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Religion (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 23.04.2012, 01:26 (vor 4383 Tagen) @ Baldur (5259 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Montag, 23.04.2012, 01:32

Hallo!

Im Kern des Problems werden wir wohl nie übereinkommen, weil Du aus meiner Sicht irrational in einem umgekehrten Glaubensreflex (Katholizismus multipliziert mal -1) an die Sache herangehst. Leider führt uns das nicht weiter, weil Du gerade in dem ideologischen Eifer, alles Glaubensmäßige auszumerzen, den Glauben ständig wieder auf den Tisch bringst. Da es sich bei Deiner Abneigung gegen die Religion ebenfalls um eine rein glaubensmäßige, irrationale Überzeugung handelt, sehe ich mich außerstande, Dich grundsätzlich zu überzeugen und muß mich mit dem Hinweis begnügen, daß Du falsch liegst und zwar aus folgenden Überlegungen:

1. Religiösen Vorstellungen entsprechende Aussagen in den Prophezeiungen, z. B. "Strafgericht", "großer Monarch", "Triumph des Glaubens", schließen das Eintreten dazu passender Ereignisse nicht aus.

  • Daß Seher ein "Strafgericht" voraussagen, schließt nicht das rational zu erwartende Eintreten künftiger Großkatastrophen aus.
  • Der "große Monarch" schließt nicht das Auftreten eines wirklichen Imperators aus. Tatsächlich liegt es in der Natur des Menschen im Zeitalter hoher Kulturen, also seit mindestens 10.000 Jahren, Herarchien auszubilden, an deren Spitze ein irgendwie gearteter Herrscher steht. Daher wird es nach Platzen der geschichtlichen Luftblase der letzten 100 bis 200 Jahre, in der sich die Menschen demokratisch dünken, auch wieder einen sichtbaren Herrscher an der Spitze geben. (Tatsächlich gibt es auch im Zeitalter der Republiken Herrscher, diese jedoch eher im Hintergrund. Volksherrschaft ist eine reine Farce.)
  • Spengler, der gewiss kein Verfechter des Kirchendogmas war, beschreibt das in der Endphase aller Zivilisationen wiederkehrende Phänomen der zweiten Religiosität, die letztlich nichts weiter ist als die erstarrte, ritualisierte Form der Religion, die zwei Jahrhunderte zuvor in einem rationalistischen Reflex beim Tode der Hochkultur faktisch abgeschafft wurde (auch wenn die Organisationen weiterhin existieren, ist die Welt seitdem eine völlig andere). Im Menschen, der ohne transzendente Bindung ist, regt sich dennoch der Drang, an etwas glauben zu müssen (zumindest in den nicht völlig leeren und seelisch toten Exemplaren), das ihn in eine höhere Ordnung der Dinge einbindet und das Leben sinnvoll erscheinen läßt.
    In der Zivilisation glauben die Menschen daher je nach Intelligenz oder geistiger Schlichtheit an Religionssurrogate wie:
    - Kommunismus
    - Wissenschaft
    - Esoterik
    - Anthroposophie
    - die Nation
    - den Fortschritt hin zu einer besseren Welt
    - die Einmaligkeit des Holocausts
    - Nibiru, hohle Erde, Reptiloiden, Aliens
    - Freimaurerverschwörungen
    - usw.
    (Aufstellung und Reihenfolge ohne Wertung)
    Auch der ursprünglichen Kultur fremde Religionen (Islam, Buddhismus, Heidentum) brechen in die zerfallende Welt ein.
    An der Schwelle zum Cäsarismus kommt es, dem Zusammenbruch des rationalistischen Weltbildes und dem Impuls des Imperators folgend, die Entartungsformen seiner Vorgänger (Geldherrschaft, Republiken) zu beseitigen, zu einer Restauration der Formen der Kultur, die in eine endgültige, systematisierte und durchkonstruierte Fassung gebracht werden. Im Falle des Abendlandes ist daher vom Wiederaufstieg einer restaurierten und reformierten Kirche auszugehen.

Diese glaubensmäßigen Motive in den Prophezeiungen haben also ihre wirklichen, dem Bau der Welt und der Geschichte entsprechenden, schicksalsmäßigen Gegenstücke. Weil es diese Ereignisse gibt, können sie gesehen werden. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, daß die religiösen Vorstellungen eine Grundlage haben, die entweder seherisch ist oder auf einem intuitiven Erkennen des Laufs der Welt beruht. Man muß den Prophezeiungen des Volksglaubens trotz aller oberflächlichen Verfälschungen also einen wahren Kern zugestehen.

2. Wir haben in den einzelnen Schauungen physikalische Details, die zum Zeitpunkt des Sehens unbekannt waren und erst vor wenigen Jahren durch Leute wie Tollmann bekannt wurden. Das spricht dafür (um nicht gleich von "beweist" zu sprechen), daß etwas reales gesehen wurde.
Zum Beispiel:
- Irlmaiers gelbe Flecken und schwarze Verfärbungen, die durch Säuren vulkanischen Ursprungs hervorgerufen werden.
- Irlmaiers Staubtod: Folge mikroskopisch kleiner, messerscharfer Partikel vulkanischen Ursprungs.
- "Rote Wolken" bei Jahenny: Salpetersäure, die bei Impakten entsteht
- "Heiße Tropfen" bei Velten: ebenfalls Säure

Dadurch erfahren auch Schauungen über das Finsternisgeschehen, die nicht explizit Physikalisches enthalten, eine Stützung. Das bedeutet natürlich, daß religiöse Prophezeiungen eben nicht pauschal für die Tonne sind, sondern sich unter dem religiösen Äußeren Information über zukünftige Tatsachen befinden kann.

Man findet aus der Zeit vor dem Waldviertler und Euren Sammlungen zeitgenössischer Visionen praktisch gar keine Vorhersagen ohne diesen Kontext, und auch die Feldpostbriefe bzw. die darin niedergeschriebenen Gesprächsinhalte dürften massiv aus diesem Glaubensumfeld inspiriert worden sein (wiederum der berühmte Antichrist als Markenzeichen des angeblichen Glaubenskampfes).

Dir ist hoffentlich klar, daß die Feldpostbriefe bis heute eingetroffen sind. Die wenigen religiösen Bezüge können ohne weiteres herausgelöst werden, weil sie erkennbar keine Sachaussagen enthalten. Sie sind im Grunde die beste Bestätigung für die Möglichkeit der von mir postulierten Trennung von Glauben und Tatsachen ("Sachinformation"). Was bleibt, ist verlässlich.

Wenn man annimmt, daß beispielsweise die sogenannte Ötztal-Kathi die plündernd-mordende Schar schiacher Leit gesehen hat und sie daraus schloß, daß das nur eine gerechte Strafe Gottes sein könne, wäre die Herkunft brauchbar und Ihre Folgerung daraus wäre halt ihre Erklärung gewesen, die man übernehmen oder für sich verwerfen kann.

Richtig. Darum geht es mir. Die Gründe des Geschehens sind eine andere Frage als jene nach dem, was geschieht. Gründe sind nicht Schauungsinhalt und werden in der Regel mit irgendeiner Form des Glaubens beantwortet.
Bei Katharina ist die eigentliche Frage, wie stark sie von der Volkssage beeinflußt wurde. Bei Gilge kommen ebenfalls Rote und "Schweizer" (pauschal für "Fremde") über die Berge. Das heißt: Hat es die Frau gegeben? Falls ja, was hat sie gesehen, was weitererzählt?

Wenn man jedoch annehmen muß, daß durch Endzeit-, Sühne-, Buße- und Jüngstgerichterwartung quasi eine Kalibrierung erfolgt ist und dann Gedanken entstehen, wodurch wohl ein Strafgericht ausgeführt werden könnte, wäre das gar keine Schau mehr. Sondern ein Nebenprodukt religiöser Wahnvorstellungen.

Dem hoffe ich mit meinen obigen zwei Punkten begegnet zu sein. Es sind nicht alles haltlose, religiöse Vorstellungen (anderes, wie der persönliche Antichrist, jedoch schon).

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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