"Unnatürliches" in der Natur (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Freitag, 06.07.2012, 01:33 (vor 4306 Tagen) @ throne (4665 Aufrufe)

Hallo throne,

...dass die Präzession evt. "unnatürlich" ist...

als Nicht-Astronom (und Velikowsky-Anhänger) stellte Armin Naudiet über die Eigenheiten der Neigung der Erdachse Überlegungen an in "Das Geheimnis der Präzession":
http://www.efodon.de/html/archiv/wissenschaft/naudiet/praezession.htm

Den Begriff "unnatürlich" halte ich in diesem Zusammenhang für unangebracht, ebenso kännte man sich daran stören, daß der Äquator der Sonne nicht mit der Ekliptik parallel ist, oder daß die Venus sich "falsch herum" dreht oder Pluto mit "zu viel" Neigung zur Ekliptik herumschwirrt.

„Auf die Meinung der Heiligen aber über diese natürlichen Dinge antworte ich mit einem Wort: In der Theologie gilt das Gewicht der Autoritäten, in der Philosophie aber das der Vernunftgründe“ antwortete Kepler den Kirchenvertretern auf deren Kritk, die Planeten könnten sich nicht, wie von ihm behauptet, auf elliptischen Bahnen bewegen, sondern es müssten perfekte Kreisbahnen sein, weil letztere "göttlich" und "natürlich", erstere dagegen "widernatürlich" seien.

Diese Hybris anthropozentrischer Naturbetrachtung findet sich nicht nur bei organisierten Religionen, sondern zieht sich kurioserweise auch durch (fast) die gesamte Geschichte der Wissenschaft. Auch das Allerwelts-Wort "Naturgesetz" gaukelt eine Stabilität vor, die es so nicht gibt, weil jedes dieser "Gesetze" letzlich aus einzelnen Messungen und deren gauß'scher Glockenkurve abgeleitet wird.
Ein "Gesetz" kommt nun einmal dem menschlichen Wunsch nach Sicherheit entgegen.

"Jetzt erkennen wir, dass sehr vieles, was wir für ein Naturgesetz gehalten haben, in Wahrheit menschliches Übereinkommen ist. Sie wissen, dass noch in den entferntesten Tiefen des Weltraums ein Meter hundert Zentimeter hat. Das ist zweifellos eine bemerkenswerte Tatsache, aber man würde es kaum ein Naturgesetz nennen. Vieles, was für ein Naturgesetz gehalten wird, ist von dieser Art. Andererseits muss man, soweit man überhaupt in das wirkliche Verhalten von Atomen Einblick gewinnen kann, feststellen, dass sie viel weniger einem Gesetz unterworfen sind, als angenommen wurde, und dass die Gesetze, auf die man schließlich kommt, statistische Durchschnittswerte genau der gleichen Art sind, wie sie sich aus dem Zufall ergeben. Es gibt bekanntlich ein Gesetz, dass sich beim Würfeln nur etwa jedes 36. Mal zwei Sechsen ergeben; aber das betrachtet man nicht als Beweis, dass das Fallen der Würfel planmäßig gesteuert wird. Im Gegenteil, wenn jedesmal zwei Sechsen kämen, würden wir dahinter eine Absicht vermuten. Viele Naturgesetze sind von dieser Art. Sie sind statistische Durchschnittswerte, die sich aus dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit ergeben, wodurch die ganze Frage der Naturgesetze viel weniger imponierend erscheint als früher."

Bertrand Russell in "Warum ich kein Christ bin"


Der Chemiker Jan C. A. Boeyens ( http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_C._A._Boeyens ) meint, in der Kosmologie analoge Strukturen und Ordungskräfte festzustellen wie im mikroskopischen Stoffaufbau, der Chemie:
"Chemical Cosmology" gibt's hier: http://www.scribd.com/doc/44770316/Chemical-Cosmology

Es lohnt sich schon deshalb, dieses Buch zu lesen, um ein ungefähres Gefühl dafür zu bekommen, wie wenig wir tatsächlich "wissen".

Gruß,
Ulrich


Gesamter Strang: