Nekrolog auf die zeitgenössische Freiheit:
Mit geistiger Freiheit ist natürlich nicht die wilde und rohe Freiheit des Blutes gemeint, das grenzenlose Ausleben der Triebe, des Animalischen, der Trägheit des Herzens, kurzum die Befreiung des Tiermenschen, was heutzutage ja unter „Freiheit“ allerorts verstanden wird. Denn diese führt unweigerlich zum Tode der Menschheit in der Barbarei.

Befreiung, wie sie wohl sein sollte, ist die Befreiung des Menschen von diesem Getriebensein und der damit verbundenen Agonie, der Bequemlichkeit. Der Mensch muß aus dem rotglühenden Mut unter Anwendung seiner gehärteten Ideale im Bewußtseinslicht seines Ichs die Demut schmieden, den Demant, den Diamant, den weißen Stein, den Stein der Weisen, den Edelstein, den Stein des geistigen Adels. So wird er zum Eckstein des Neuen Tempels einer geadelten Menschheit werden. In dieser fließt dann das Sang real, das königliche Blut und eben nicht in einer dubiosen, dunklen, nur schwach illuminierten Blutlinie der Vergangenheit.

„Nimm dieses Kreuz, es ist der Lohn
Der Demut, die sich selbst bezwungen.“

„Drei Worte nenn’ ich euch, inhaltschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde;
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Werth geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd’ er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Thoren!
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht!

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles im ewigen Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer
Sie pflanzet von Munde zu Munde,

Und stammen sie gleich von außen her,
Euer Innres gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist nimmer sein Werth geraubt,
So lange er noch an die drei Worte glaubt.“

(Friedrich von Schiller – Aus „Der Kampf mit dem Drachen“ & „Die Worte des Glaubens“)

Mit freundlichen Grüssen:

Vom Theodor


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