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Nochmal zur Mondorfbrücke (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 07.02.2011, 16:36 (vor 4798 Tagen) (6110 Aufrufe)

Hallo!

Das mag vielleicht zur allgemeinen Kenntnis, bzw. Bewertung der Aussage wichtig sein.

Eine Leserzuschrift:
"Hallo Taurec,
ich hab da mal eine Frage, die sich auf den Brückenbau in Mondorf bezieht.Bei der Prophezeiung soll es sich ja um eine Fälschung handeln. Aber wie soll jemand Ende des 19. Jahrhunderts darauf kommen,das irgendwann mal gerade in Mondorf eine Brücke gebaut werden wird. Der Rhein ist ja bombastisch lang..und warum ausgerechnet in Mondorf...
Nun ja,ich wohne unweit von Köln in Brühl,einem Nachbarort von Wesseling,und die seit 30 Jahren immer mal wieder geplante Brücke soll ja von Mondorf nach Wesseling führen. Nun wird im Mai eine Abstimmung durchgeführt zum Ausbau vom Köln/Godorfer Hafen, da herrscht ja im Moment Baustopp. Die Rheinbrücke wird doch mit einbezogen.Im Mai entscheidet sich nun also, ob diese Brücke gebaut wird. Sollte man sich dafür entscheiden, wird mit dem Bau noch in diesem Jahr begonnen.
Kann man definitiv und ganz genau sagen,das es sich bei der Prophezeiung um eine Fälschung handelt? 100%ig? Ich bin mir da nicht sicher,und wüßte gerne Deine Meinung dazu.
Grüße"

Meine Antwort:

Soviel steht fest, daß Schrattenholz die Spielbähnprophezeiung erstellt hat, um politische Agitation gegen Preußen zu betreiben.
Dabei hat er wohl gängige Volkssagen genommen und entsprechend abgewandelt oder zusammengestückelt.
Da die Mondorf-Aussage in keiner anderen bekannten (!) Quelle vorkommt, ist auch nicht klar, wie der ursprüngliche Zusammenhang war (falls die Aussage einen echten Kern hat). Möglich ist auch, daß sich Schrattenholz die Aussage ausgedacht hat. Dann wäre ein zukünftiger Brückenbau dort reiner Zufall und nicht weiter zu beachten.

In seinem eigenen Kommentar zu der selbsterdachten Fälschung schreibt Schrattenholz, die Mondorfaussage scheine vom Seher als eine Beruhigung eingeschoben worden zu sein. Dadurch solle vielleicht angedeutet werden, daß der "allgemeine Krieg", der zum Untergange des preußischen Herrscherhauses führen werde, erst stattfinde, wenn die Brücke gebaut werde. Und zwar soll das eine temporäre Soldatenbrücke sein.
Etwas in der Art:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f1/Bundesarchiv_Bild_146-2007-0108,_Griechenland,_Kriegsbrücke.jpg
http://www.wooop.de/gfx/paintings/std/bilder_anschuetz-ottomar--momentaufnahme-der-kaisermanoever--775130.jpg
Das gab es im 19. Jahrhundert auch schon.
In diesem Zusammenhang ist die Aussage natürlich Unsinn. Im ersten Weltkrieg (nach dem das Haus Preußen die Herrschaft verlor) gab es dort, soweit ich weiß, keine Brücke.

Joseph Burg, der den Spielbähn 1848 ebenfalls abgedruckt hat und dessen Kommentare Henseler in seiner Spielbähnexpertise zitiert, verweist bezüglich der Mondorfaussage auf folgendes:
1. Es kommen in alten Sagen (von denen er allerdings keine nennt) des öfteren Brücken vor und zwar in Anlehnung an die Brücke "Bifröst" in der Edda.
2. Bei Mondorf fanden in der Vergangenheit bereits Überquerungen durch Soldaten statt, nämlich im 17. und 18. Jahrhundert mehrmals über die Sieg und 1794 durch Franzosen über den Rhein mittels solcher Pionierbrücken.
3. Johann Peter Knopp, der etwas älter ist als die Spielbähnaussagen, verweist auf eine Brücke bei Köln: "Wenn die Brücke zu Köln fertig sein wird, wird Kriegsvolk gleich drüber gehen."

Es ist also denkbar, daß die Brücke an die Edda angelehnt ist (bzw. entsprechende Volkssagen), daß sie deshalb bei Mondorf angesiedelt wurde, weil sich dort bereits in der Vergangenheit Soldantebrücken befanden, und daß die Idee überhaupt von Knopp geklaut wurde. Das unterstellt natürlich den Fall, daß die Aussage komplett erlogen wurde.
Daß bei Knopp ebenfalls eine Brückenaussage auftaucht, deutet zumindest darauf hin, daß es ein Motiv ist, das in dieser Gegend des öfteren mit jeweils unterschiedlichem Ortsbezug vorkommt. Das wäre etwa vergleichbar mit der Rotjankerl-/Rotröckleraussage, die im Alpenraum auch auf verschiedene Orte bezogen wurde. Ebensowenig wie man also den genauen Ort des Auftauchens der Rotröckler feststellen kann, wäre demnach der genaue Ort des Brückenbaus feststellbar.

Aber es besteht zumindest die leise Möglichkeit, daß es tatsächlich eine valide Mondorfaussage gibt, die von Schrattenholz für die Spielbähnfälschung zweckentfremdet wurde.
Dann kennen wir aber weder die Originalquelle, noch den Originalzusammenhang, in dem die Aussage gemeint ist. Nachdem der Zusammenhang der Fälschung nicht stimmt, bleibt nur die Aussage, daß man über die Brücke sofort gehen soll, sobald sie fertig ist. Es fehlt aber jeder Hinweis, auf welches Ereignis genau der Brückenbau bezogen ist. Daß er irgendwie in den bekannten Ablauf hineinpassen würde, ist natürlich anzunehmen. Genausogut wie direkt vor dem Krieg könnte die Brücke aber fünf bis zehn Jahre vorher gebaut werden.

Aufgrund der Unsicherheiten der Quellenlage halte ich persönlich das Risiko für zu groß, sich darauf zu verlassen. Oder anders formuliert: Falls dort eine Brücke gebaut würde, könnte man sich nicht zwangsläufig sicher sein, ob damit tatsächlich ein Vorzeichen eingetroffen wäre. Andersherum muß man damit rechnen, daß die Ereignisse eintreffen, ohne daß zuvor bei Mondorf eine Brücke gebaut wurde.
Wenn Du selbst es aber ernstnehmen willst, dann will ich Dich nicht davon abhalten. Immerhin ist es besser, zu sehr alarmiert zu sein, als zu wenig.

Gruß
Taurec

P. S.: "Henseler": Gemeint ist das Buch "Spielbähn. Echte und gefälschte Prophezeiungen" von Dr. Th. Henseler, erschienen 1950, aus dem ich meine Informationen beziehe.


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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