Aus: Die Welt
Geschrieben von Tecumseh am 17. März 2005 12:07:32:
Skepsis gegenüber "Multikulti-Gesellschaft"
50 Prozent der EU-Bürger sprechen sich laut einer Studie gegen Einwanderung aus
von Stefanie Bolzen
Berlin - Spätestens seit dem Mord an dem niederländischen Filmregisseur Theo van Gogh im vergangenen November ist das Für und Wider der multikulturellen Gesellschaft erneut nach ganz oben auf die politische Agenda in Europa gerückt. Auch in Deutschland hat das Erstarken rechtsextremer Parteien die Diskussion weiter angestoßen, "wieviel Toleranz nötig und gut" ist. Die Beobachtungsstelle zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit der Europäischen Union (EUMC) hat jetzt eine Studie veröffentlicht, die sich mit diesem Thema beschäftigt.
Die Ergebnisse der in Wien vorgestellten Untersuchung belegen den Eindruck, den man aus der öffentlichen Debatte der vergangenen Monate gewinnen konnte: Die Kritik an den Konzepten der Multikulti-Gesellschaft wächst. Tatsächlich sind 60 Prozent der in den 15 alten EU-Staaten Befragten der Auffassung, "daß es eine Grenze gibt, wie viele Menschen einer anderen ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Kultur eine Gesellschaft verkraften kann". Diese Zahl ist dem Beobachtungszentrum zufolge seit 1997 "deutlich gestiegen" - allerdings gaben die Forscher keine Vergleichszahlen heraus. Zu beachten ist auch, daß als jüngste Zahlen Umfragewerte aus 2003 zugrunde lagen.
In den zehn neuen Mitgliedsstaaten der EU stimmten nur 42 Prozent der Aussage zu, daß die Multikulti-Philosophie ihre Grenzen habe. Allerdings muß man bei diesen Angaben beachten, daß die meisten dieser Länder aus historischen Gründen ihre Meinung auf einen wesentlich geringeren Erfahrungsschatz gründen.
Die kritischste Einstellung legen der Studie zufolge die Griechen an den Tag, die die multikulturelle Gesellschaft am deutlichsten ablehnen und ihr am stärksten Grenzen setzen wollen. Eine Meinung, die in Deutschland - und dort in den neuen Bundesländern noch eindeutiger als in den alten -, in Belgien und Österreich in beinahe gleichem Ausmaß geteilt wird. Größere Offenheit zeigen hingegen Italiener, Spanier, Finnen, Schweden und Niederländer.
Bei der Frage, inwieweit sich Immigranten Gesetzen, aber auch Gebräuchen des Gastlandes anzupassen hätten, führen die skandinavischen Länder hingegen die Gruppe der Befürworter an; eine Forderung, welche insbesondere die Mittelmeer-Anrainer nicht so streng sehen.
Der EU-Stelle zufolge ist auch die Zahl jener EU-Bürger in den Altmitgliedsstaaten, die sich dafür ausgesprochen hätten, daß Zuwanderer die EU wieder verlassen sollten, auf 20 Prozent gestiegen. Etwa 50 Prozent der EU-Bürger äußerten Ablehnung gegenüber Einwanderern. Insgesamt 58 Prozent hätten eine kollektive ethnische Bedrohung durch diese Gruppe wahrgenommen. Sie hätten etwa die Befürchtung geäußert, daß Zuwanderer den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen könnten oder zu einem Anstieg der Kriminalität beitragen würden.
Die EUMC-Studien geht auch der Frage nach, in welchem Maß der soziale Hintergrund der Bürger ihre Einstellung gegenüber Einwanderern und dem Zusammenlieben mit ihnen beeinflußt. Die Ergebnisse sind indes erwartbar: Menschen mit einem niedrigen Einkommen und geringem Bildungsniveau legen die stärkste Ablehnung gegenüber Einwanderern an den Tag; bei Befragten aus dem urbanen Milieu, Studenten und höher Qualifizierten liegt die Toleranzgrenze höher. Interessant ist, daß die Ablehnung multikultureller Gesellschaften bei den 30- bis 39jährigen höher ist als in der nächsten Altersgruppe von 40 bis 49 Jahren.