Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken
Geschrieben von Badland Warrior am 02. April 2005 22:17:05:
Der Papst ist tot.
Das ist bedauerlich. Zumindest für die Katholiken. Schließlich ist das der Chef der Firma. Auch, wenn immer wieder behauptet wird, der Jesuitengeneral, genannt "der schwarze Papst" würde im Hintergrund die Fäden ziehen, und der Papst nur repräsentieren, also vergleichbar mit Bundeskanzler und Bundespräsident, naja, so in etwa.
Ich betrachte das alles mit gemischten Gefühlen. Ohne jetzt jemandem nahetreten zu wollen.
Ich gebe zu bedenken: Papst Johannes Paul der Erste starb nach 33 Tagen. Er wollte die Einstellung zu Sexualität und Empfängnisverhütung reformieren, und den Augiasstall der Banco Vaticano und Banco Ambrosiano ausmisten. Da könnte man gewisse Rückschlüsse ziehen. Das tat auch schon jemand. David Yallop in seinem Buch "Im Namen Gottes?" Soviel ich weiß, war das das einzige gute Buch, das er schrieb, der Rest war das Lieblingswort von „Bernd das Brot“: „Mist!“Statt des reformfreudigen JP I kam nun sein Nachfolgermodell, heute würde man sagen "Update", JPII. Und wie bei vielen Updates wurde da einiges verschlimmbessert. Es war damals eine Sensation, dass ausgerechnet ein Kardinal aus dem Ostblock Papst wurde, und dann (besonders zum Schrecken vieler deutscher, denen das Auto gestohlen worden war) auch noch ein „Klaupole“!)Karol Woytila war ein Hardliner. Der Alleinvertretungsanspruch der römischen Kirche wurde weiter behauptet. Als in Italien endlich die Religionsfreiheit eingeführt wurde, kommentierte er das mit "Das Recht auf freie Religion ist nicht das Recht auf Irrtum." Ex ecclesiam non salus. Außerhalb der Kirche kein Heil. Johannes Paul II. unterstützte auch stark die Geheimbünde wie Opus Dei, welcher auch als Mafia Gottes bezeichnet wird.
Ebenso waren Selbstbefriedigung, Abtreibung und Empfängnisverhütung weiterhin tabu. Wer sich ein Häubli über den Pimporello stülpte, kam nicht in den Himmel.
Die Missionarsstellung war erlaubt, aber nur für Verheiratete, und nur, um Kinder zu zeugen. Um das Wohl der Kinder ging es ihm weniger. Dass viele Katholiken in in Afrika an der bestialischen Barbarei der Klitorisverstümmelung bei kleinen Mädchen festhielten, ging ihm am "heiligen" Arsch vorbei.
Dass durch das Kondomverbot sich Überbevölkerung und AIDS breitmachten, war ihm auch nicht so wichtig. Und AIDS bekamen ja eh „nur“ Schwule, und die waren böse Sünder, die eh in die Hölle kamen. Weltoffenheit und Realitätssinn waren wirklich noch nie etwas, das man dem Vatikan vorwerfen konnte.
Wichtig war ihm vielmehr, mit dem auch inzwischen verstorbenen Massenmörder Arafat zu konferieren. Dafür durfte auch die Rolle der Kirche im Dritten Reich mal etwas weniger beleuchtet werden. Ob Israel inzwischen vom Vatikan anerkannt wurde, ist mir nicht bekannt. Oder ich hab es vergessen.
Als der Papst das "Mea Culpa" inszenierte, war das sehr schlau. Er sagte ein paar nette Worte, und Ratzinger relativierte sie. Dabei war er doch der Chef. Und so richtig deutlich beim Namen genannt hat er die Sachen auch nicht. Hätte er gesagt, dass die Inquisition ein Fehler und Verbrechen gewesen war, hätte man ihm einen Bonus zugutehalten können. Hat er aber nicht. Und Ratz hat alles relativiert.
Dass in einigen Gemeinden in Südeuropa auch weiterhin Messen für Mussolini, Hitler und Franco gelesen werden, hat ihn auch nicht gejuckt. Dafür setzte er sich in Szene, indem er Flughafenböden abküsste, und überall unterwegs war, um seinen Schäfchen einzuschärfen, sie dürften nicht an sich herumspielen oder sonstige Ferkeleien machen. Dass aber in einigen Ländern, die er besuchte, dabei die Armut so groß war, dass viele Mädchen zwangsweise in der Prostitution landeten, übersah er dabei anscheinend.
Ebenso, wie er es nicht gern hörte, dass das Zölibat dazu führte, dass einige Priester hinwarfen und bürgerlich wurden, oder dass sich einige gern an Kindern vergingen. Statt diese Klerikalversionen von Michael Jackson zu exkommunizieren und zu sagen: "So einen Kinderschänder wollen wir nicht in unserem verein.", wurden diese lediglich versetzt.Die Sündenliste des Papstes reicht von hier bis nach Togo, so lang ist die. Dabei muss man aber auch bedenken, dass der Papst es nicht immer so wirklich leicht hatte. Das Attentat, bei dem ihn Ali Agca im Auftrag des bulgarischen Geheimdienstes niederschoss, zum Beispiel. Weshalb ausgerechnet die Bulgaren? Naja, die waren damals noch im Ostblock, und der Papst unterstützte die Gewerkschaft Solidarnosc. Das gefiel den Machthabern im Kreml nicht. Es wäre aber zu sehr aufgefallen, wenn sie selbst sich die Finger schmutzig gemacht hätten. also ließen sie durch ihre bulgarischen Freunde einen Trottel besorgen, der so verrückt war, auf den Papst zu schießen. Die Sache ging aber in die Hose. Der Papst überlebte, und Ali Agca sitzt immer noch in Haft, und das in der Türkei, wo die Zustände in den Gefängnissen grausig sind, Folterverbot hin oder her und EU-Beitrittsantrag hin oder her. Und die Solidarnosc bekam Aufwind, und damit alle Widerständler im Ostblock.
Der Papst litt aber weiterhin an den Folgen des Attentats. Hinzu kamen auch noch Krebs, Arthritis und schließlich Parkinson. Das kann man beim besten Willen nicht als schön bezeichnen, und wünschen tut man das eigentlich auch keinem (bis auf ein paar Ausnahmen vielleicht) Rücktreten aber wollte er nicht. Das haben bisher auch nur sehr wenige Päpste gemacht.Die Meisten starben im Amt, einer davon vergiftet durch einen Kelch, den er einem missliebigen Kardinal zugedahct hatte. Ob der Page bestochen war, oder ob da jemand das Rätsel mit dem „Becher mit dem Fächer" nicht richtig verstanden hatte oder schusselig war, wird nie rauskommen. Aber solche Spielchen wie bei Alexander dem VI. (Rodrigo Borgia) waren bei Johannes Paul dem II. nicht bekannt. Der ehemalige Jesuit Alberto Rivera, der sehr viel über die dunklen Seiten des Vatikans ausplauderte (auch, wenn einiges wohl etwas freizügig ausgelegt war, und er hernach christlicher Fundamentalist wurde) starb nach etlichen Attentaten dann auch an Krebs, und der Chef der Banco Ambrosiano wurde erhängt aufgefunden, aber lassen wir mal Fünfe gerade sein. Mist, jetzt hab ausgerechnet ich mir eine Verschwörungstheorie geleistet. Aber nur eine kleine, und keine antisemitische (würde ich nie, wie ihr mich kennt)
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Johannes Paul II. mag zwielichtig, verbohrt und mittelalterlich gewesen sein. Diese Anhäufung von Krankheiten, die er hatte, war aber alles andere als schön. Am Anfang mochte ich ihn nicht, in der Mitte seiner Amtszeit verabscheute ich ihn, aber am Ende tat er mir nur noch leid. Es war aber auch zu grässlich, dass man den alten halbtoten Mann durch die Gegend fuhr und ihn zur Schau stellte, wie in „Ripley's believe it or not“ - Kuriositätenfreakshow.. Aber anscheinend wollte er das auch. Und nun redet er mit "Bruder Hein", dem Sensenmann.
Und derweil sich alle um das Wohl des Papstes sorgten, starben in der Dritten Welt einige hundert Kinder an Seuchen, Krieg, Unterernährung oder barbarischen Ritualen, in den Industrienationen und Fernost wurden etliche Kinder derweil sexuell missbraucht oder auch getötet, und die Artenvielfalt der Tiere und Pflanzen nimmt dramatisch ab.
So ein Papst ist zu ersetzen. Bald gibt es das nächste Update. Die verschwundenen Pflanzen oder Tiere, oder die zerstörten Seelen der Kinder aber wird keiner ersetzen können.Und es ist nicht der nun verblichene Papst, der wichtig ist, sondern der kommende. Nicht nur wegen der Prophezeiung des Malachias, sondern auch wegen anderer. Der Papst wird aus Rom fliehen müssen, über die Leichen seiner Kardinäle hinweg. Prophezeiung oder Schauung hin ode rher: Wenn es weiter so bergab geht in Europa und gerade auch im Berlusconiland, dann wird es wohl so kommen. Mag das nun sein, weil es zu einer Kirchenspaltung kommt weil a) der neue Papst keine eindeutige Mehrheit hat und zwei Päpste konkurrieren, oder einer davon unpopuläre Ansichten vertritt, oder Italien eine kommunistische Revolution oder etwas anderes erlebt.
Die Uhr tickt. Die Zeitzeichen werden geballter. Kommt gut durch!
Badland Warrior
- Sehr guter Beitrag... Antje 03.4.2005 00:29 (1)
- @ Röde Wizard 04.4.2005 00:22 (0)
- Re: Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken Tecumseh 02.4.2005 22:34 (3)
- Re: Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken Badland Warrior 02.4.2005 22:41 (2)
- Re: Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken Tecumseh 02.4.2005 22:56 (1)
- Re: Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken Hunter 02.4.2005 23:12 (0)
- Re: Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken Bonnie 02.4.2005 22:31 (1)
- Re: Nachruf auf Karol Joszef Woytila und einige Gedanken Badland Warrior 02.4.2005 22:38 (0)